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Des Platzwarts Macht

■ Auch im dunkeln: Olympique Marseille — AC Mailand 1:0

Marseille(dpa) — Der Platzwart von Olympique Marseille hat der reichhaltigen Geschichte um den Europapokal ein neues Kapitel hinzugefügt. Vor überschäumender Vorfreude über den Sieg seines Klubs über AC Mailand drückte er zwanzig Sekunden vor dem Abpfiff den Schalter eines Flutlichtmastes auf „Aus“ und verursachte einen Skandal im Stadion Velodrom. Die Disziplinar-Kommission der UEFA wird sich mit dem „Blackout“ beschäftigen müssen.

Die Italiener durften auf Anweisung ihres Vize-Präsidenten Galliani wegen pötzlicher Dunkelheit nicht weiterspielen. Sie witterten die Chance einer Neuansetzung auf neutralem Platz. Schiedsrichter Bo Karlsson aus Schweden machte dem Spuk ein Ende: Er pfiff an und brach sogleich die Begegnung ab. Für UEFA-Beobachter Senes Erzik (Türkei) stand fest: „Die Italiener haben sich unsportlich verhalten und einen Abbruch provoziert.“ Für Franz Beckenbauer war ebenfalls klar: „Wir sind im Halbfinale, aber wir wollen erst im Endspiel auf Bayern München treffen.“ Trotz des Sieges ignorierte die französische Presse den früheren Teamchef der deutschen Nationalelf, weil er ihre Sprache nicht spricht.

Mit diesem Olympique-Sieg, den der Engländer Chris Waddle (76.) mit einem Volleyschuß sicherstellte, ging wohl die große Ära vom AC Mailand zu Ende. „Diesen beschämenden Abgang hatte die Mannschaft nicht verdient“, bedauerte Beckenbauer das Verhalten der Italiener. „Wir mußten uns fügen, weil die Oberen diesen Abbruch wollten. Es ist jetzt aber der Punkt gekommen, wo im Klub etwas passieren muß“, zog Frank Rijkaard sein Fazit, während Kapitän Franco Baresi nur bemerkte: „Ein schlimmer Moment für uns alle.“

Während die Franzosen bis zum frühen Morgen in der Altstadt am Hafen den Erfolg ihrer Mannschaft überschwenglich feierten, verkrochen sich Schiedsrichter Karlsson und seine Linienrichter in das Hotel. Der Einspruch der Mailänder wegen des fehlenden Lichtes, der mangelhaften Sicherheit bei der Unterbrechung und das Eilen der Fotografen sowie Rundfunk-Reporter auf dem Platz wird mit Sicherheit ein Nachspiel bei der UEFA haben. Aber bei einer Rekord-Einnahme von 3,8 Millionen Mark dürften die Franzosen auch eine empfindliche Geldstrafe verschmerzen können.

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