Der sonntaz-Streit: „Wofür bedanken?“
Anna Thalbach findet, niemand kann etwas für das Muttersein seiner Mutter. Mutter Beimer will trotzdem Blumen, am liebsten jede Woche.
Der Muttertag steht vor der Tür. Ein Tag gespaltener Gefühle, geöffneter Pralinenschachteln, gegebener Anerkennung. Oder doch Ersatzhandlung für unerledigte Pflichten an den meisten Tages des Jahres? Wie wirkt er, dieser Tag, wie funktioniert er? Braucht Mutter einen Tag oder, nun, was braucht sie eigentlich? Die Sonntaz hat nachgefragt.
„Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, ein starkes Netz an Betreuungseinrichtungen und gerechte Aufteilung der unbezahlten Arbeit“, antwortet die österreichische Bundesministerin für Frauen, Gabriele Heinisch-Hosek im sonntaz-Streit. Dazu brauche man keinen Muttertag, sondern die Unterstützung von Partnern und Arbeitgebern. „An einem besonderen Tag können sich Kinder – oder auch Väter – Gedanken machen über Rolle, Liebe, Dienst, Sorgen und Gefühle von Müttern oder für Mütter“, konterkariert die Vorsitzende des Landesverbands allein erziehender Mütter und Väter Baden-Württemberg, Charlotte Michel-Biegel.
Mutterschaft und Erziehung mit Unterhaltsgewährleistung, Planungssicherheit, Entscheidungsfreiheit, Vereinbarkeitvon Beruf und Familie, Steuer- und Rentengerechtigkeit zu honorieren, sei gesellschaftliche Gesamtaufgabe, jedoch nicht die von Söhnen und Töchtern, die sich natürlich überlegen könnten, wie man eine Freude mache.
„Wofür soll sich der Einzelne bedanken?“, fragt die Schauspielerin Anna Thalbach. Niemand könne etwas für das Muttersein seiner Mutter. Dank zeigen sei eine Selbstverständlichkeit. „Das ist Pflicht und nicht Kür“. Ähnlich sieht es Floristin Nicole Heide, Inhaberin eines Blumenladens. Sie beobachtet eine Tendenz „neuer“ Mütter und Familien, bei denen gemeinsame familiäre Aktivitäten und Anerkennung auf der täglichen Agenda ständen.
Marie-Luise Marjan, „Mutter Beimer“ aus der Lindenstraße, müsste sich über diese Beobachtung freuen, fordert sie doch im sonntaz-Streit dass „Mütter nicht nur am Muttertag, sondern jede Woche einen Blumenstrauß als Dank für ihre Arbeit erhalten“.
Den kompletten sonntaz-Streit „Hat Mutti das verdient?“, die Titelgeschichte „Das Ende der Machtmütter“, ein Gespräch über Innerlichkeit & kirchliche Hierarchien mit dem evangelischen Startheologen Fulbert Steffensky und das Porträt eines brandenburgischen Dorfes, in dem Opern im Schweinestall aufgeführt werden lesen Sie in der taz.am wochenende vom 4./5. Mai 2013. Außerdem: Hausbesuch - Die taz klingelt mal in Klein Schneen. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo.
Ob der Muttertag adäquat und zeitgemäß ist, die Leistung der Mütter zu honorieren, der internationale Frauentag besser, oder ein einzelner Tag die übrigen 364 diskriminiere, ist mitunter Frage des persönlichen Geschmacks. Dass Frauenrechte noch immer hinten an stehen, ist es nicht, das ist ein Faktum. Aber auch dafür kann ein Muttertag dienlich sein: genau daran zu erinnern. Vollkommen unabhängig von Pralinen, Blumen, „programmierter“ Dankbarkeit und Anerkennung.
Facebook-Userin Janne Weinzierl schaudert es: es gebe Unmengen von blühenden Herzen gepaart mit einer grauenhaften Kindergarten-Unästhetik. „Ich halte den Muttertag für eine ziemlich überflüssige Variante der Denktage, aber die Blumenhändler freut es sicherlich!“ Gelassener sieht es da Merle Meier-Holsten, Brand Managerin von Kraft Foods Deutschland: „Den Muttertag als reinen Konsumanlass zu bezeichnen, wird ihm meiner Meinung nach nicht gerecht“. Wer nicht mitmachen wolle, könne das lassen. Auf den Muttertag mag das zutreffen, auf die Frauenrechte jedoch nicht. Das Sonntaz-Fazit: Egal welchen Geschlechts und Alters – auf dieser Baustelle muss einfach jeder anpacken.
Die sonntaz-Frage beantworten außerdem Margret Friedrich, Psychologin und Historikerin an der Universität Innsbruck und Barbara Vinken, Literaturwissenschaftlerin und Autorin des Buchs "Die deutsche Mutter" - sowie die Userin "Mama" – in der aktuellen sonntaz vom 4./5. Mai 2013.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen