piwik no script img

Deutsche Bahn in ErklärungsnotNur die Klos waren öfter kaputt

Bislang hat die Bahn einen systematischen technischen Fehler bei Klimaanlagen verneint. Dabei gab es schon 2008 Probleme, zeigt ein internes Dokument.

Klimaanlagen? Pah! Die Klos mussten viel häufiger repariert werden. Bild: dpa

Die Deutsche Bahn hatte bereits im Sommer 2008 immer wieder Ärger mit den Klimaanlagen in ihren ICE-Zügen der zweiten Generation. Nach einem konzerninternen Protokoll über die Wartungsarbeiten bei der ICE-2-Flotte, das der taz vorliegt, wurde im August des vorvergangenen Jahres bei den nächtlichen Einsätzen im Monatsschnitt in sieben Zügen ein Defekt an den Klimaanlagen festgestellt. Öfter kaputt waren nur die Toiletten, die in 15 Zügen repariert werden mussten. Auch im Juni und Juli desselben Jahres waren in drei beziehungsweise vier Zügen defekte Klimaanlagen festgestellt.

Das Dokument könnte DB-Chef Rüdiger Grube in Erklärungsnot bringen, wenn er am Donnerstag vom Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages befragt wird. Das Gremium will vom Bahn-Chef wissen, warum am zweiten Juliwochenende und den darauf folgenden Tagen in rund 50 Zügen die Klimaanlage ganz oder teilweise ausgefallen war, was zu Hitzeschocks und Kreislaufzusammenbrüchen bei Fahrgästen geführt hatte.

Die Bahn hatte dies bislang mit den außerordentlich hohen Temperaturen begründet, einen systematischen technischen Fehler oder Wartungsmängel als Ursache ausgeschlossen. "Die Klimaanlagen haben bislang gemäß ihrer zum Zeitpunkt der Produktion geltenden Auslegung ohne Auffälligkeiten funktioniert", hatte der für den Personenverkehr zuständige Vorstand, Ulrich Homburg, noch am vergangenen Freitag erklärt. Allerdings sind die Klimaanlagen des ICE 2 nur auf Außentemperaturen bis 32 Grad ausgelegt.

Dass der Bahn-Chef von den Problemen mit den Klimaanlagen nicht gewusst haben wolle, lasse nur den Schluss zu, dass er die Bahn "nicht im Griff" habe, erklärte dazu Sabine Leidig, verkehrspolitische Sprecherin der Linkspartei, im Bundestag. Personal und Zugreserve seien wegen der Börsenpläne so weit reduziert worden, dass ein ordentlicher Bahnbetrieb die Ausnahme und nicht die Regel sei.

Bahn-Chef Grube sieht hingegen nicht den mittlerweile verschobenen Börsengang, sondern die Hersteller als Problem. "Wir haben von der Industrie bislang fast nie Züge geliefert bekommen, die auch das geleistet haben, wofür wir bezahlt haben", sagte er dem Stern. Er räumte ein, dass die Bahn weniger Reservezüge habe als früher. Dies sei eine Folge der, "zehnmal häufigeren Kontrollintervalle".

Die Hitzeopfer dürfen aber jenseits dieser Debatte auf eine höhere Entschädigung hoffen. Statt Reisegutscheine sollen nun diejenigen, die ernste Gesundheitsprobleme hatten und ärztlich behandelt werden mussten, 500 Euro in bar erhalten, berichtete die Nachrichtenagentur DAPD am Mittwoch unter Bezug auf Bahnkreise.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

7 Kommentare

 / 
  • B
    Band

    Nach den Erklärungen der Bahn sind die Klimaanlagen doch auch für Außentemperaturen über 32 Grad ausgelegt. Nur kühlen sie dann nicht auf die gewünschten 24 Grad runter, sondern auf Außentemperatur minus 8 Grad. Also bei 35 Grad Außentemperatur dann auf 27 Grad Innentemperatur. Das ist auch gut so, weil dann beim Aussteigen die Temperaturdifferenz nicht so hoch ist. Die Probleme liegen wohl woanders. So viel Zeit muß sein.

  • BM
    Bodo M. Menschenfreundt

    Na jetzt zerreißt es den bundeseigenen Monopolisten aber bald. Interessanterweise leisten die Bahn-Kritiker von Grünen und Linken viel, um die Ex-Bundesbahn in die unbedeutendere Rolle eines von vielen Wettbewerbern im Schienenverkehr zurückzudrängen.

