Deutsch-polnisches Verhältnis: Unruhiges Wasser
Polens neue Regierung will die Oder zur Wasserstraße ausbauen, Umweltschützer schlagen Alarm. Sonst funktioniert die regionale Zusammenarbeit aber noch.
Kaum war er im Amt, hat sich Jerzy Materna die Oder vorgenommen. „In dieser Frage gebe ich keinen Millimeter nach“, sagte der frischgebackene Vizeminister des neuen Ministeriums für Meereswirtschaft und Binnenwirtschaft im November der polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborcza.
Die Frage, die Materna umtreibt, ist der Ausbau der Oder zu einer Wasserstraße der Klasse IV. Schiffe mit einer Kapazität von 1.000 bis 1.500 Tonnen sollen in Zukunft 50 Millionen Tonnen im Jahr auf dem Fluss transportieren, auf dem heute fast gar kein Frachter verkehrt.
Auch die Grenzoder ist von den Ausbauplänen betroffen. Mit Mitteln der Weltbank sollen Schleusen und Deiche im wilden Zwischenoderland wieder instandgesetzt werden. Das 5.000 Hektar große Gebiet nördlich des Nationalparks Unteres Odertal ist seit Kriegsende der Natur überlassen. Deutsche und polnische Umweltschützer schlagen deshalb Alarm.
Bricht nach dem Wahlsieg der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) in Polen auch an der Oder eine neue Eiszeit aus? Nein, lautet die Antwort der Berliner Europabeauftragten Hella Dunger-Löper (SPD). Im Januar war sie zum turnusmäßigen Treffen der Oderpartnerschaft in Breslau gereist. „Die Sitzung in Breslau war ein Erfolg. Wir hatten die Sorge, dass die Zusammenarbeit beeinträchtigt sein könnte, aber das war nicht so“, sagt Dunger-Löper der taz. Die Oderpartnerschaft ist die wichtigste Institution der Zusammenarbeit in der Grenzregion. An ihr sind die Bundesländer Berlin, Brandenburg, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und die polnischen Woiwodschaften Westpommern, Lebus, Niederschlesien, Großpolen beteiligt.
Auch die Städtepartnerschaft zwischen Berlin und Warschau hat bislang nicht unter dem europafeindlichen Kurs der PiS-Regierung gelitten. „Bis zum Wochenende nahmen wir Anträge für gemeinsame Projekte entgegen“, sagt Ulrike Kind, die in der Senatskanzlei für Polen zuständig ist. „Mit den Projekten wollen wir die Akteure in Berlin und Warschau in die Feierlichkeiten einbinden.“
Ein Prinzessinengarten für Warschau
2016 feiert die Städtepartnerschaft Berlin–Warschau ihr 25-jähriges Bestehen. Geplant sind Begegnungen auch zwischen Vertretern der Zivilgesellschaft. So soll in diesem Jahr auch an der Weichsel ein Prinzessinnengarten entstehen. Noch in diesem Jahr will Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) zu einem Besuch nach Warschau reisen. Dass es bislang zu keinen Irritationen kam, führt man in der Senatskanzlei auch darauf zurück, dass die Stadtpräsidentin von Warschau, Hanna Gronkiewicz-Waltz, der liberalen Bürgerplattform PO angehört.
Die Vorbereitungen für die Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag des Nachbarschaftsvertrags zwischen Deutschland und Polen am 17. Juni laufen gleichfalls auf Hochtouren. „Dieses Ereignis kann man gar nicht hoch genug bewerten“, sagt Katarzyna Wielga-Skolimowska, die Leiterin des Polnischen Instituts in Berlin. Erstmals plant ihr Institut ein gemeinsames Programm mit dem Goethe-Institut in Warschau.
Die polnischen Pläne zum Ausbau der Oder aber werden in Berlin skeptisch gesehen. „Als das die polnische Seite beim Treffen der Oderpartnerschaft in Breslau auf die Tagesordnung setzen wollte, haben wir Dissens angemeldet“, sagt Staatssekretärin Dunger-Löper. Über das brisante Thema wurde in Breslau also gar nicht erst geredet.
Mehr über die Oder und die nicht immer einfachen Beziehungen ihrer Anrainer lesen Sie in der gedruckten Ausgabe der taz vom 13./14. Februar.
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