piwik no script img

Deutsch-schweizerische Beziehungen"Das bleibt künstlich"

Steinbrücks Vorstoß gegen das Bankgeheimnis belastet das Verhältnis zwischen der Schweiz und Deutschland. Die deutsche Diplompsychologin Susanne Brunner, 34, über kulturelle Unterschiede.

Das Bankensystem ist ein Teil der Schweizer Identität, und darauf sind sie stolz. Bild: dpa

taz: Frau Brunner*, Sie haben letzten Sommer eine Doktorandenstelle an der Universität Zürich angenommen. Warum?

Susanne Brunner: Meine Stelle an der TU Berlin wurde gestrichen, und hier an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich hat man mir den Job direkt angeboten. Das lief alles sehr unbürokratisch ab. Mein Mann ist bereits vor drei Jahren aus ähnlichen Gründen in die Schweiz gegangen. Während in Deutschland immer mehr wissenschaftliche Stellen gestrichen werden, findet man in der Schweiz gute Jobs. Und was auch ganz wichtig ist: Die Stellen sind wirklich besser bezahlt.

Akademikerinnen wie Sie gibt es in der Schweiz viele. Mehr als 4.000 deutsche WissenschaftlerInnen arbeiten dort an Hochschulen. Gibt es in der Schweiz zu viele Deutsche?

Ich persönlich würde das nie sagen, aber dieses Thema gibt es hier natürlich. Wenn man sich die Zahlen anschaut, ist das auch logisch: 80 Millionen Deutschen stehen sieben Millionen Schweizer gegenüber. Da ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer Bewerbung ein guter Deutscher dabei ist, einfach groß. Manche Schweizer nehmen das als Problem wahr.

Können Sie diese Befürchtungen nachvollziehen?

Historisch betrachtet schon. Die Schweiz ist ein kleines Land und hatte deshalb immer Angst, absorbiert zu werden. Trotz der wenigen Einwohner ist die Schweiz sehr vielfältig: Es werden vier Sprachen gesprochen, es gibt 50 basisdemokratische Kantone. Ich glaube, dass die Schweizer deshalb manchmal Sorge haben, dass ihre Identität verloren geht.

Verhalten sich die Deutschen in der Schweiz auch falsch?

Man kann als Deutsche in der Schweiz schon sehr leicht vergessen, dass man in einem anderen Land ist. Aber in Wirklichkeit sind die Schweizer in ihrer Art und in ihrem Habitus schon sehr anders als wir Deutschen. Die Schweizer erleben uns als unfreundlich und arrogant. Und das stimmt auch, wenn man den Umgang der Schweizer mit Berlin vergleicht. In der Schweiz sind die Menschen einfach sehr viel höflicher. Hier hält man sich ganz selbstverständlich die Türe auf und bedankt sich für alles ganz oft. In einem kleinen Ort grüßt jeder jeden. Wir sind das nicht gewohnt. Gleichzeitig erleben uns die Schweizer als gut ausgebildet und als sehr fleißig. Das Bild der Schweizer von den Deutschen ist ambivalent.

Ist das Problem vielleicht auch in der vermeintlich "gleichen" Sprache begründet?

Schriftdeutsch, wie die Schweizer unser Deutsch nennen, lernen die Kinder nur in der Schule. Viele fühlen sich im Schriftdeutsch nicht besonders wohl. Eine meiner Kolleginnen spricht zum Beispiel lieber Englisch als Hochdeutsch. Und wenn man als Deutscher kein Schweizerdeutsch versteht, kommt man nicht mit den Leuten in Kontakt. Wenn die Schweizer Hochdeutsch sprechen müssen, bleibt der Kontakt immer künstlich.

Und wie beurteilt man in der Schweiz Steinbrücks Vorwurf, die Schweiz lade Ausländer förmlich dazu ein, gegen Gesetze in ihren Heimatländern zu verstoßen?

Das sehen die Schweizer von einer ganz anderen Seite. Das Bankgeheimnis schützt nach ihrem Verständnis den Kunden. Aus Schweizer Sicht ist das einfach eine Dienstleistung, die die Schweiz der Welt anbietet und die Schweiz fühlt sich nicht verantwortlich, wenn jemand deswegen kriminell handelt. Die Deutschen wollen das Problem sozusagen über die Angebotsmöglichkeiten steuern, und die Schweizer würden vielleicht eher denken: Das muss man mit Eigenverantwortlichkeit steuern.

Warum ist den Schweizern das Bankgeheimnis so wichtig?

Eine meiner Schweizer Bekannten hat es so formuliert: "Außer Uhren und Schokolade gibt es in der Schweiz nur noch das Bankgeheimnis und das Geld, dass dadurch ins Land kommt." Das Bankensystem ist ein Teil der Schweizer Identität, und darauf sind sie stolz. Wenn man ihnen diesen Teil ihrer Identität wegnehmen will, finden das eben viele Schweizerinnen und Schweizer problematisch.

Liegt Ihr Geld auf einem Schweizer Konto - oder doch auf einem deutschen?

Ich habe zwei Konten: ein deutsches, weil man dort für ein Girokonto keine Gebühren bezahlen muss und bessere Zinsen auf das Sparkonto bekommt, und ein Schweizer Konto, weil man das braucht, wenn man in der Schweiz arbeitet.

