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Deutsche SchwimmerZu wenig Biedermänner

Michael Phelps gewinnt mit der 100-Meter-Freistil-Staffel in Weltrekordzeit sein zweites Gold. Deutsche Schwimmer aber saufen reihenweise ab.

Madsen hat sich zweieinhalb Jahre lang vergeblich bemüht. Bild: dpa

PEKING taz Örjan Madsen schwärmte. Der Cheftrainer des Deutschen Schwimmverbandes war gerade Zeuge eines historischen Rennens geworden. Geschichte schrieb die 4x100 Meter-Freistil-Staffel der USA mit Startschwimmer Michael Phelps. Der neue Weltrekord von 3:08,24 Minuten, fast vier Sekunden unter der alten Bestzeit, ist nur ein Teil der Geschichte. Bei der letzten Wende lag US-Schlussschwimmer Jason Lezak eine halbe Länge hinter Alain Bernard, bislang Weltrekordhalter über diese Distanz. Lezak überholte den Franzosen noch, schlug nach unfassbaren 46,06 Sekunden an - mit acht Hundertstel Vorsprung.

"Perfekt" sei das Rennen gelaufen für die Amerikaner, sagte der Bundestrainer. Auch seinen Athleten, fügte er an, hätten das schon mal erlebt. Der Norweger spielte auf das Weltrekord-Rennen der deutschen 4x100 Meter-Kraulstaffel der Frauen bei der EM 2006 in Budapest an. Der Schwimmsport in Deutschland war kurzzeitig obenauf. Jetzt liegt er darnieder - wieder mal.

"Weltklasse 2008" nannte der DSV das Programm, mit dem die Athleten unter Madsens Leitung ganz nach vorne schwimmen sollten. Schon nach den ersten drei Wettkampftagen in Peking steht fest: Es ist kläglich gescheitert. Zweieinhalb Jahre hat sich Madsen vergeblich bemüht.

Er war angetreten, das ewig gleiche Problem auch seiner Vorgänger zu lösen. Madsen kündigte zu Beginn seiner Amtszeit an, den persönlichen Trainern die Stoppuhren aus der Hand zu nehmen. Als Problem des Schwimmsports hierzulande hatte er die Eigenbrötelei der einzelnen Schwimmer und ihrer Trainer ausgemacht. Die Analyse war nicht neu. Der Ton, den der Neue anschlug, schon. Nicht wenige waren überzeugt, dass der asketische Leistungsfanatiker den sogenannten Heimtrainern schon werde Mores lehren können. Denkste. Gestern zog Madsen ein erstes Fazit seiner Amtszeit, die nach den Spielen endet.

Seine Idee, die besten Schwimmer regelmäßig zu den ganz großen Wettbewerben zu schicken, ließ sich nicht durchsetzen. Etliche Kaderathleten verzichteten in diesem Jahr auf einen EM-Start in Eindhoven. Sie zogen einen Start bei den nationalen Titelkämpfen vor. Jetzt machen sie in Peking einen hoffnungslos überforderten Eindruck. Helge Meeuw, der mit seiner Europarekordzeit von 53,10 Sekunden über 100 Meter Rücken - aufgestellt bei der nationalen Olympiaqualifikation - als Medaillenkandidat nach Peking reiste, konnte sich seine Zeit (54,88) und sein Ausscheiden nach dem Vorlauf ebenso wenig erklären wie Sarah Poewe, die mit ihrer Jahresbestzeit von 1:07,10 Minuten über 100 Meter Brust als Zweitbeste ins Finale eingezogen wäre. Nun verpasste sie mit 1:08,69 das Halbfinale. Und während die Italienerin Federica Pellegrini im 200-Meter-Freistil-Vorlauf den achten Weltrekord schwamm, schieden die WM-Zweite Annika Lurz und Petra Dallmann aus.

"Da gibt es sicherlich noch einiges zu klären", sagte Antje Buschschulte. Für sie war im Semifinale über 100 Meter Rücken Schluss. Mit ihrer Vorlaufzeit vom Tag zuvor war sie noch zufrieden. Da ist sie so schnell geschwommen, wie sie kann. Gestern war sie eine Sekunde langsamer. "Was soll ich machen?", fragte die 29-Jährige, die die größte Olympiaerfahrung im Team hat. "Ich bin nicht in der Lage, zwei Leute zu trösten und dann noch ruhig in den Schlaf zu finden." Außerdem sei ihr Heimtrainer nicht da, "bei dem ich mich vielleicht einmal anlehnen könnte".

Ihre Schwimmwelt ist eine ganz kleine. Vor der ganz großen hat sie sich schon im letzten Jahr verabschiedet. Lange, so erzählt sie, hat sie überlegt, ob sie nach ihrer Schulteroperation ihre Karriere fortsetzen solle. Sie hat ihrem Körper abverlangt, so viel der eben vertragen hat, und doch gewusst, dass die Weltspitze für sie, die in Athen noch drei Mal Bronze gewonnen hatte, nicht mehr erreichbar ist. Bei Paul Biedermann ist das anders, er will kein Außenseiter sein. Er sucht den Kontakt mit der Konkurrenz. "Ich will mich stellen", sagte er, nachdem er das Finale über 200 Meter Freistil am heutigen Dienstag erreicht hatte. Wie anders hörte er sich an als Hinterherschwimmer wie Meeuw ("Ich kanns mir nicht erklären. Ich kanns nicht glauben."). "Ich habe keine Probleme damit, mich mit den Besten zu messen", sagte Biedermann. Für das Finale hatte er sich vorgenommen, seinen eigenen deutschen Rekord anzugreifen. Von den unfassbaren Weltbestzeiten, die beinahe in jedem Finalrennen im Pekinger Wasserwürfel aufgestellt werden, ist er weit entfernt. Doch der 21-Jährige macht den Eindruck, dass er genau da hin will.

Wie all die Fabelzeiten zustande kommen? Madsen gibt sich ahnungslos. Seine Schwimmer auch. Wenn die jedoch intern den Verdacht äußern, in der Weltelite könne es eventuell nicht nur mit rechten Dingen zugehen, so berichtet Madsen, widerspreche er und sage, jeder solle auf seine Leistung achten und darauf, selbst sauber zu bleiben. Er sei sicher, dass die Weltspitze nicht gedopt ist, sagt er. Er hat sich den Glauben an das perfekte Rennen bewahrt. Seine Athleten werden ihm keines bescheren.

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