piwik no script img

Deutscher Jugendliteraturpreis 2020Blick ins Autorinnenzimmer

Auch die Verleihung des Jugendliteraturpreises fand in diesem Jahr online statt. Den Sonderpreis für ihr Gesamtwerk erhielt Autorin Cornelia Funke.

Winke, winke, Preisverleihung 2020: Franziska Giffey in Berlin, Cornelia Funke in Kalifornien Foto: Christophe Gateau

Berlin taz | Den goldenen Brief öffnen, Name vorlesen, kurze Freude in der Zoomschalte, ebenso kurze Jurybegründung. Zack nächste Kategorie. Kein nervöses Rumrutschen auf den Stühlen nach einem langen Messetag. So eine Onlineverleihung des Jugendliteraturpreises ist zeitlich schön knackig.

Statt auf großer Bühne und dem Frankfurter Buchmessengelände fand die Verleihung des Jugendliteraturpreises 2020 aufgrund der Coronapandemie in diesem Jahr im Berliner Kinder- und Jugendtheater GRIPS statt. Als Konstanten aus den vergangenen Jahren begrüßte Moderatorin Vivian Perkovic am frühen Freitagabend die Jugendliteraturpreis-Schirmherrin Familienministerin Franziska Giffey sowie die Juryvorsitzenden Jan Standke und Kathrin von Papp-Riethmüller. Die nominierten Au­to­r*in­nen wurden per Video zugeschaltet.

Ausgezeichnet werden bei dem seit 1956 jährlich vergebenen Jugendliteraturpreis Autor*innen, Il­lus­tra­to­r*in­nen und Über­set­ze­r*in­nen in sieben Kategorien. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend stiftet dabei für die Auszeichnungen insgesamt 72.000 Euro.

In diesem Jahr gingen der erste und der letzte Preis des Abends nach Kalifornien. In der Sparte „Bilderbuch“ wurden zunächst Mac Barnett und Jon Klassen für ihre humorvolle Trilogie „Dreieck Quadrat Kreis“, das sich an Kinder ab fünf Jahren richtet, ausgezeichnet. Die Bilderbücher seien, so der deutsche Übersetzer Thomas Bodmer, ganz nebenbei auch ein Beitrag zur Genderdebatte – denn wie transferiert man die weiblich angelegte Figur des „Circle ins Deutsche, wenn es „der Kreis“ heißt? Barnett und Klassen freuten sich artig in einer zuvor aufgezeichneten Videobotschaft über den mit 10.000 Euro dotierten Preis und scherzten, dass sie vergangenes Jahr in Frankfurt waren und keinen Preis bekamen. Jetzt sei es andersherum.

Sonderpreis für Gesamtwerk für Cornelia Funke

Den letzten Preis des Abends, den Sonderpreis für das Gesamtwerk, erhielt eine der bekanntesten deutschen Schrifstellerin für Kinder- und Jugendliteratur. Virtuell ging er ebenfalls nach Kalifornien. Zugeschaltet im Videocall mit Blick auf ihr geräumiges Wohnzimmer freute sich Cornelia Funke über die Auszeichnung. Auf ihrer Avocadofarm in Malibu hatte gerade der Tag begonnen.

Cornelia Funke, die 1958 in Dorsten in Nordrhein-Westfalen geboren wurde, hat bereits über 70 Kinder- und Jugendbücher veröffentlicht und wurde in über 50 Sprachen übersetzt. Besonders bekannt sind ihre „Wilde Hühner“-Bücher, die „Tintenwelt“-Trilogie und der im Jahr 2000 erschienene Roman „Herr der Diebe.“ Die Jury hob in ihrer Begründung die feine und bildliche Sprache Funkes hervor und lobte ihre Genrevielfältigkeit. Das Preisgeld von 12.000 Euro solle, so die Autorin im kurzen Videogespräch, in ihre Stiftung zur Förderung des internationalen Austauschs von Künst­le­r*in­nen fließen. Sie bedauere es, dass durch die Coronapandemie in diesem Jahr nicht wie geplant auch europäische Kreative zu Gast in den Tiny Houses auf ihrer Farm seien können.

