Deutsche Kunden von isländischen Banken: Bei Pleiten droht Totalverlust
Deutsche Kunden sind nicht geschützt, wenn sie Geld bei der isländischen Bank Kaupthing angelegt haben.
BERLIN taz Islands Finanzsystem steht am Abgrund: Am Mittwoch wurde die drittgrößte Bank Glitnir endgültig verstaatlicht. Bereits am Dienstag war das zweitgrößte Kreditinstitut Landsbanki in Staatshand übergegangen.
Der Branchenführer Kaupthing ist auf Notkredite der isländischen Regierung angewiesen und erhielt am Mittwoch von der schwedischen Zentralbank weitere 516 Millionen Euro als Darlehen. Zusammen haben die drei Banken eine Schuldenlast angehäuft, die dem Neunfachen des Bruttoinlandsprodukts Islands entspricht, das zuletzt bei 14,6 Milliarden Euro lag.
Kaupthing hat auch eine deutsche Niederlassung. Bei einer Insolvenz dürften die deutschen Kunden einen Großteil ihrer Einlagen verlieren. Denn die Bank untersteht ausschließlich dem gesetzlichen Einlagensicherungsfonds Islands, der aber mit der jetzigen Bankenkrise bereits überfordert ist.
Auch vom isländischen Staat ist nichts zu erwarten - trotz der Garantieerklärung der isländischen Regierung, alle Spareinlagen von Privatanlegern zu sichern. "Die isländische Staatsgarantie können Sie in der Pfeife rauchen", meint etwa der Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, Niels Nauhauser. Island habe gar nicht mehr die Finanzkraft, um die Einlagen der Banken zu sichern. Martin Ruckes, Professor für Finanzwirtschaft und Banken an der TH Karlsruhe, bestätigt das: "Wenn der isländische Staat seinen Verpflichtungen nachkommen will, müsste er bei der derzeitigen Finanzlage sehr viel Geld drucken." Damit würde er aber eine noch höhere Inflationsrate riskieren, die schon jetzt bei 15 Prozent liegt. Für deutsche Kunden sei die Lage "schwierig". Zumal es ziemlich sicher sei, dass die Garantieerklärung der Regierung nur für isländische Kunden gelte. Bei Kaupthing prüft man diese Frage gerade, wie ein Unternehmenssprecher erklärte.
Auch die deutsche Einlagensicherung wird nicht für eventuelle Verluste von Einlagen bei Kaupthing aufkommen. Die Bank untersteht weder dem gesetzlichen Mindestschutz, noch besitzt sie eine freiwillige Zusatzabsicherung für Einlagen in Deutschland.
Auch die Erklärung der Bundesregierung, dass sie für die Sicherheit aller Spar-, Giro- und Terminkonten von Privatanlegern bürgen wolle, würde im Insolvenzfall nicht bei Kaupthing greifen. Sie gilt nur "für alles, was auch die gesetzliche Einlagensicherung absichert", wie ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums erklärte.
MATTHIAS SCHREIBER
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Bundesregierung und Trump
Transatlantische Freundschaft ade
ifo-Studie zu Kriminalitätsfaktoren
Migration allein macht niemanden kriminell
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße