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Deutsche Waffenlieferungen an UkraineScharfe Geschütze gegen Ampel

Vorwürfe, Deutschland würde die Ukraine militärisch im Stich lassen, sind nicht haltbar angesichts großer Mengen an bereits gelieferter Ausrüstung.

Flugabwehrgeschütz Foto: Ukrinform/dpa

Kurz vor seinem wohlverdienten Abschied aus Deutschland feuert Andrij Melnyk noch einmal aus vollen Rohren. „Diese katastrophale Verweigerungspolitik der SPD & der Ampel, die Ukraine ausgerechnet in diesem kritischen Moment militärisch im Stich zu lassen, wird verheerende Folgen für die Zukunft haben“, twittert der ukrainische Botschafter.

Sollte der Bundeskanzler „auch nach den jüngsten Erfolgen der Armee nicht SOFORT umsteuern“, wäre das „eine Bankrotterklärung Deutschlands, die in die Geschichte eingeht“. Eine recht eigenwillige Sicht der Dinge, denn mit der Realität hat der Vorwurf, Deutschland lasse die Ukraine militärisch im Stich, wenig zu tun.

Tatsächlich liefert die Bundesrepublik erhebliche Mengen an Waffen und Ausrüstung, um der Ukraine im Kampf gegen den russischen Überfall beizustehen. Nur die Unterstützungsleistungen der USA und Großbritanniens sind noch größer. Von keinem anderen Land in der EU kommt so viel militärisches Gerät, einzig Polen reicht an Deutschland heran.

Seit Mitte Juni veröffentlicht die Bundesregierung eine Übersicht der deutschen Unterstützungsleistungen an die Ukraine, die regelmäßig aktualisiert und ergänzt wird. Laut Verteidigungsministerium liefert die Bundesrepublik das, „was verfügbar, entbehrlich, rasch umsetzbar und in der Ukraine effektiv einsetzbar ist“ – und das ist nicht wenig. Die Palette ist breit und umfasst sowohl leichte wie auch schwere Waffen. Sie reicht von inzwischen 20 Gepard-Flakpanzern bis zum Artillerieortungsradar Cobra.

Dreistelliger Millionenbereich

54 gepanzerte Truppentransporter mit Bewaffnung sind ebenso dabei wie 3 Bergepanzer, 500 Fliegerabwehrraketen, 2.700 Fliegerfäuste, 50 Bunkerfäuste, 10 Antidrohnenkanonen, 4 elektronische Drohnenabwehrgeräte, 100 Maschinengewehre, 10 Panzerhaubitzen, 7.944 Panzer­ab­wehr­hand­waffen, 14.900 Panzer­abwehr­mi­nen, 100.000 Handgranaten und 21,8 Millionen Schuss Handwaffenmunition.

Das ist nur eine kleine Auswahl des bislang gelieferten Materials, das entweder aus Beständen der Bundeswehr oder aus Lieferungen der Industrie stammt, die aus Mitteln der 2 Milliarden Euro schweren Ertüchtigungshilfe der Bundesregierung finanziert werden. In Vorbereitung ist unter anderem die Lieferung von 43 Aufklärungsdrohnen, 10 Autonomen Überwasserdrohnen, 16 Brückenlegepanzern und weiteren 10 Gepard-Panzern sowie 12 Bergepanzern.

Der Gesamtwert der im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 5. September 2022 von der Bundesregierung erteilten Einzelgenehmigungen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern in die Ukraine beträgt 733.623.190 Euro. Doch diese Zahl ist etwas irreführend. Denn zum einen beruhen die Wertangaben für gebrauchtes Material aus Bundeswehrbeständen auf dem Zeitwert, der bedeutend unterhalb dem jeweiligen Neu- oder Wiederbeschaffungswert liegen kann.

Zum anderen sind dabei nicht jene Panzer berücksichtigt, die im Rahmen des – nur äußerst schleppend anlaufenden – „Ringtauschs“ an andere Länder wie Polen, die Slowakei oder die Tschechische Republik gegeben werden sollen, damit die aus ihren Beständen Panzer sowjetischer Bauart an die Ukraine liefern.

Nicht unterschätzt werden sollte übrigens Deutschlands Beitrag zur medizinischen und sonstigen Versorgung der ukrainischen Armee. Das reicht von einem Feldlazarett, 1.200 Krankenhausbetten, 18 Paletten Sanitätsmaterial, 500 Stück Wundauflagen zur Blutstillung und 60 OP-Leuchten bis zu 10.000 Schlafsäcken und 403.000 Rationen Einpersonenpackungen zur Verpflegung.

