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DesintegrationGetrennt von Anfang an

In den multikulturellen Vierteln des Hamburger Westens trennen sich die Wege oft, bevor die Kinder zur Schule kommen. Es gibt Kindergärten ohne türkische Kinder.

Wehrt sich gegen den Vorwurf, keine Türken aufzunehmen: Kinderladen Murmel in Planten un Blomen. Bild: Evgeny Makarov

Es war ein schöner Spätsommertag in Planten un Blomen. Ein hübsches Haus, dachte Zübeyde Arslantas, als sie auf die "Murmel" zuging. Hell und sauber sah es aus, und vor allem klein. So stellte sie sich einen Kindergarten für ihren Sohn vor, mit eigenem Spielplatz - und mitten im Park gelegen. Sie klopfte an der Tür. Ihr öffnete eine Frau. Den Dialog mit ihr erinnert Arslantas so: "Ja bitte?"- "Ich möchte meinen Sohn anmelden." - "Wir haben keine Plätze frei." - "Gibt es eine Warteliste?" - "Nein, wir haben einen Aufnahmestopp." - "Kann ich mir denn die Räume mal kurz ansehen?" - "Nein, das passt nicht. Es ist gerade Mittagszeit. Einmal im Monat machen wir einen Info-Abend. Aber dafür müssen Sie sich anmelden."

Arslantas empfand das als sehr unfreundlich. Sie hatte das Gefühl, das könnte an ihrer türkischen Herkunft liegen. Als sie zu ihrer neuen Wohnung im Schanzenviertel zurück kam, erzählte sie ihrer Nachbarin von der Begegnung. "Was, du warst bei der Murmel?", fragte die. "Die nehmen doch keine Ausländer." Das sei unter den alt eingesessenen Türken im Stadtteil bekannt. Da war das Thema Info-Abend für Arslantas erledigt. Später passierte ihrem Lebensgefährten nochmal das gleiche: Nur weil er die Adresse verwechselt hatte, klopfte auch er noch einmal bei der Murmel an. Auch er wurde an der Tür abgefertigt.

Heidrun Mildner, bis vor kurzem die Leiterin der Murmel, wirkt geschockt, als sie die Geschichte hört. "Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen", sagt sie. Grundsätzlich gebe es eine Warteliste - "darauf nehmen wir jeden auf, der sich meldet". Aber in der Murmel müssten auch Eltern manchmal aushelfen. "Da kann es passieren, dass mal jemand die Tür aufmacht, der nicht so genau Bescheid weiß." Dass Gerüchte kursieren, die Murmel weise gezielt Eltern mit Migrationshintergrund ab, macht sie betroffen. Erklären kann sie es sich nicht. "Das ist doch absurd: Jahrelang haben wir immer wieder darüber diskutiert, warum sich die Türken aus der Neustadt nicht bei uns melden." Es habe einfach keine Bewerbungen gegeben.

Die Murmel wird von einer Elterninitiative getragen, 1980 als eine Art Nachzügler der Kinderladen-Bewegung gegründet. Vieles beruht hier auf Elternengagement. "Vielleicht ist am ehesten das die Einstiegshürde", sagt Vorstand Stephan Feige. Außerdem müssen Murmel-Eltern einen Zusatzbeitrag von 35 Euro zahlen - zusätzlich zum städtischen Kita-Gutschein und dem Elternbeitrag, den die Stadt erhebt. Und die Murmel nimmt nur Kinder mit Acht-Stunden-Gutschein, weil sie als kleine Einrichtung sonst nicht über die Runden käme. Aber dass die Murmel Migranten ausschließe, das sei "absoluter Quatsch". Eltern, gleich welchen Hintergrunds, seien herzlich willkommen, sich in der Murmel auf einen der Krippen-Plätze zu bewerben "und das Gespräch mit uns zu suchen". Wenn Alter und Geschlecht des Kindes passten, hätten sie im Losverfahren gleiche Chancen.

"Natürlich reflektieren wir als Elterninitiative mit links-alternativer Tradition, dass wir die soziale Mischung unseres Einzugsgebiets nicht widerspiegeln - dazu gehören ja neben der Neustadt auch das Karoviertel und St. Pauli", sagt Feige. In der Neustadt lag 2008 der Anteil der ausländischen Schüler bei gut 40 Prozent, in St. Pauli bei fast 54 Prozent. Und das sind nur die noch nicht eingebürgerten. Migrationshintergrund haben viel mehr.