* Name von der Redaktion geändert

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

5 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • P
    Peter

    In der Schweiz gibt's "nur Uhren und Schokolade"?

     

    Und was ist mit Hoffmann-LaRoche? Novartis? Nestlé?

     

    Nicht eben kleine Klitschen.

  • GG
    Giorgio Girardet

    In Deutschland hat man das historische Bewusstsein auf die Stunde Null 1945 gesetzt. Wir Schweizer erinnern uns noch an ein Deutschland, das wir sehr bewundert haben: die Kulturnation vor 1914 mit ihrem grossen Beitrag zur Wissenschaft und Forschung und dem - auch in der Schweiz bewunderten - preussischen Disziplin. Wir Schweizer mussten 1499 erstmals bewaffnet an die Grenzen eilen, um die Reichssteuerreform von Maximilian II. abzuwehren. "Schweizer werden" war damals in Süddeutschland eine beliebte Option. Basel und auch Schaffhausen schafften es noch, dann war die "Norderweiterung" der Eidgenossenschaft abgeschlossen und im Norden setzte sich der absolutistische Flächenstaat durch. Dieses Politische Trauma wurde dann Theologisch besiegelt im Abendmahlstreit zwischen Luther und Zwingli. "Ihr habt einen andern Geist" diagnostizierte Luther. So wurde die Schweiz die Wiege des calvinistisch-zwinglianischen Protestantismus während sich im deutschen Reich das für den Fürstenstaat bequeme Luthertum durchsetzte.

    Leider gibt es in Deutschland nur noch wenige Köpfe in Redaktionen, die über solide Geschichtskenntnisse verfügen. Deutschland versteht sich auch als atheistische Gutmenschennation und kann eine christliche "Eidgenossenschaft" nicht mehr nachvollziehen. Bezeichnend ist, dass Westerwelle, der das Erbe der 1848 gescheiterten Paulskirche vertritt, die Schweiz verteidigt hat. Beängstigend ist aber, dass führende SPD-Politiker und auch Frau Merkel nicht auf dem Boden der Paulskirche 1848 argumentieren, sondern dem zentralistischen Machtstaat das Wort reden. Dass es Frau Merkel eingefallen ist, den Papst zu kritisieren und damit die strikte Trennung von weltlicher und geistlicher Macht missachtet hat, zeigt weiter wie sehr in Deutschland Zentralmachtphantasien über das Wissen um historisch gewachsene, diffizile Gleichgewichte triumphieren. Und wenn in Deutschland der Zug Richtung brachialer Rhetorik und Zentralmachtfantasien losfährt: ja dann wird man in der Schweiz sehr schnell hellhörig.

     

    Darum: Wir Schweizer werden sehr beruhigt sein, wenn in Deutchland bei den Wahlen FDP zulegt und Linke, SPD und NPD abgestraft werden.

    Pauschbesteuerungsabkommen für reiche Deutsche werden wir nun in den Kantonen aufheben. Der Kanton Zürich hat begonnen mit erdrückender Mehrheit des Volkes. Wir halten unser Haus in Ordnung und wir wünschen dem deutschen Volk doch sehr die Weisheit, eine Regierung zu bestellen, die auch fähig ist die Hausaufgaben zu machen, damit alle Deutsche sagen können: ich bin stolz für dieses Land mit seiner grossen Tradition (Aufklärung, Idealismus, Preussen, Erich Kästner, Kurt Tucholsky, Walter Kempowsky) Steuern zu zahlen und mich einzusetzen.

  • EA
    ein anderer, aber nicht d e r schweizer

    Ich finde die Beobachtungen interessant. Tatsächlich haben wir 22 Kantone und 4 Halbkantone. Aber das ist nebensächlich, mehr als 3 ist ja viel. Und nicht nur jeder dieser 26 Kantone ist ein Staat, sondern auch jede Gemeinde ist ein eigner Staat, mit eigenen Gesetzen, einer eigenen Legislative und Exekutive. Kompetenzen werden von unten nach oben delegiert, Steuer etwa, zieht die Gemeinde ein (auch im Auftrag von Kanton und Bund). Wenn Gemeinde X ein Schwimmbad will, zahlt sie folglich dies selbst und erhebt dazu Steuern - mehr als Y, welches auf Bad verzichtet. Problematisch wird es, wenn die Einwohner vom Y dann stets in X baden...

    Ein zweites Problem ist, dass einige Gemeinden und Kantone Tiefststeuersätze anbieten und z.B. mit Werbeveranstaltungen in Deutschland, darauf hinweisen und so besonders reiche oder einkommensstarke Personen anziehen. Unterm Strich profitieren diese Gemeinden und Kantone - und die andern Gemeinden, Kantone und Nachbarländer haben das Nachsehen.

  • N
    Nigredo

    Ich versteh gar nicht, dass die Schweizer sich so aufregen und diese Hitlervergleiche bringen...die Schweizer brauchten doch keine Angst vorm Hitler haben - nichtmal der war blöd genug, seinen eigenen Banker zu überfallen.

  • DS
    Der Schweizer

    "...es gibt 50 basisdemokratische Kantone."

     

    Bitte zuerst informieren, dann labern.