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Der sonntaz-StreitDarf man bei Hitze blaumachen?

Es gibt keine Siesta in Deutschland, keine Klimaanlagen, keine fensterlosen Behausungen. Da hilft nur Selbsthilfe – oder?

Blau machen? Auf jeden Fall. Bild: dpa

Die Luft glüht, legt sich wie eine dicke warme Daunendecke auf die Menschen. Man will an den See, in den Park, nur nicht ins Büro. Denn dort fühlt man sich wie in einem Gewächshaus, wie ein Hähnchen am Grill, wie während eines porenreinigenden Dampfbads. Und trotzdem geht man, jeden Tag. Muss das wirklich sein?

Deutschland ist nicht auf diese Temperaturen vorbereitet: Es gibt keine Siesta, keine Lehmmauern. Stattdessen Häuser aus Beton mit großen Glasfassaden und intensiver Sonneneinstrahlung.

Mit dem Eintritt ins Berufsleben sind die Zeiten von Hitzefrei vorbei. Von Arbeitnehmern wird verlangt, dass sie jeden Tag pünktlich in ihrer Arbeitsstätte, meist im Büro, aufkreuzen und dort den ganzen Tag sitzen und schwitzen. Obwohl sie jenseits der 26-Grad-Marke kaum leistungsfähig sind.

Eine Untersuchung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zeigt, dass die Leistung signifikant sinkt, wenn die Raumtemperatur über dem „Behaglichkeitsbereich“ liegt, also über 27 Grad. Durch „Anpassung von Bekleidung, körperlicher Aktivität und Luftgeschwindigkeit“ lasse er sich auf 28 Grad ausdehnen. Ein „unbekleideter Mensch“ im Ruhezustand fühle sich ab 30 Grad nicht mehr behaglich, so die Studie. Es steigen Hauttemperatur und Herzfrequenz, die Bereitschaft sich anzustrengen nehme ab und die Schläfrigkeit zu.

Die Antworten auf den sonntaz-Streit lesen Sie am 3./4. August in der neuen taz.am wochenende. Mit großen Reportagen, spannenden Geschichten und den entscheidenden kleinen Nebensachen. Mit dem, was aus der Woche bleibt und dem, was in der nächsten kommt. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

Die Technische Regel für Arbeitsstätten besagt: 26 Grad darf die Lufttemperatur in Arbeitsräumen nicht übersteigen. Und schiebt gleich hinterher, dass diese Regel nicht gilt, wenn die Außentemperatur 26 Grad übersteigt.

Man kann natürlich krank machen. Sommergrippe – so was Blödes! Bei dem guten Wetter! Das Simulieren gelingt aber nicht allen so gut. Und den freien Tag am Badesee kann man dann auch nicht richtig genießen, weil man ständig darüber nachdenkt, dass man die Kolleginnen und Kollegen im Stich, im Gewächshaus zurückgelassen hat - mit noch mehr Arbeit. Und der nächste Morgen ist auch eher unangenehm; nämlich dann, wenn alle fragen, ob es schon besser gehe.

Außerdem sind wir davon abhängig, dass Menschen trotz tropischer Temperaturen für uns arbeiten. Man stelle sich vor, die Müllabfuhr ließe uns mit den gärenden Abfällen alleine. Oder der lang ersehnte Brief kommt wegen übermäßiger Sonneneinstrahlung mit drei Wochen Verspätung an. Ganz zu schweigen von Ärzten, die uns bei Hitzeschlag behandeln, Bademeistern, Eisverkäufern...

Und dennoch. Täglich grüßt das Thermometer und schon beim Aufwachen können wir nur an eines denken: Darf man bei Hitze blau machen?

Diskutieren Sie mit! Die sonntaz wählt unter den interessantesten Kommentaren einen oder zwei aus und veröffentlicht sie in der sonntaz vom 3./4. August. Der Kommentar sollte etwa 900 Zeichen umfassen. Oder schicken Sie uns bis Mittwoch, 31. Juli, eine Mail mit Name, Foto und Alter an: streit@taz.de

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12 Kommentare

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  • S
    Sabine

    In meinem Büro sind es in diesen Tagen 28-30 Grad. Ich neige dazu, mich vor dem Bildschirm bzw. dem Text, der mir von dort entgegenschwitzt, zu verneigen, weil der Kopf durch Wärmespeicherung um einige Kilo schwerer ist als sonst. Durch die Schwerkraft, die unterstützt wird durch das Braten im eigenen Saft, sehe ich mich gezwungen, im Drehstuhl angeklebt mein Los zu ertragen und weiter zu arbeiten, anstatt mich aus der Marinade zu erheben und trockenzulegen.

     

    Wasser trinken macht den Zustand noch schlimmer; es kommt unmittelbar nach dem Genuss aus allen Poren wieder heraus.

     

    Kaffee hält mich - in Ergänzung mit Streichhölzchen, die die Augenlider offenhalten sollen - wenigstens wach, und ein durch das Heißgetränk bedingter Schweißausbruch mehr oder weniger spielt keine Rolle.

     

    Ich träume von einer kalten Dusche und "Lassie im Schneesturm". Und von einer Siesta. Einen Palmwedel will ich haben.

