Deutsche Hoffnung bei der Handball-EM: Vier Endspiele
Die deutschen Handballer verlieren ihre erste EM-Partie gegen Frankreich und sind doch zuversichtlich. Lange sind sie mit dem Favoriten auf Augenhöhe.
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Wenn die eine Handballmannschaft 60 Minuten nahezu in gleicher Besetzung durchspielt, die andere munter wechseln kann, ohne dass die Qualität leidet, ergeben sich zwangsläufig Niveauunterschiede – und meist führen sie dazu, dass die besser besetzte Mannschaft gewinnt.
Es ist in diesen Tagen der EM häufig von der neuen Breite im deutschen Kader gesprochen worden. Frische und Talent der jungen Spieler halfen auch mit, die Nationalmannschaft nach Siegen gegen die Schweiz und Nordmazedonien in eine aussichtsreiche Position vor dem Spiel gegen Frankreich am Dienstagabend zu bringen.
Als es gegen den Rekord-Weltmeister im letzten Gruppenspiel darauf angekommen wäre, Kräfte zu verteilen, ließ Bundestrainer Alfred Gislason weitgehend seine erste Sieben durchspielen. „Der Grund dafür war, dass ich das Spiel gewinnen wollte“, sagte er später mit bestechender Logik.
Deutschland verlor aber auch deswegen 30:33 (15:17), weil im Rückraum die Kräfte schwanden, während die Franzosen ihrem Starspieler Dika Mem Pausen gönnten, eher er am Ende munter zurückkehrte und mit Toren die Deutschen auf Distanz hielt. „Frankreich hat sich Spieler für die crunchtime aufgespart“, sagte Kapitän Johannes Golla, „das hatten wir nicht.“ So musste der müde Kai Häfner am Ende viel Verantwortung übernehmen, obwohl er keine Gefahr mehr für das französische Tor war. Hier hätte ein Tausch mit dem jungen Renārs Uščins eine gute Wahl sein können.
Müde, na und?!
Aus den Reihen der Spieler kamen später Worte, die Gislason recht gaben. Keiner der Vielspieler Golla, Juri Knorr oder Julian Köster monierte, zu wenig Pausen bekommen zu haben. „Niemand wollte ausgewechselt werden“, sagte Köster, und Golla, dieser Modellathlet, der für die Mannschaft alles gibt und es manchmal mit drei Franzosen aufnahm, ergänzte: „In solch einem Spiel spielt die Kraft keine Rolle.“ Auch Juri Knorr wollte sich nicht darauf festnageln lassen, am Ende entweder körperlich oder mental müde gewesen zu sein (oder beides). „Die Franzosen vertrauen einfach ein bisschen mehr ihren Abläufen und bleiben auch dabei“, sagte Knorr.
Trotz der ersten EM-Niederlage ist das erhoffte Halbfinale für den Deutschen Handballbund (DHB) noch erreichbar – sogar aus eigener Kraft. Dafür müssen nun aber vier Siege gegen Island, Österreich, Ungarn und Kroatien her; ab Donnerstag geht es im Zwei-Tage-Rhythmus in Köln weiter.
„Wir werden alles reinhauen, um unser Ziel zu erreichen“, versprach Johannes Golla, „das Turnier ist nicht vorbei.“ Überhaupt wirkte das Team gar nicht so unzufrieden mit dem Gezeigten. Es hätte sein Niveau so weit nach oben schieben müssen wie nie zuvor. Das misslang der seit zwei Jahren in dieser Zusammenstellung spielenden Mannschaft, obwohl die Aussichten lange gut waren. In der 49. Minute beim 27:27 hatte das Team einen Vier-Tore-Rückstand aufgeholt.
Die verbleibenden 10 Minuten aber waren die Franzosen im Vorteil, weil deren Trainer Guillaume Gille auf die Treffer Kentin Mahés vertrauen konnte. Mahé hat in dem Turnier bislang keine Rolle gespielt. Gegen Deutschland kam er von der Bank, übernahm Verantwortung und wirkte angesichts der Kulisse völlig unbeeindruckt – kein Wunder, nach einer Karriere bei lauter Spitzenvereinen.
Als sich die Deutschen am Mittwoch auf den Weg nach Köln machten, war neben der ersten Niederlage eine Menge Zuversicht im Gepäck. Der Druck nimmt zu: „Wir haben jetzt vier Endspiele“, sagte Bundestrainer Alfred Gislason und dachte schon an das Duell mit seinem Heimatland Island.
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