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Deutsch-türkische Fußball-FansMit Allah für Deutschland

Unser Autor begab sich auf die Autokorso-Strecke von Berlin-Neukölln nach Kreuzberg und fragte in der deutsch-türkischen Community: Wie haltet ihr‘s mit Almanya?

Der Fußball sorgt für vielfältige Loyalitäten. Bild: dpa

BERLIN taz | Über die Straße tönen die schrillen Klänge der Zurna, der türkischen Oboe, und das rhythmische Grollen der Davul, der orientalischen Trommel. Doch in dem schmucklosen Bau wird keine Hochzeit gefeiert. Die Musik AG des Herrmann-Hesse-Gymnasiums hält die letzte Probe vor der Abiturfeier, die abends stattfinden wird.

Es ist früher Nachmittag, auf der Straße plauschen einige Neuntklässlerinnen, bevor sie sich gleich auf den Heimweg machen. Ob sie sich für die WM interessieren? "Na klar", "türlich", kreischt ein vielstimmiger Mädchenchor. Und wer ist für Deutschland? Drei der acht melden sich, als wüssten sie die Antwort auf eine Matheaufgabe.

"Wir leben hier, das ist auch unser Land", sagt Hivim. Sie ist eine von dreien, die ein Kopftuch trägt, und die Einzige der ansonsten deutsch-türkischen Gruppe, die aus einer arabischen Familie stammt. "Die sind auch nicht für uns, wenn die Türkei spielt", antwortet Rabia, deren dunkles Kopftuch bestens mit ihrem Lidschatten abgestimmt ist.

"Aber in dieser Mannschaft spielen auch Özil und Khedira, das sind doch welche von uns", entgegnet schüchtern Gizem. "Die Deutschen finden das aber nur so lange gut, wenn die gut spielen", antwortet Nuray, die vorlauteste der Gruppe. "Ich bin für Ghana", sagt sie die Faust ballend.

Über die Fußballbegeisterung der Mädchen rümpfen die drei Jungs aus der Jahrgangsstufe darüber, die ein paar Meter weiter auf dem Schulhof stehen, die Nase. Denn sie interessierten sich nicht nur während der WM für Fußball. "Aber jetzt, wo Hertha abgestiegen ist, interessiert mich die Bundesliga nicht mehr so, nur noch die türkische Liga", sagt Fatih, Fan von Hertha BSC Berlin, aber vor allem von Besiktas Istanbul. "Ach was, die Bundesliga hat ein viel höheres Niveau", findet Mustafa.

Alle drei sympathisieren mit dem deutschen Team, aber nicht alle gönnen ihm den Titel: "Natürlich wünsche ich mir, dass die weit kommen. Aber Weltmeister soll Argentinien oder Ghana werden", sagt Mehmet. Fatih widerspricht. "Die deutsche Mannschaft kenne ich am besten." Beim Ghana-Spiel war er auf der Fanmeile, wo er es aber "zu nationalistisch" fand.

Bei Mesut Özils Tor zum 1:0 habe er das Wort "Pass-Deutscher" gehört, das hat ihn aufgeregt: "Wir leben in der dritten Generation hier und werden trotzdem als Ausländer behandelt". Darin sind sich alle einig. Genauso wie darin: Sie wollen von Serdar Tasci, dem zweiten Fußballer im DFB-Kader mit türkischen Wurzeln, den Satz gehört haben, er sei kein Türke. "Man darf seine Wurzeln nicht verleugnen", meint Mustafa. Beides - das Bestehen darauf, keine Fremden zu sein, und der Verweis auf das, was sie "Wurzeln" nennen - ist für sie kein Widerspruch: "Wir sind halt Deutschtürken", erläutert Fatih.

"Bei der letzten EM waren wir immer auf dem Kudamm, egal ob für Deutschland oder für die Türkei, wir haben sogar gefeiert, als Deutschland die Türkei besiegt hat. Da gab es viele Türken mit Türkei-Trikot und Deutschland-Fahne. Aber ich habe keinen Deutschen mit einem kleinen türkischen Halbmond gesehen." Das habe ihn enttäuscht.