     

    Dieser Gedanke macht mich wieder wach, denn als rational denkender Mensch fällt mir ein, dass ich dann länger bleiben muss.

     

    Ich arbeite also weiter. Auch bei 30 Grad im Büro...

  • Klarer Fall: die Siesta muss eingeführt werden! Bei vorhergesagten 30°C plus X gilt folgende Büroarbeitszeit: 7.00 Uhr bis 11.00 Uhr, gefolgt von der Ruhezeit bis 18.00 Uhr. Restarbeitszeit dann bis 22.00 Uhr. In der Zwischenzeit Aufenthalt an wettergerechten Orten. Hier bieten sich Chancen für büronahe Naherholungsgebiete!

     

     

     

    Bürotypische Dresscodes gehören in die Mottenkiste! Von Südostasien lernen, heißt sommergerechtes Kleiden lernen. Für Männer ist im Hochsommer der Sarong, darunter barfuß bis zum Bauch, die beste Wahl! Schluss mit dem "business casual" Einheitseinerlei!

     

     

     

    Überhaupt: barfuß geht es sich am natürlichsten und dem Sommer am angemessensten. Im Büro sind Schuhe von Frühling bis Herbst unnütz!

  • N
    nullachtfünfzehn

    Als ob den Bürgern dies nicht klar wäre...

  • Ich stimme Laura Hofmann weitgehend zu. Nur in einem nicht: leide nämlich gerade unter einer Sommergrippe. Und das ist kein "Blödsinn", sondern eine ernstzunehmende Erkrankung. Sie kann z.B. durch Stress, durch Fehlernährung oder durch sportliche Überforderung entstehen. Auch unnötiges Sich-der-prallen-Sonne-Aussetzen kann dem Immunsystem den K.O. versetzen, so dass mensch plötzlich trotz 30 Grad im Schatten fiebrig im Bett liegt.

  • I
    Ines

    Tja, eigentlich sollten die Arbeitgeber dafür sorgen, dass es am Arbeitsplatz nicht zu heiß wird... oder die Arbeitszeit verschieben??? Geht natürlich nicht immer und überall, aber Leuten die in Büros untätig und schwitzend ihre Zeit absitzen, sollte man die Möglichkeit geben bei Hitze frei zu nehmen und sie dafür wann anders arbeiten zu lassen. Habe die Erfahrung gemacht, dass man ab 30 Grad im Büro eh unfähig ist wirklich produktiv zu sein. Ich wäre für eine Einführung der Siesta ;o) in den Sommermonaten.

  • F
    FARBE

    Es gibt ja in den meissten Arbeitsverträgen so was wie bezahlten Urlaub, oder? Bei Bedarf kann man den ja nehmen. Oder Überstunden abbauen.

  • Sterben muss man. Das Blaumachen vor sich selbst zu verantworten, sollte keiner gesellschafts-moralischen Ächtung hintenan gestellt werden. Zuerst ist man sich und dem eigenen Seelenheil verpflichtet und dazu ist es eben nötig, die Kollegen auch mal im "Stich" zu lassen. Die müssen ja nicht das erhöhte Pensum aufsichnehmen, auch wenn es ihnen unberechtigt angetragen wird. Es geht dann hitzebedingt ganz natürlich etwas langsamer. Die gnadenlose Arbeitswelt hat das so verdient.

     

    Für unsere schöne Wattewelt machen wir uns ganz ordentlich zum eigenen Sklaven.

  • M
    Markus

    Hängt natürlich vom Beruf ab.

     

    Auf Krankenhäuser, Polizei, Ver- und Entsorgung kann man nicht verzichten, auf Eisdielen und Schwimmbäder will man nicht verzichten.

     

    Aber wir "was mit Medien" macht oder in der Werbung sein Geld verdient ... ja der kann an sich das ganze Jahr Hitzefrei machen - der gesellschaftliche Nutzen ist bei Null. Und dann wären da noch die Bänker ...

    • M
      marvin
      @Markus:

      Allen Berufen, die sich mit Medien beschäftigen, keinen gesellschaftlichen Nutzen zu unterstellen, ist schon 'ne harte Nuss.

      • A
        Ausburn
        @marvin:

        Vor allem wenn man gerade im Medium Internet das Medium TAZ nutzt ist...

  • Die regelkonforme Art die Sonne zu genießen ist, sich ein paar Urlaubstage zu nehmen. Regeln sind aber was für Looser, oder?

  • R
    Roman

    90 % der Bediensteten bei der Arbeitsagentur für Arbeit sind mit der Verwaltung von Arbeitslosen beschäftigt. Nur 10 % der Beschäftigten dort mit der aktiven Vermittlung von Abeitslosen an potentielle Arbeitgeber. Also, die 90 %, die eh nur die Papiere von links nach rechts sortieren, könnten die Arbeit doch einfach auf "schlecht Wetter Tage" verschieben. Vielleicht wird dann den Bürgern sichtbar, dass diese Behörde fast überflüssig ist und das Geld an arme Bürger oder Arbeitslose direkt transferiert werden kann.