Deutsch-Amerikanische Beziehungen: "Obama wird Rücksicht nehmen"
Der Amerikaforscher Peter Rudolf glaubt, dass Obama ein stärkeres deutsches Engagement in Afghanistan fordern wird - allerdings wegen der Bundestagswahl weniger militärisch.
taz: Herr Rudolf, werden wir mit dem zukünftigen US-Präsidenten Barack Obama einen grundlegenden Wandel in der amerikanischen Außenpolitik erleben?
Peter Rudolf: Meist überwiegt die Kontinuität. Einen Wandel können wir höchsten an der Art feststellen, wie Barack Obama die amerikanische Führungsrolle wieder herstellen möchte: mit beispielhaftem Verhalten und einer multilateralen Außenpolitik.
Was bedeutet "beispielhaftes Verhalten"?
Obama hat in diesem Zusammenhang oft gesagt gesagt, das Gefangenenlager in Guantanamo schließen zu wollen und allen Folterpraktiken eine klare Absage erteilen zu wollen. Außerdem möchte er, dass die USA eine Führungsrolle in der Klimapolitik übernehmen.
Wie könnte eine multilaterale US-Außenpolitik unter Obama aussehen?
Bestehende internationale Institutionen sollen gestärkt und erneuert werden - gerade auch, um sie für die Integration aufstrebender Mächte zu nutzen. Amerikanischer Multilateralismus bedeutet aber immer auch, internationale Institutionen für die eigenen Interessen zu nutzen und die Lasten der Führungsrolle auf andere Staaten zu verteilen.
Wie frei kann Obama tatsächlich seine Außenpolitik gestalten?
Er steht natürlich unter großen außen- und innenpolitischen Handlungszwängen. Hinzu kommt der Konsens der amerikanischen Elite, dass die USA eine unverzichtbare Ordnungsmacht bleiben muss. Seine Ziele sind hoch. Zum einen will er eine nuklearwaffenfreie Welt und zum anderen mit gutem Beispiel in der Klimapolitik vorangehen. In beiden Fällen hat der Kongress Mitspracherecht.
Eine nuklearwaffenfreie Welt erscheint äußerst unrealistisch, oder?
Natürlich klingt dies utopisch. Aber man kann Weichen stellen. Unter Umständen könnte ein Abrüstungsvertrag mit Russland ausgehandelt werden, auch wenn Russland momentan wieder stärker die Rolle der Nuklearwaffe in seiner Sicherheitspolitik betont. Ein wichtiger Schritt wäre auch, die Zahl der amerikanischen Atomwaffen drastisch zu verringern und die Einsatzdoktrin zu verändern. In den USA wird sich die Debatte darum drehen, wie weit man einseitig Nuklearwaffen abbauen sollte, um die Abrüstungsverpflichtung aus dem Nichtverbreitungsvertrag ernst zu nehmen. Eigene Abrüstungsschritte würden Glaubwürdigkeit schaffen.
Ist das auch eine Botschaft an den Iran, auf einer neuen Basis zu verhandeln?
Ob sich potentielle Atomwaffenmächte von einer veränderten amerikanischen Nuklearpolitik beeindrucken lassen, sei dahingestellt.
Die außenpolitischen Beziehungen zwischen Deutschland und den USA hatten sich, vor allem zwischen Ex-Kanzler Gerhard Schröder und George W. Bush stark abgekühlt. Ändert sich das nun?
Das wichtigste wird wahrscheinlich sein, dass sich in Deutschland die Wahrnehmung der USA und der amerikanischen Rolle wieder verändern wird. Wenn Barack Obama wieder stärker auf die Verbündeten zugeht, wenn Guantanamo geschlossen wird, wenn die USA wieder als eine Kraft wahrgenommen werden, die für Menschenrechte eintritt, die durch ihr beispielhaftes Verhalten vorangeht - dann werden auch die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA im politischen und gesellschaftlichen Bereich wieder auf eine neue Stufe gestellt.
Und was kann Deutschland von Obama erwarten?
Die Bereitschaft Obamas zu einem stärkeren Multilateralismus ist aus deutscher Sicht begrüßenswert. Multilateralismus bedeutet aber eben auch eine Verteilung der Lasten. Hier werden neue Forderungen auf Deutschland zukommen. Ein Beispiel ist die nach einem höheren Engagement Deutschlands in Afghanistan. Außerdem soll sich die EU stärker im Irak beteiligen.
Wird Obama von Deutschland mehr Truppen in Afghanistan fordern?
Ich glaube nicht, dass er die Beziehung zu Deutschland mit einer verschärften Forderung nach einem militärischen Engagement in Afghanistan belasten wird. Er wird wohl Rücksicht auf die politische Situation in Deutschland nehmen und darauf, dass im nächsten Herbst Bundestagswahlen sind. Deshalb wird er einen Beitrag im wirtschaftlichen Bereich fordern.
INTERVIEW: CARL ZIEGNER
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