Mit ähnlichen Argumenten wiederholt sich die Diskussion andernorts auf der Strecke von der Neuköllner Sonnenallee über den Hermannplatz zum Kottbusser Tor. Bei Baris Volkan etwa, der aus dem altbackenen Frisörladen seines Vaters einen "Styling-Salon" für Männer und Frauen gemacht hat. Oder im Café Diyar am Kottbusser Tor, das deutsche Kamerateams so gern aufsuchen, wenn sie Bilder türkischer Fans brauchen und stets Bilder türkischer Männer liefern. Oder in einem der vielen Wettbüros, auch wenn hier letztlich egoistische Interessen als Identitätsfragen überwiegen.

Selbst die Muradiye-Moschee macht da keine Ausnahme. Sie liegt in einem dritten Hinterhof am Kottbusser Damm und ist offizielle Niederlassung der umstrittenen Organisation Milli Görüs. Es ist außerhalb der Gebetszeit, in der Teestube verfolgen vier Männer am Flachbildfernseher das vorletzte Achtelfinale. "Diesen jungen Leuten mit den deutsche Fahnen und Trikots geht es doch nur um die Show", keift der Frisör, der im Gemeinderaum einen kleinen Laden hat.

"Mit dem Herzen" sei keiner für Deutschland, wie auch die Özils nur aus Karrieregründen für Deutschland spielten. "Das sieht man schon bei den Hymnen", meint er. Einer der Gäste, der 41-jährige Bauarbeiter Hüseyin Vahim, widerspricht: "Meine Töchter identifizieren sich auch mit Deutschland, sogar ich tue das, obwohl ich ein Importbräutigam bin", fügt er, das letzte Wort ironisierend, hinzu. Er sei ja auch zugleich für Fenerbahce Istanbul und dem Club seiner Heimatstadt Denizli.

Uneingeschränkte DFB-Fans scheinen unter den Deutscharabern viel verbreiteter zu sein. Einer von ihnen hat es ungewollt zu bundesweiter Bekanntheit gebracht: Ibrahim Bassal, ein Deutscher mit libanesischen Wurzeln. Zusammen mit seinem Cousin, dem Tempelhofer CDU-Politiker Badr Mohammed, hatte er die wohl größte Fahne der Stadt - 20 Meter lang, 5 Meter breit - an dem Gebäude seines Handy- und Elektroladens in der Sonnenallee gehisst. Warum? "Um zu zeigen: Das ist unser Land und unser Viertel, und hier leben nicht nur Verbrecher."

Mit der Fahne zog er sich den Unmut von Teilen der Berliner Autonomen zu, die zum "Fahnenklau" aufrufen. Einmal beschädigte ein Mann die Fahne, dann tauchte eine Gruppe Vermummter auf, kurz darauf war die Fahne verschwunden. "Das ist jetzt die dritte", sagt Bassal, jede habe 500 Euro gekostet. "Das steht dir wirklich gut", ruft in diesem Moment ein bosnischer Nachbar hinein, auf Bassals Fan-Outfit anspielend. "Ich tus für Neukölln, Habibi, mein Freund", ruft Bassal. Er hat Spaß daran, selbst wenn er inzwischen im Laden schläft und mit Verwandten Nachtwachen hält.

Auch wenige Meter weiter, wo die die Großfamilie Omeirat eine Metzgerei und ein Café betreiben, haben wohl die Autonomen die Fahne geklaut. Aber die Brüder Omeirat regen sich nicht weiter auf: "Hauptsache ist: Wenn Deutschland spielt, ist das Café voll und die Stimmung Bombe", sagt der 27-jährige Khalid. Der drei Jahre jüngere Omar ergänzt: "Wir sind Palästinenser aus dem Libanon, das ist auch meine Heimat, selbst wenn ich noch nie da war und wahrscheinlich gar nicht dort leben könnte." Seine gesamte Familie sei für Deutschland, aber niemand so begeistert wie seine Tante Bahriya.

Die steht in ihrem großen Laden ein paar Meter die Sonnenallee runter: bestickte Polstermöbel, Plastikblumen in allen Farben, Uhren in allen Größen - es blitzt und leuchtet derart grell, dass das Wort Kitsch noch untertrieben ist. Die 46-Jährige trägt Kopftuch, steht rauchend am Tresen und hat einen herzlichen Charme, dem man sich nicht entziehen kann. "Fußball ist mir egal, aber ich liebe Deutschland und ich bete ,Allah, hilf, dass Deutschland gewinnt'", erzählt sie. Nach jedem Sieg fahre sie Autokorso, sogar ein schwarz-rot-goldenes Kopftuch hat sie sich dafür genäht. Tatsächlich ist auf dem nahe gelegenen Wochenmarkt am Maybachufer nur die türkische, aber nicht die deutsche Fahne als Kopftuch erhältlich. "Aber das wird sich bald ändern", versichert der Händler. "Ich wurde schon ein paarmal danach gefragt."