Die Murmel ist kein Sonderfall: In vielen Kinderläden sind Migranten Exoten. Man bleibt unter sich.

Einen anderen Weg ist ein neuer Kindergarten gegangen, der im Schanzenviertel kürzlich eröffnet hat: Im Musikkindergarten in den Schanzenhöfen sollen schon die Kleinsten mit Musik lernen. Auf den Anmeldebögen werden Staatsangehörigkeit und Muttersprache abgefragt - "damit wir eine gute Mischung hinkriegen", wie Sprecherin Maria Willner sagt. Der erste Jahrgang sei schon bunt gemischt, sagt sie. Aber aus der türkischstämmigen Anwohnerschaft kommen auch hier kaum Bewerbungen - "leider, wir finden das sehr schade", so Willner. Der Kindergarten ist eine Partnerschaft mit der benachbarten Schule Altonaer Straße eingegangen. "Wir hoffen, dass wir darüber an die Geschwister der türkischen Schüler rankommen.

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4 Kommentare

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  • M
    mir

    Unser Kind war auch in einem Kindergarten einer Elterninitiative. Es gehört mehr Mut und Extrovertiertheit dazu, sein Kind in einer solchen Einrichtung unterzubringen, als in einem "normalen" Kindergarten z.B. der Vereinigung hamb. Kindertagesstätten. Wenn ich allein an das "Bewerbungsgespräch" denke und an die vielen, vielen Elternabende, zu denen sich Eltern verpflichten! Gar kein Vergleich zu einem Kindergarten (den wir ebenfalls kennen). Permanente Gespräche, ganz viel Miteinander, Elternmitarbeit - das zieht eben manche Leute an, ebenso wie es andere Leute abschreckt. Da half es auch nicht, dass bei uns das Essen (um muslimische Kinder nicht vom Besuch abzuhalten) rein vegetarisch war.

  • K
    klap

    Das ist ein interessantes Thema und sollte vielleicht etwas genauer beleuchtet werden und nicht nur an zwei oder drei Zufallsbeispielen.

     

    Wenn ich nur 8 Stunden Gutschein Kinder nehme(n)(kann)und zusätzliche Beiträge erhheben muß um eine gewisse Qualität zu bieten dann schließe ich automatisch alle aus, die keinen 8 Stunden Gutschein haben oder das zusätzliche Geld nicht ausgeben wollen/können. Dies wird dann eher die Migranten treffen. Wenn ich aber eigentlich einen Migrantenanteil von 60-80% im Viertel habe dann kann dies allein nicht die Erklärung für einen sehr niedrigen Anteil in den Kitas sein.

     

    Ist die Aussage, der Anteil der Kinder mit türkischem Migrationshintergrund sei extrem niedrig auch nur ein Zufallsbefund? Wenn nein, woran liegt das?

     

    Interessanterweise kann man aus den offiziellen Schulstatistiken der Schulbehörde Zahlen berechnen, die die Aussagen bestätigen. Denn der Anteil von Kindern türkischer Nationalität in der Vorschule (die zwar kostenlos aber nicht verpflichtend ist)an allen ausländischen Kindern ist relativ niedrig. In der Grundschule (Teilnahmepflicht) steigt der Anteil der türkischen Kinder an allen ausländische Kindern auf einmal sehr deutlich an.

     

    Welche Erklärung gibt es hierfür?

    Integrationsunwille?

    Mangelnde Information?

    Geld?

    Die Gründe sind am Ende egal. Hauptsache es ändert sich etwas.

  • MN
    mein name

    Leute, die sagen "Ausländer nehmen wir nicht." oder Ähnliches bewegen sich außerhalb des rechtlichen Rahmens.

  • CF
    Charlotte Felske

    Irgendetwas stimmt da nicht: Der Kindergarten am Sievekingsplatz (unten im Gerichtsgebäude) liegt genau zwischen den genannten Einrichtungen und ist seit Jahren bunt gemischt. Da haben die Eltern mit Migrationshintergrund offenbar keine Probleme, ihre Kinder anzumelden - weder eigene, vermeintliche, noch Hürden, die ihnen in den Weg gebaut werden. Es dürfte sich lohnen, der Frage weiter nachzugehen!