Funke folgt in dieser Kategorie des Jugendliteraturpreises auf den Leipziger Illustratoren Volker Pfüller, der 2019 die Ehrung für sein Gesamtwerk erhielt.

In der Kategorie „Bestes Kinderbuch“ wurde der 63-jährige Bremer Will Gmehling für seinen Roman „Freibad“ ausgezeichnet. Als bestes Kindersachbuch aus dem Jahr 2019 wurde „A wie Antarktis“ von David Böhm gewählt. „Die ausgezeichneten Werke vermitteln trotz ernsthafter Themen eine positive, fast schon optimistische Grundstimmung und bieten eine sehr breite Perspektive auf unterschiedliche Lebenswelten“, sagte der Juryvorsitzende Jan Standke.

Keinen leichten Stoff prämierte auch in diesem Jahr wieder die Jugendjury. Diese besteht in jedem Jahr aus Kindern von Leseclubs verschiedener Städte Deutschlands. Von den sechs nominierten Büchern überzeugte die jungen Le­se­r*in­nen der Roman „Wer ist Edward Moon?“ der irischen Schriftstellerin Sarah Crossan, in der Übersetzung von Cordula Setsman, am meisten. Die Geschichte des 17-jährigen Joe Moon, der seinen älteren Bruder vor dessen Hinrichtung in der Todeszelle besucht, konfrontiere mit Fragen nach Schuld und Vergebung, nach dem Wert des Lebens und dem Sinn der Todesstrafe, hieß es in der Begründung. Nominiert war auch as Buch „Das Mädchen im blauen Mantel“ von der US-Schriftstellerin Monica Hesse. Darin geht es um die Judenverfolgung im Zweiten Weltkrieg aus der Perspektive einer jungen Holländerin.

Steife Onlineveranstaltung

Betont fröhlich, mit altbekannten Sätzen, dass alle Ge­win­ne­r*in­nen seien und wie wichtig Kinder- und Jugendliteratur ist – die Pandemie unterstreiche das – brachten die Äußerungen von Ministerin Franziska Giffey keinen großen Mehrwert. Schön und nahbarer wurde die steife Onlineverleihung immer dann, wenn man nach der Verkündung der Ge­win­ne­r*in­nen für einen kurzen Moment in ein weiteres Au­to­r*in­nen­zim­mer blicken konnte. Videocalls machen es möglich und so freute man sich etwa mit Dita Zipfl und ihrem winkenden Kind auf dem Schoß über die Auszeichnung für das beste Jugendbuch 2019. Zipfl bekam den Preis für die humorvolle Geschichte „Wie der Wahnsinn mir die Welt erklärte“, mit Illustrationen der Norwegerin Ran Flygenrin.

Auch hinter dem Rücken der Gewinnerin des Preises in der Kategorie „Neue Talente“, den die deutsche Autorin Rieke Patwardhan erhielt, lugte immer mal wieder ein Kinderkopf hervor. Patwardhan überzeugte die Jury des Jugendliteraturpreises mit dem Kinderroman „Forschungsgruppe Erbsensuppe“, der im Knesebeck-Verlag erschienen ist. Darin erzählt sie, wie der ruhige Nils, die wilde Evi und die aus Syrien geflüchtete Lina das Dosensuppenrätsel um Nils' wunderliche Oma lösen. Voller Humor und Leichtigkeit gelinge es der Nachwuchsautorin, die Themen Integration, Flucht und Traumatisierung in ein spannendes und vergnügliches Leseerlebnis zu packen, urteilte die Jury. Gerne hätte man da für ein Buchmessengefühl und aus Neugierde auf das Buch auch ein paar vorgelesene Sätze der Autorin gehört. Leider sah das Konzept der Onlinepreisverleihung das nicht vor.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Geld ist nicht alles.

    • @Thomas Davina:

      Aber man muss seine Miete zahlen!

  • Wieder kein Geld!

    Es ist immer das Gleiche:



    Fürs Schreiben gibt es meist kein Geld!



    Oder nur jämmerlich wenig.



    Es wird aber gern von Kreativwirtschaft geredet...



    Dafür kann man sich nix kaufen.