Der Buchhändler Levent Bayram hat keine Fahne angebracht: "Das ist nicht meine Art, und eine Fahne macht mich nicht zum besseren Bürger", sagt der 35-jährige studierte Germanist, der stolz darauf ist, dass sein Sortiment nicht ausschließlich seine politischen Ansichten repräsentiere. Andererseits: "Ich war schon immer für Deutschland, selbst als alle meine türkischen Mitschüler dagegen waren. Im Gegensatz zu den meisten aus meiner Generation ist mein Fußballidol nicht Maradona, sondern Matthäus. Seinetwegen bin ich Bayern-Fan."

Dass umgekehrt das Vorhandensein einer Fahne kein Bekenntnis sein muss, beweist die 54-jährige Zühre. Sie hat in einer Nebenstraße von Nord-Neukölln einen Kiosk. "2006 war ich für Deutschland, damals waren wir Türken die Ersten, die die Fahnen aufgehängt haben." Jetzt aber will sie nicht mehr mitfeiern. Allein wie die EU die Türkei behandle, zeige, was die Deutschen von den Türken hielten. Außerdem: "Die Deutschen können sich nur eine Stunde lang freuen. Nur ihre Arroganz reicht lange." Warum sie trotzdem die Fahne gehisst hat? "Hier verdiene ich mein Brot", sagt sie. "Und wenn mein Liebling Maradona die fertigmacht, werde ich ,schade' sagen. Und mich freuen, ganz still."

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24 Kommentare

 / 
  • B
    Blabla

    blabla, schuld sind immer nur die doofen deutschen.

  • E
    Ebru

    Gibr es irgendwo eine Liste mit den übelsten taz-Überschriften?

     

    "Mit Allah Für Deutschland".

    Könnte glatt auf die obersten Plätze:)

  • AG
    Azmi Güran

    Ich verstehe vom Fussball fast nichts. Aber will ich immer, dass Deutschland verliert, egal gegen wen. Ich habe nur geschaut mit der Hoffnung, dass Deutschland verliert. Ganz im Gegenteil hat Deutschland gewonnen, als ich schaute. Als Deutschland in 1954 gewonnen hatte, haben wir ständig bis zum 2000 nichts als "das Wunder von Bern" gehört bis unsere Ohren gerostet wurden. Sogar der ZDF Historiker bezeichnete "das Wunder von Bern" als das grösste Ereignis des 20. Jahrhunderts. Diesmal will ich aber, dass Deutschland doch die Weltmeisterschaft gewinnt, damit die ganze Welt bis 2100, also 90 Jahre lang, die Kinder, die Enkel, die Enkelskinder die Enkelsenkelskinder

    mit dem "Wunder von Südafrika" zu leben lernen, wie wir 46 Jahre lang mit dem "Wunder von Bern" gelebt haben.

  • V
    Volker

    Seht typisch, wie es hier zugeht: Deutsche diskutieren miteinander in Verkrampftheit, waehrend sich draußen die Welt aendert..

  • RW
    Reiner Wahn

    Ehrlich gesagt, ist mir das völlig egal, ob in Deutschland lebende Türken mit deutschen Fahnen wedeln oder nicht. Manche Leute wedeln gerne mit Fahnen, zur Not mit irgendeiner, wenn sie wie jetzt die Türken bei einer WM ohne Türkei nicht mit ihrer eigenen wedeln können.

    Für gefährlich halte ich die Fahnenwedelei nicht, nur für ein wenig primitiv, deshalb wedle ich auch nicht mit Fahnen , nicht mit einer deutschen und auch ganz sicher auch nicht mit einer türkischen, ghanaischen, argentinischen usw.

  • S
    Sebastian

    @Leo

    Warum soll ich türkisch lernen? Und warum nur türkisch? Momentan lerne ich russisch und ein wenig hebräisch. Soll jetzt noch türkisch dazu kommen? Dann noch griechisch, italienisch und polnisch? Wo kommen wir denn da dann hin...

     

    Ist es jetzt wieder falsch weil ich anstatt Türkeiflaggen schwenke nur die Russlandflagge benutze? Sind Türken mehr wert als Russen?