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4 Kommentare

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  • Die permanenten Rufe nach "Schweren Waffen und Panzern", hauptsächlich durch die "Militärexpertin" Strack-Zimmermann, insbesondere die Rufe nach "Vorangehen" durch Deutschland ist schierer Unsinn !



    Es ist richtig, daß der Bundeskanzler besonnen ist - und bleibt - und derartig schwierige Dinge in Abstimmung mit den Natopartnern tut.



    Wenn es der FDP/ CDU/ CSU in die Hände spielt/ in den Kram paßt, verstecken sich dies Parteien ja auch permanent hinter " europäischer Abstimmung ", wohl wissend, daß es dann noch bis zum Sankt Nimmerleinstag dauern kann !



    ... simples Partei- und Machtgeplänkel !!!

  • Die Ukraine brauchte von Anfang an schwere Distanzwaffen um den Agressor zurücktreiben zu können. Deutschlands Fakeargument diese nicht "im Alleingang" liefern zu wollen, wird von Stoltenberg widerlegt. Deutschland als größter Waffenexporteur mit dem diesbezüglichen Zwerg Polen zu vergleichen, ist lächerlich.



    Was ist also der Grund dieser zögerlichen SPD- Haltung?



    Will sie einen klaren Sieg der Ukraine verhindern und statt dessen dem Diktator Putin mit Landgewinn eine Gesichtswahrung ermöglichen?



    Zynischer könnte Appeasement nicht sein, da dieses Kalkül von der Ukraine mit Menschenleben und von Europa mit politischer jnd wirtschaftlicher Instabilität bezahlt wird. In aller unser Interesse ist zu hoffen, dass die USA Scholz zur Kursänderung zwingen.

  • ABC-Schutzausrüstung ist auch dabei. Den Rahmen des Möglichen auszuschöpfen, der für ein großes Industrieland zumindest überraschen kann, ist einerseits löblich, nur wär alles andere für ein NATO-Land und vor dem Hintergrund so einer Katastrophe in Nachbarschaft gelinde gesagt überraschend. Und in einem Kriegsgeschehen reicht das nur Mögliche leider nicht immer, schon gar nicht, wenn sich an dessen Umfang seit einem halben Jahr gar nicht viel geändert zu haben scheint. Einem halben Jahr! Das ist das eigentlich Verblüffende, dass entspr. Kapazitäten offenbar gar nicht aufgestockt, hochgefahren würden, oder man sich auch erkennbar um Ausgleich oder Ersatz bemühte - trotz zusätzlicher 100 Mrd im Rücken - um sich eben mehr Luft und Spielraum zu schaffen, so wie das jetzt fast alle europ. Länder östlich Deutschlands tun. Das ist irgendwie nur die halbe Wahrheit. Und auch wenn letztlich alles gebraucht wird, sind es erstens nicht unbedingt die Sachen, sondern auffallend häufig ganz andere, um die seitens der ukr. Regierung tatsächlich gebeten wurde. Denen man auch nicht unterstellen müsste, Fähigkeiten und Möglichkeiten der Bundesrepublik nun gar nicht einschätzen zu können, selbst wenn sicher nicht alles davon (Kriegsschiffe) realistisch gewesen ist. Realistisch ist es auch nicht, dass sie nun gerade beim Verbandszeug auf die Bundesrepublik angewiesen wären. Und zweitens sind es eben nicht die Game Changer, oder was da jetzt den Unterschied macht. Dabei sollte man nicht vergessen, dass sowas viel mit Psychologie zu tun hat, die oft steilen Wünsche denkt sich ja keiner mal so aus. Es ist nicht mal unwahrscheinlich, dass Psychologie in diesem Konflikt am Ende sogar entscheidend ist und zwar auf beiden Seiten. Und wenn man der Ukraine nun sowas wie HIMARS liefert, oder eben Kampfpanzer, nimmt man selber eine andere Rolle ein und sendet ein starkes Signal, an beide Parteien, das sich auch mit ner Mio. Maschinengewehre nicht einstellen lässt. Verstehen muss man das nicht.

  • Die "54 gepanzerte Truppentransporter mit Bewaffnung" sind nicht zufällig die dänischen M113?