  • UF
    Ullrich F.J. Mies

    Auf Dummes Zeug, dass der Bahnvorstand oder Politiker absondern, ist man stets gefasst. Allein: es hat mit der Realität nicht viel gemein.

     

    Fakt ist, seit dem die Politik die Bahn zum "Börsenabschuss" frei gegeben hat, funktioniert selten etwas: Verspätete Züge, verreckende ICE-Triebköpfe, nicht funktionierende Toiletten, gebrochene Achsen, usw. und sofort gehören zum Bahnalltag. Der Skandalöse Hitzestau infolge defekter Klimaanlagen passt da völlig ins Bild.

  • L
    Langsamfahrstrecken

    Ich dachte, die taz ist ein kritisches Blatt? Sollte Ihnen entgangen sein, daß die Bahn unter Mehdorn die Wartungsfristen für die Züge vervielfachte, um höhere Gewinne für den geplanten Börsengang vorzutäuschen? Das war ein ganz legaler Betrug. Deswegen hat er ja so viel verdient und so viele Lorbeer empfangen. Gehen Sie doch in die Werkstätten und lassen sich die Geschichte von den Betroffenen erzählen. Und dann möchte ich bitte die Zahlen lesen. Wiviel Tage zwischen den Wartungen anfangs und wieviel am Ende!

     

    PS: Kennen Sie die Mehdornschen Langsamfahrstrecken? Die gibt es in ganz Deutschland. Warum? Bitte recherchieren!

  • B
    Bahncardnutzer

    Hitzeopfer sind nicht nur die paar Reisenden, die von der Feuerwehr gerettet werden mussten, sondern viele Tausende, die von der Bahn in überhitzte Züge gesperrt wurden. Halbe Stunde Auto in Sonne geparkt, Fenster zu - Dackel tot. Halbe Stunde ICE in Sonne geparkt, Klima und (!) Lüftung aus, Fenster und Türen zu - da gibts von der Bahn nicht mal nen "sorry".

    Wer jetzt eine Entschädigungsleistung der Bahn nur für die paar ausgewählten Reisenden begrüßt, der gibt der Bahn noch nachträglich bei deren Behauptung recht: Es seien ja nur ganz wenige seltene Ausnahmen.

    Nein, es sind eben keine seltenen Ausnahmen, es ist leider die Regel.

    Ich selbst hab bei den letzten vier Bahnfahrten dreimal ne ausgefallene Klimaanlage erwischt, davon einmal 40 Minuten Stillstand im ICE (übrigens im neuen ICE-T) stromlos, aber luftdicht abgeriegelt, in der prallen Sonne auf freier Strecke. Würde Herr Grube statt innerdeutsch zu fliegen gelegentlich auch mal seine Bahn nutzen, womöglich noch unangekündigt, dann wüsste ers auch.

    Dabei braucht die Bahn jetzt kein Geld zu zahlen, sondern nur endlich die Fakten ehrlich und ofen auf den Tisch zu legen (eigentlich ne Selbstverständlichkeit) und konsequent für Abhilfe zu sorgen. Und bitte mit dem Geschwätz von wegen fehlerhaft arbeitende Mitarbeiter aufhören: Dieser Fisch stinkt von oben, und zwar von ganz oben.

  • R
    Ruediger

    Ach wie schön zu sehen, dass es keine schlimmeren Probleme gibt. Tja wir Normalos fahren sowieso nicht mit dem ICE sondern schwitzen in schmuddeligen Regionalbahnen, sofern die Strecke noch nicht stillgelegt wurde. Daran, dass ich einen höheren Ticketpreis zu zahlen habe um das Prestigeobjekt ICE (der ist ein reines Verlustgeschäft) zu finanzieren habe ich mich ja schon gewöhnt. Hauptsache die, denen egal ist, dass der ICE im vergleich zu Mitfahrgelegenheiten oder Billigfliegern total überteuert ist, kann weiter klimatisiert, mit Wlan und Speisewagen durch die Landschaft rauschen. Und wehe es geht was schief... da schimpft dann die Taz und trifft den Nerv ihrer Bionade-Klientel.

  • HP
    Herr P

    Und was ist mit den Zügen im Regionalverkehr? Da ist ein Nichtfunktionieren der Klimaanlagen seit Jahren täglich erlebte Realität.

    Wenn man sich vor Augen hält, dass die Bahn mit Steuergeldern versorgt wird und diese nicht zur Wartung ihrer Flotte einsetzt, kann einem nur übel werden.

    Meiner einer könnte gut und gerne auf den Börsengang verzichten, als Kunde erwarte ich da keine Vorteile.