     

    Achja, die Antinationalen sollen mal ne Saudi-Arabien Flagge verbrennen, wird bestimmt lustig :D

  • MB
    Marius Brauer

    Boah "sonne" ey. Ab wann hältst du es denn legitim für eine Mannschaft zu sein? Wie viele Generationen muss die Familie in einem Land wohnen um berechtigterweise dessen Nationalmannschaft anzufeuern? Die Sympathie für eine Mannschaft ist immer irrational, und es gibt verschiedene Kategorien. Man kann für eine Mannschaft, weil sie zufällig das Land vertritt, in dem man zufällig geboren wurde. Man kann für eine Mannschaft sein, weil sie zufällig ein Land vertritt, in welches man gerne reist und mit dem man gute Erinnerungen verbindet. Man kann für eine Mannschaft sein, weil sie die koolsten und besten oder vielleicht gar nur die gut aussehendsten Spieler hat. Alles ist möglich, nichts davon ist zwingend naturrechtlich herleitbar.

  • S
    Sonne

    Wozu einen seitenlangen Bericht über türkische Fans der deutschen Nationalmannschaft?

     

    Es gibt einen einfachen Begriff für dieses Verhalten:

    ---Winning-Team Joiner---

  • Z
    zack

    meine freundin ist auch ausländerin. oder PC: hat einen migrationshintergrund. sie jubelt und zittert auch mit der deutschen mannschaft mit. wo ist das problem wenn türken mitfeiern und die schlaaand flagge schütteln. ist doch cool.

  • E
    Erich

    Das Gezeter der Rechten hier entblößt doch nur, daß das ganze Gerede von Integrationsverweigerung ("nur von Muslimen") übelste Propaganda ist. Tatsächlich ist doch eins völlig klar: Ausländer werden hier nur noch akzeptiert, wenn sie "Weiße" sind, d.h. aus dem Westen stammen. Sobald ein "M" wie Muslim im Spiel ist, wird sofort à la Sarrazin denunziert, was das Zeug hält.

    Ein schönes Beispiel dafür: http://bit.ly/9cFUwh

    Da zeigt sich, wie perfide der Strammrechte in Wirklichkeit denkt - offenbar immer noch in der Rüstung des Kreuzritters.

  • M
    Marc

    @ Leo: Ich stelle mir gerade vor wie Sie mit den Flaggen aller Teilnehmerländer, nötigenfalls um niemanden zu beleidigen noch mit den Fahnen aller Länder dieser Erde auf der Fanmeile am Brandenburger Tor stehen und versuchen ihren Internationalismus durch das Schwenken aller Fähnchen zu unterstreichen. Ein herrliches Bild!

    Der Fußballpatriotismus ist die harmloseste Form von Patriotismus und hat nicht einmal etwas mit Nationalismus zu tun.

    Auch Araber, Perser und Türken schwenken die deutschen Farben und hier wird auch keiner ausgegrenzt.

    Mir ist auf der Fanmeile ein Mensch aus der Türkei begegnet, der von oben bis unten Schwarz-Rot-Gold angemalt war. Und der hat lauter gejubelt als die Tore fielen, als die meisten anderen.

    Ich freue mich jedenfalls über die vielen Fähnchen. Schade, daß sie in zwei Wochen wieder weg sind.

  • P
    Peter

    Leo scheinbar hast du gar nicht richtig verstanden was ich meinte.

     

    Mir geht es um die lächerlichen Aussagen der Interviewten.

  • FG
    Fatih Güngören

    Mit Genuss gelesen... Auch wenn ich ab und zu pessimistisch werde, bin ich in puncto Integration doch Optimist. Es geht sogar soweit, dass sich die gefühlte Ausgrenzung -wenn auch sehr langsam- zu einem Gemeinschaftsgefühl entwickelt.

     

    Allein, dass Mesut in der DFB-11 spielt ist ein Zeichen, aber immer noch ein kleiner. Hoffen wir mal das der Funken vom Fußball in die politische Landschaft übertragen wird.

     

    Die Medien haben hier eine große Verantwortung. Sie sind sowohl Mittler, als auch Akteur in der politischen Landschaft.

  • OR
    Osman Reichert

    Wieder einmal die "integrationsunwilligen, unfähigen, völlig inakzeptablen" Türken, die hier auch noch in Deutschland die Türkischen Fahnen herumschwenken!!

