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Deutsche Fußballerinnen vor EM-TestMehr Auswahl schaffen

Bundestrainer Wück will weg von alten Denkmustern. Bei den Länderspielen gegen die Schweiz und Italien will er jüngeren Fußballerinnen eine Chance geben.

Neulinge im Glück: Cora Zicai (l.) und Alara Şehitler sind in Stuttgart erstmals beim Training mit dem Nationalteam dabei Foto: Marijan Murat/dpa

Als beim ersten Training der deutschen Fußballerinnen zum Abschluss noch ein Torschusstraining anstand, krachte der Ball auffällig oft gegen Latte und Pfosten. Es war dann Sara Doorsoun unter der lautstarken Anteilnahme ihrer Mitspielerinnen am Montagabend auf dem Trainingsgelände des VfB Stuttgart vorbehalten, die Kugel unhaltbar in den Winkel zu jagen. Die mit 33 Jahren älteste Akteurin machte vor, wie es in den Länderspielen der DFB-Frauen gegen die Schweiz in Zürich (Freitag, 20 Uhr/ZDF-Livestream) und dann gegen Italien in Bochum (Montag, 20.30 Uhr/ARD) gehen kann.

Dabei hat Bundestrainer Christian Wück für die beiden Partien das Prinzip der Verjüngung ausgerufen: „Wir wollen den jüngeren Spielerinnen die Chance geben.“ Im 23-köpfigen Aufgebot sind 14 Spielerinnen 25 Jahre und jünger. Nur noch drei sind 30 oder älter.

Man müsse von dem Denken wegkommen, dass die nachrückenden Generationen „keine Spiele gewinnen können beziehungsweise nicht spielentscheidend sind“, beteuert der Talentförderer Wück. „Es ist kein Widerspruch, mit einer jüngeren Mannschaft beide Spiele gewinnen zu wollen.“ Die neu gegründete U23 habe schließlich jüngst auf dem DFB-Campus auch Frankreich mit 3:0 geschlagen.

Nachdem Merle Frohms (29 Jahre) zurückgetreten ist und die zuletzt arg gestresste Ann-Katrin Berger (34) in den USA bleiben durfte, soll sich auch eine jüngere Torhüterin international beweisen: Ena Mahmutovic (20) und Sophia Winkler (21) stehen vor ihrem Länderspieldebüt.

Prozess mit Risiken

Bei Wücks Einstand gegen England (4:3) und Australien (1:2) zeigte sich, dass das Risiko von Rückschlägen in solch einem Prozess mitspielt. Lisanne Gräwe (21) konnte beim Abschied von Alexandra Popp in Duisburg ihre Nervosität nicht verbergen, doch grundsätzlich hat sich die Mittelfeldspielerin bei Eintracht Frankfurt zur Leistungsträgerin entwickelt.

Dem Bundestrainer schwebt für die EM-Endrunde in der Schweiz (2. bis 27. Juli 2025) ein Pool von 30, 40 Spielerinnen vor, „davon sind wir noch weit weg.“ Ziel sei es, „mit einer gut strukturierten Mannschaft in die Nations League und in die Vorbereitung auf die Europameisterschaft im nächsten Jahr zu gehen“.

Die Aufgaben im ersten Halbjahr 2025 gegen die Niederlande, Österreich und Schottland gelten dann schon wieder als Pflichtspiele. Diesmal hat Wück erfahrene Kräfte wie Sara Däbritz (29) oder Lina Magull (30) – Leistungsträgerinnen bei der EM 2022 in England – gar nicht erst nominiert, sondern erstmals Cora Zicai (19) vom SC Freiburg und Alara Şehitler (17) vom FC Bayern eingeladen. Beide gelten als Toptalente.

„Sie zeigen in der Bundesliga, dass sie trotz ihres jungen Alters fähig sind, gut mitzuspielen“, lobt der Bundestrainer. Insbesondere die trickreiche Şehitler kann jederzeit Überraschungsmomente kreieren: Mit drei Toren in ihren ersten 14 Pflichtspielen im Münchner Starensemble sorgte Şehitler teils vor Wücks Augen für Aufsehen. Warum nicht auch im Nationalteam?

Der 51-Jährige predigte bereits als erfolgreicher Nationaltrainer der U17-Junioren unentwegt, den deutschen Talenten bitte schön mehr Einsatzzeiten anzuvertrauen. In seinem Trainerteam arbeitet Maren Meinert, die sich als erfolgreiche Nachwuchstrainerin einen Namen machte und sich exzellent im Bereich der Juniorinnen auskennt.

„Wir müssen irgendwann mit dem Lernfaktor anfangen“, sagt Wück, der bei seinen zahlreichen Inspektions­touren festgestellt hat, dass es eklatante Leerstellen im deutschen Frauenfußball gibt. Beispielsweise in der Verteidigung. „Wir haben nicht die Talentfülle in der Defensive.“ Deshalb vertraut der Bundestrainer weiterhin Kathrin Hendrich (32) und baut auch auf eine Sara Doorsoun, die sich bereits bei der WM 2023 mit einem Augenzwinkern als „Oma“ bezeichnete.

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