Deutsche Gamestage in Berlin: Sie wollen doch nur spielen
Sind Computerspiele Zeitverschwendung oder ernste Kultur? Darüber diskutieren Besucher der Deutschen Gamestage, einer Konferenz der Spieleentwickler.
Im "Retrowohnzimmer" des Berliner Congress Centers am Alexanderplatz sind sie alle versammelt, die großen Helden der Spielegeschichte: Mario, Zelda, die nervtötenden Tamagotchis und natürlich Pac-Man, das puckartige Wesen, das alle Punkte in einem Labyrinth fressen musste, bevor es selbst von Geistern erwischt wurde.
Auf den 5. Deutschen Gamestagen, der wichtigsten deutschen Spieleentwicklerkonferenz, kann man die Geschichte der Videospiele in Glasvitrinen besichtigen. Ataris und C64s liegen dort, aber auch Nintendo- und Sega-Konsolen aus den Neunzigern – das Haus der Computerspiele zeigt hier seine Sammlung. Nebenan kann man auf den Dingern sogar spielen – mit den Helden der Vergangenheit Donkey Kong und Sonic.
Ganz unten liegt in einer der Vitrinen ein gelb-schwarzer Handheld aus dem Jahre 1981, der aussieht wie ein Ufo. Darauf prangt der Schriftzug: "Puck Man", so hieß Pac-Man in Japan ursprünglich. Doch als sich sein Siegeszug in Amerika andeutete, hatte man Angst, dass sein Name zu "Fuck Man" modifiziert werden könnte.
Auch heute geht es bei Videospielen oft nur um die Frage, was erlaubt und zumutbar ist. Ein Ende der Killerspiel-Debatte in der Öffentlichkeit ist bislang nicht absehbar. Auch auf den Deutschen Gamestagen gibt es eine Podiumsdiskussion zum Thema Jugendschutz, doch der Schwerpunkt liegt woanders.
1000 Besucher
"Ich bin hier um herauszufinden, was die Branche zu bieten hat und wie die Leute so drauf sind", sagt der 22-jährige Tim Jagla, der Computervisualistik studiert. Mit Kommilitonen von der Uni Magdeburg hat er das Projekt "Acagamics" gegründet, um eigene Spiele zu programmieren. Er ist einer von rund 1000 Besuchern, die sich auf den Deutschen Gamestagen unterhalten und vernetzen wollen.
"Ursprünglich wollten wir mit der QuoVadis in Deutschland ein Forum schaffen, wo Spieleentwickler offen und ehrlich ihre Probleme besprechen können“, sagt Stephan Reichert, der die Veranstaltung organisiert hat. Die QuoVadis ist das Herzstück der Deutschen Gamestage. In über 70 Workshops besprechen Entwickler hier Wege in die Spielebranche, neue Grafik-Engines oder das Phänomen Browserspiele.
Die QuoVadis existiert seit 2003 und ist damit die älteste Entwicklerkonferenz in Deutschland. Der Name beschrieb bei der Gründung die wirtschaftlichen Situation der Gamingbranche passgenau. Damals stand die Frage offen im Raum: Quo Vadis, Spieleindustrie?
Heute arbeiten rund 14.000 Menschen in der Branche – Tendenz steigend. Längst sind Spiele keine Randerscheinung mehr, die nur Nerds interessieren. Auch auf den Deutschen Gamestagen diskutierten Journalisten nicht nur aus der Fachpresse über die Relevanz von Videospielen - vor allem über die Rolle und Bedeutung einer Berichterstattung, die sich auch an Erwachsene wendet. Sind Spiele im Feuilleton gleichzusetzen mit Film, Musik und Literatur? Sind Spiele also ernstzunehmendes Kulturgut? Das Credo der Runde: Natürlich, nur muss man das auch angemessen darstellen.
Serious Games
Für Stephan Reichert passt die Gamesbranche wunderbar in den Rest der Kreativwirtschaft. "In der Spielentwicklung gibt es sehr viele Künstler und Individualisten", so der Eventmanager. Deshalb enden die Deutschen Gamestage auch mit einem neuartigen crossmedialen Konzept. Die Party "A MAZE. Jump N' Run" verbindet Videoinstallationen, DJ-Sets und innovative Spielideen. So kann man beispielsweise ein Autorennspiel steuern, dass auch reale Objekte im Raum bewegt.
Einen ganz anderen Ansatz hat dagegen das Spiel-Projekt "SimMed" von der Berliner Charité – es handelt sich dabei um ein "Serious Game", also ein Spiel, das nicht ausschließlich der Unterhaltung dient. Dabei steht der Spieler um einen Tisch mit Multi-Touchscreen, auf dem ein virtuelles Kind liegt. Das Programm ist für Medizinstudenten gedacht, die damit ihre täglichen Handlungsabläufe üben können.
Dem Kind kann beispielsweise Blut abgenommen werden, was anschließend ins Labor geschickt wird und natürlich darf auch das Pflaster auf der Einstichstelle nicht vergessen werden. Später soll das Kind auch weinen, wenn es zu grob behandelt wird, aber soweit sind die Entwickler noch nicht. Dafür können Studenten bereits gegeneinander antreten und zeigen wer der bessere Arzt ist. Albert Einstein wusste schon: "Das Spiel ist die höchste Form der Forschung." Und keineswegs Zeitverschwendung.
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