     

    Leute, wacht doch endlich auf, diese Medienpropaganda muss doch irgendwann zum Auslaufmodell werden, also mich nervt es mittlerweile wirklich JEDEN TAG, irgendeinen Artikel über die "Integrationsdefizite der Türken" zu lesen, zu sprechen und auch darüber zu diskutieren. Eine Partie wird immer von zwei Mannschaften im Fußball gespielt, es ist einfach unfair immer nur die eine Mannschaft zu kritisieren und in den Medien bloßzustellen. EU hin oder her, die Türkei hat sich zwischenzeitlich sowieso schon andersweitig orientiert und ist de facto nicht mehr auf einen EU-Beitritt angewiesen. So werden nach und nach Partnerschaften im Nahen Osten und in Asien geschlossen, von denen Europa in Zukunft träumen wird. Ein Kommentar ist mir aufgefallen, in dem es hiess, warum nur die Türken so inkompatibel seien, sich zu integrieren. Auch mich beschäftigt diese Frage seit sehr sehr langer Zeit. Warum nur die Türken und nicht die Italiener, Griechen, oder Vietnamesen?

    1. Wurden die billigsten Kräfte in der Türkei gefunden

    2. Hat ein Türke wirklich jede Arbeit gemacht, für die sich ein Deutscher zu schade war (vergleiche Buch "Ganz Unten" von Günter Wallraff)

    3. Waren die Türken die Gruppe von Gastarbeitern, welche den niedrigsten Bildungsstand hatten im Vergleich zu den restlichen europäischen Gastarbeitern

    Es ist einfach falsch zu sagen, die Türken seien integrationsunfähig. Denn der deutsche Staat hat eigentlich bis zum Jahr 2000 ganz fest damit gerechnet, dass diese Billig-Arbeitskräfte wieder zurück in ihre Heimat kehren werden. Es war von Anfang an gar nicht beabsichtigt und gewollt, dass diese Türken länger als ein paar Jahre hierbleiben werden. Doch die Ironie des Schicksals hat einen ganz fetten Strich durch die Rechnung des deutschen Staates gemacht. 40 Jahre Ignoranz und Ablehnung gegenüber den Türken macht sich nunmehr bemerkbar, es wird jetzt erst darüber diskutiert. Aber auch diese Diskussion ist unfair, denn man spielt die trotz diesen gewaltigen gesellschaftlichen Drucks erscheinenden erfolgreichen Türken in Deutschland einfach herunter. Türke ist gleich straf- und gewaltbereiter Mehmet, oder der Ali der seine Frau und Kinder im Suff schlägt und grundlos Deutsche attackiert und beleidigt. Es ist eine Ironie des Schicksals, denn der deutsche Staat und die deutsch-deutsche Bevölkerung hat diesen "Türken" selbst so erzogen. Ob es die Klassenteilung in den Schulen ist, die Behandlung von Türken bei öffentlichen Behörden oder einfach nur das geteilte Nachbarschaftsverhältnis. Ein wirkliches flächendeckendes und harmonisches Verhältnis zwischen Deutschen und Türken hat es bislang nicht gegeben. Die Türken sind ein sehr emotionales Volk, und auch Türken benötigen Mitgefühl, Respekt und Harmonie.

     

    Der deutsche Staat und jeder einzelne deutsche Bürger, der von "Integrationsunfähigkeit der Türken" spricht, sollte zügig anfangen, sich selbst zu kritisieren und ernsthaft zu überlegen, warum er gerade den Mehmet nicht so sehr mag wie den Giovanni oder Kostas. Nur wenn man hier ehrlich zu sich selbst ist, wird man auch wirkungsvolle Integrationskonzepte entwickeln können. Und mit Harmonie und Respekt kann Integration auch in kürzester Zeit funktionieren. Alles was man anderen antut, kommt irgendwann wieder auf einen selbst zurück...so ist es immer gewesen, und so wird es auch immer bleiben!

     

    Liebe Grüße

    Osman

  • B
    Brain-drain

    oh oh oh .... ich hätte mir hier mehr selbstkritik erwünscht, auch wenn der artikel nicht wirklich das problem der meisten schildert... Denn das hauptsächliche problem worüber wir uns in Deutschland doch eigentlich fragen sollten ist : Darf ein Türkischstämmiger deutscher, Deutschland anfeuern und sich auch in der öffentlichkeit für dieses land freuen?

