Deutsche Waffenexporte: Erst Grimme-Preis, jetzt Staatsanwalt
Überraschung in Stuttgart: Behörden in Süddeutschland ermitteln gegen Journalisten, die fragwürdige Waffengeschäfte aufgedeckt haben.
Betroffen sind Autoren der ARD-Dokumentation „Tödliche Exporte – Wie das G36 nach Mexiko kam“ sowie des Buchs „Netzwerk des Todes“. Das Gesamtprojekt, zu dem taz-Recherchen beigetragen haben, wurde mit dem Grimme-Preis für besondere journalistische Leistungen ausgezeichnet.
Die Beiträge beschäftigen sich mit der Lieferung von Gewehren der Waffenschmiede Heckler & Koch (H & K) in mexikanische Bundesstaaten, für die keine Genehmigungen vorlagen. Sie dokumentierten auch interne Schreiben des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) und des Bundesausfuhramts (Bafa), die auf eine strafrechtlich fragwürdige Kooperation der beiden Behörden mit den Waffenbauern hinweisen.
Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob die Publikation der Dokumente widerrechtlich ist, weil diese zu den Ermittlungsakten im Strafverfahren gegen H & K zählten.
Stuttgarter Staatsanwalt Peter Vobiller in der Kritik
„Es ist unsere Pflicht und Aufgabe, die Informationen zu veröffentlichen“, sagt Filmemacher Daniel Harrich als Reaktion auf die Ermittlungen gegen ihn und mindestens vier weitere Personen. Der Friedensaktivist Jürgen Grässlin kritisiert den Stuttgarter Staatsanwalt Peter Vobiller.
Dieser hat das Verfahren eingeleitet, das inzwischen von der Münchner Staatsanwaltschaft übernommen wurde. „Vobiller weigert sich, Schritte gegen BMWi und Bafa einzuleiten, und verfolgt jene, die den Rechtsstaat verteidigen, indem sie illegale Waffenexporte aufdecken“, kritisiert der Pazifist, durch dessen Anzeige im Jahr 2010 der Mexiko-Deal von H & K strafrechtlich verfolgt wurde.
Erst fünf Jahre nach der Anzeige erhoben die Strafverfolger Anklage gegen sechs ehemalige Mitarbeiter der Firma. Sie sollen „gewerbsmäßig und als Bande“ vorsätzlich illegal Kriegswaffen ausgeführt haben. Für mutmaßliche Mittäter in den Behörden hatte der Fall aber bisher keine juristischen Konsequenzen. Dabei deutet vieles darauf hin, dass sich Beamte widerrechtlich für Interessen von Heckler & Koch starkgemacht haben.
„Warum braucht ein Staatsanwalt einerseits fünfeinhalb Jahre, um Anklage gegen ein Rüstungsunternehmen zu erheben, und versucht andererseits, innerhalb kürzester Zeit mit enormem Aufwand ein Strafverfahren wegen eines Films herbeizuziehen?,“ fragt Grässlins Anwalt Holger Rothbauer. Der Jurist vermutet, dass die Staatsanwaltschaft von eigenen Fehlern im Verfahren ablenken will.
Wolf-Dieter Vogel hat für die ARD-Dokumentation „Tödliche Exporte“ Recherchen aus Mexiko zugeliefert, er hat auch für die taz wiederholt über die Exporte von Heckler & Koch berichtet. An den Recherchen in Deutschland, deretwegen die Staatsanwaltschaft ermittelt, war er nicht beteiligt. Gegen ihn wurde kein Verfahren eingeleitet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“