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Der sonntaz-StreitGlühwein mit oder ohne Schuss?

Beim obligatorischen Weihnachstmarktbesuch ist Glühweintrinken Pflicht. Geht es dabei um Geschmack oder allein um Wirkung?

Prost, auf dass es jetzt gemütlich ist. Bild: dpa

In einer Welt, in der alles auf penetrante Individualität angelegt ist, gibt es sie nicht mehr häufig, die kollektiven Erfahrungen einer Nation. Der Tatort war so etwas in Deutschland, Weihnachten ist es bis heute.

Es ist das eine Fest im Jahr, dem sich kaum jemand in Deutschland entziehen kann. Ein durchchoreographiertes Familienbeisammensein, Langeweile zu dunkler Bratensoße, am ersten Weihnachtstag zu Oma, am zweiten zu Freunden. Der erste Akt beginnt lang vor dem Fest. Beim Weihnachtseinkauf.

Die Innenstädte sind verstopft. Und dennoch werden jedes Jahr – quasi als Hindernisparcour, um die Bedingungen zusätzlich zu erschweren – Buden aufgebaut. Irgendwo wird möglichst zentral, hell und geschmacklos ein Weihnachtsbaum geschmückt. Auf dass es gemütlich wird in Deutschlands Städten, verdammt.

Der Besuch des Weihnachtsmarkts ist obligatorisch. Nicht selten wird es sogar als Grund für den Innenstadtbesuch genannt. Noch schön über den Weihnachtsmarkt bummeln. Aber ist das wirklich schön? Vielleicht lässt sich diese Frage vor lauter Folklore gar nicht mehr beantworten. Mäßiger spanischer Wein aus Plastikeimern wird auch niemandem wirklich gut schmecken. Und doch wird er so konsumiert.

Ähnliches beim Glühwein: 2500 Weihnachtsmärkte gibt es in Deutschland. Etwa 40 Millionen Liter Glühwein konsumieren die Deutschen jährlich, das meiste davon in der Adventszeit.

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Die Antworten auf den sonntaz-Streit lesen Sie am 30.November/1.Dezember 2013 in der taz.am wochenende. Mit großen Reportagen, spannenden Geschichten und den entscheidenden kleinen Nebensachen. Mit dem, was aus der Woche bleibt und dem, was in der nächsten kommt. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

Jeder macht mit, richtig geil findet es keiner

Der Weihnachtsmarkt, und speziell der Glühweinstand, suggerieren uns jedes Jahr, das wir noch vor Jahreswechsel etwas zu erledigen haben. „Hast Du dieses Jahr schon Glühwein getrunken?“ - diese Frage wird tatsächlich gestellt. Schmeckt mir nicht, ist keine möglich Antwort. Über Geschmack wird in der Regel nicht gesprochen, es geht um Wirkung. Und das Gefühl, sich bei Minus zehn Grad unter einem Heizpilz (im besten Falle) und „Last Christmas“ aus den Boxen (in jedem Fall) ein überteuertes süßes Gesöff reinzukippen. Prost, auf dass es jetzt gemütlich ist, verdammt.

Eigentlich komisch, dass gerade wir Deutschen, die so viel auf die Reinheit ihrer Alkoholika geben, jedes Jahr eben solche erst mit Gewürzen panschen und dann auch noch erhitzen. Aber wenn es doch jeder macht.

Ja, wenn es doch jeder macht. Vielleicht ist es genau das. Welche Kneipe in Deutschland spiegelt denn noch ungefähr die Gesellschaft wider? Es gibt Bars für Trinker, für die Jungen, die Hipster, für Fußballbegeisterte. Am Glühweinstand aber steht der Professor tatsächlich noch Seit an Seit mit dem Arbeiter. Ist das nicht toll?

In der Theorie vielleicht. Man könnte aber auch sagen, dass das alles eine einzige Gleichmacherei ist. Der Weihnachtsmarkt in Dortmund unterscheidet sich nur marginal von dem in Berlin. Der Glühwein gar nicht. Es ist eine einzige Winter-Weihnachts-Wetten-Das-Sendung: Jeder macht mit, richtig geil findet es keiner.

Die Frage, deren Beantwortung uns allen am Ende bleibt, ist nicht, ob wir diesen Wahnsinn mitmachen wollen. Die einzige Frage lautet: Glühwein mit oder ohne Schuss?

Wie sehen Sie das? Glühwein besser mit oder ohne Schuss?

Diskutieren Sie mit! Die sonntaz wählt unter den interessantesten Kommentaren einen oder zwei aus und veröffentlicht sie in der sonntaz vom 30.November/1.Dezember. Der Kommentar sollte etwa 900 Zeichen umfassen und mit dem Namen, Alter, einem Foto und der E-Mail-Adresse der Autorin oder des Autors versehen sein. Oder schicken Sie uns bis Mittwoch, 27. November, eine Mail an: streit@taz.de

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5 Kommentare

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  • G
    gast

    Bei uns gabs auch manchmal Weihnachten, da nahm mein Vater einen Tannenzweig, bohrte Löcher hinein und steckte auch da Zweige hinein, fertig war der Baum, dann noch ein wenig Engelshaar und dann noch das Liedchen geträllert oh du fröhliche und so.

     

    Ach was waren wir "fröhlich", ohne Geschenke, ohne Völlerei, auch ohne Essen, wenn er keinen Bock hatte auf Weihnachten Essen und so, manchmal viel Weihnachten auch ganz aus, was soll, es war halt so.

     

    Als ich dann groß war, selbst ein Kind hatte, gestaltete ich Weihnachten immer so gut ich konnte, das es schön war, festlich, gemütlich, stad halt.

  • Zur Lösung des Problems empfehle ich den Schuss ohne Glühwein.

  • FB
    Finn Berlin

    Wieso lässt man denn die Menschen nicht einfach so leben wie sie (ganz offensichtlich) möchten? "Es ist das eine Fest im Jahr, dem sich kaum jemand in Deutschland entziehen kann. Ein durchchoreographiertes Familienbeisammensein, Langeweile zu dunkler Bratensoße, am ersten Weihnachtstag zu Oma, am zweiten zu Freunden. Der erste Akt beginnt lang vor dem Fest. Beim Weihnachtseinkauf." Tut mir wirklich leid, dass der Autor so ne traurige Kindheit hatte, aber das ist doch kein Grund gleich allen anderen den Weihnachtsmarktbesuch/Weihnachtsfest madig zu machen. Die Selbstmordrate während den Weihnachtsfeiertagen zeigt doch auch , dass es selbst für taz Autoren ohne Freude am Leben einen Ausweg gibt. Anstatt hier also gegen Glühwein/die Weihnachtszeit zu hetzen (irgendwie schon lächerlich)sollte sich Herr Drutschmann einfach mal fragen ob es aktuell nicht wichtigere Themen auf dieser Welt gibt.

    • E
      Eke
      @Finn Berlin:

      Haha, guter Konter.

    • L
      lel
      @Finn Berlin:

      +1