    Als erstes möchte ich sagen,dass 11 Spieler der deutschen nationalmannschaft einen migrationshintergrund haben. Egal aus welchem Land man stammt,deutsche mit migrationshintergrund werden bei der WM am besten von Deutschland verträten! Aber ist es nicht so in unserer gesellschaft das Jungedliche die in Deutschland leben sich freuen sollen für Deutschland aber dies nicht in der öffentlichkeit zeigen soll... Man macht es vorallem bei Türken- sobald türken Deutschland lautstark anfeuern, machen wir witze wie: "Hey, schaut euch den türken an..." oder "Hey wo ist die Türkei eigentlich bei der WM" undundund. Es sind ja aber nur witze - "und die türken sollen sich mal nicht so anstellen" aaber was wir nicht wissen ist das wir bei jedem witz den jungs klar machen das sie nicht dazu gehören - auch wenn sie aus ca.10% der bevölkerung heute fast 50% der nationalmannschaft ausmachen, gehören sie nicht dazu. und stellt euch doch mal vor so ein türkischstämmiger junge der so einen "spruch" an den kopf geworfen bekommt, der kann da drüber stehen nimmt es den läuten nicht übel - aber da sind soo viele deutsche die darüber lachen und ihr wisst das das lachen über jemanden die größte non-verbale art der herabniedrigung ist, sogar wenn man es nicht will und nicht so gemeint hat. Tesekür ederim und Dankeschön.

  • L
    Leo

    @Peter,BerlinMarcus,Sebastian....

    Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich mit dieser ignoranten Art nicht ganz zurecht komme. Diese Engstirnigkeit, die viele Deutsche hier an den Tag legen, ist für mich unbeschreiblich. Dieses Nationendenken zieht ein Ausgrenzen automatisch mit sich mit. Ich lese hier immer wieder, die Migranten sollen sich voll und ganz integrieren und wir sind zu nichts verpflichtet. Traurige Ansicht, denn eigentlich geht es um einen kulturellen Austausch, d.h. dass beide Seiten voneinander lernen. Es ist eine kulturelle Weiterentwicklung. Wieviele Deutsche gibt es, die ein Wort Türkisch sprechen können. Döner kaufen gehen ist kein Problem, aufeinanderzugehen anscheinend schon. Jedes Mal wenn ich einem türkischen Migranten meine Bereitschaft und Sympathie entgegenbringe, werde ich warm und herzlich behandelt. Von Flaggen halte ich nicht viel. Ich würde weder die deutsche noch die türkische bzw. gar keine schwenken, da genau dieses nationalistische Denken Ausgrenzung verursacht. Es sollte eine gemeinsame Fußballzeit sein, deshalb zusammen alle Flaggen (also auch Deutsche eine türkische Flagge), oder gar keine schwenken. Dieses Land gehört niemanden, nur den, und zwar all den, die hier wohnen....

  • MB
    Marius Brauer

    Ein schöner Artikel, vielen Dank liebe taz. Zeigt er doch ganz wunderbar die Heterogenität innerhalb der deutschtürkischarabischen Gemeinde in Neukölln. Die einen sind für Deutschland, die anderen freuen sich bei einer Niederlage, anderen ists egal. Und das tolle ist: bei den anderen sog. "ethnischen" Deutschen ists genauso. Manche halten zu Deutschland (auch wiederum aus vielerlei Gründen), anderen ists egal und andere finden Deutschland doof. Wie kann man denn da noch sagen, die "Ausländer" wären anders? Ganz im Gegenteil, sie sind wie die anderen auch, nämlich Menschen, die hier leben und viele verschiedene Identitäten haben, von denen sie der einen mal den Vorzug geben, mal einer anderen.

     

    Kommentare wie der von "BerlinMarcus" sind da echt überflüssig, die die Verschiedenheit innerhalb solcher als einheitlich betrachteter Gruppen verkennen und ihnen pauschal eine Unwilligkeit unterstellt. Wenn jemand den einen Deutschtürken als integrationsunwilligen Ausländer behandelt, weil ein _anderer_ Deutschtürke Schwierigkeiten mit der Sprache hat, dann ist das rassistisch. Jeder Mensch ist als Individuum zu betrachten, welches viele verschiedene Gruppenzugehörigkeiten hat. Menschen auf eine solche Zugehörigkeit, nämlich der von türkischstämmigen Ausländern, zu reduzieren, ist gefährlich und kann letztlich zu einer Überidentifkation führen.

  • F
    Ferhat

    JA!! peter JA!! wegen der Wurzeln dieser Menschen.... Du bist der Repräsentant von rund 85% der deutschen Bevölkerung... Du akzeptierst diese genannten Wurzeln nicht, die aber sehr wichtig für Migrantenkinder sind... und BerlinMarcus lies mal "Ganz Unten" von Günther Wallraff dann weißt du was Sache ist... Zuerst (1960-1985) in heruntegekommene aber teure Wohnungen schieben in die "Ekelbezirke" wie Kreuzberg, dann über Parallelgesellschaften wundern... Erst einmal eigene Fehler sehen Leute, dann reden !

  • A
    ayla

    @berlin Marcus::

    wenn es mangelnde bereitschaft wäre, würden die menschen nicht hier leben::ihre rassistische ignoranz und arroganz stinkt zum himmel:: die kommentare, die ich bei der taz lese, kotzen mich einfach nur noch an::bild -niveau, wo der hegemonial- dominante diskurs jeden tag aufs neue gelebt wird::

    sie als weisser mehrheitsdeutscher können doch gar nicht beurteilen,wie man als "ausländer" behandelt wird und sprechen dem interviewten das recht ab, seine subjektive empfindung zum ausdruck zu bringen. gleichzeitig versuchen síe ihn als individuum für ein gesamtgesellschaftliches rassistisches problem verantwortlich zu machen::so wird das nichts mit dem gleichberechtigten zusammenleben::aber daran dürfte den meisten ja auch nicht gelegen sein, habe ich den eindruck, wenn ich mir hier die kommentare durchlese::und die taz als so genanntes linkes, kritisches blatt hat schon lange abgeloost::so wie hoffentlich auch die deutsche nationalmannschaft abloosen wird::aber ach ja::sie ist ja gar nicht, nicht nur deutsch::das ist nämlich alles nicht so einfach, alles scwwarz und weiss zu sehen::also bitte mehr differenzierung::und endlich mal kapieren::f***k integration:::

  • P
    Peter

    "Allein wie die EU die Türkei behandle, zeige, was die Deutschen von den Türken hielten."

     

    Bei solchen Verallgemeinerungen könnte ich kotzen.

     

    Und ist es für einen Bürger dieses Landes wichtig ob die Türkei dabei ist? Wenn ja warum? Wegen der türkischen Wurzel dieses Bürgers? Lächerlich!

  • P
    Peter

    "Aber ich habe keinen Deutschen mit einem kleinen türkischen Halbmond gesehen." Das habe ihn enttäuscht."

     

    Warum auch?

    Wenn es einen Deutschen gibt der in der Türkei lebt dann hat er einen Grund zur türkischen Mannschaft zu halten, hier nicht.

  • B
    BerlinMarcus

    Bei "Wir leben in der dritten Generation hier und werden trotzdem als Ausländer behandelt".

     

    Komisch Millionen anderer Auslander sind nach einer Generation gut integriert...woran liegt es ... mh warte...mangelnde Bereitschaft kann es sein!? Ist auch schön immer die Schuld auf bestimmte Umstände zu schieben!

  • S
    Sebastian

    Warum soll ich auch ne Türkeiflagge schwenken? Wenn ich in der Türkei leben würde hätte ich damit absolut kein Problem, genauso wenn ich in der USA leben würde würde ich das Sternenbanner schwenken.

    Aber das ist nicht der Fall, ich verbinde nichts mit der Türkei, ich kenne dort niemanden, nur weil es hier viele Türken gibt soll ich deren Flagge schwenken? Ich begnüge mich mit der Russland Flagge, die hab ich schon vor 2 Jahren geschenkt, weil ich das Land liebe, diesmal sind die leider nicht qualifiziert, trotzdem steht auf der Fensterbank ne Russland Flagge, direkt neben USA und Deutschland. Bald wird aber noch ne große Israel Flagge dazu kommen um meine Solidarität mit diesem Staat zu zeigen. Mal etwas Ausgleich zu den "Palästina"flaggen zu haben die man momentan weit verbreitet sieht.

  • H
    Hatem

    Endlich mal ein fundierter und gut recherchierter Artikel zu diesem Thema in der taz. Danke.