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Der sonntaz-Streit„Ein weiter Weg“

Kommentar von Christian Fleige

Die Piraten seien unnötig, sagt ein Politikwissenschaftler. Ein Kollege behauptet das Gegenteil: Von den Piraten könne man noch viel lernen.

Auf die Piratenpartei wartet ein stürmischer Ritt. Bild: dpa

Die geplante Vorratsdatenspeicherung lässt sich nur verhindern, wenn deren inner- und außerparlamentarische Kritiker zusammenarbeiten. Dabei können die Piraten eine wichtige Rolle spielen“, sagt Peter Schaar, der bis vor kurzem Bundesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit war. Damit attestiert er den Piraten eine unmittelbare Systemrelevanz. Erst die Piraten hätten das Thema Netzpolitik zum Thema in Talkshows und der etablierten Parteien gemacht, so Schaar weiter.

An diesem Wochenende trifft sich die Piratenpartei in Bochum zum zweiten Bundesparteitag nach der verlorenen Bundestagswahl: nur 2,2 Prozent erreichte die Partei im September. Ein bescheidenes Plus von 0,2 Prozentpunkten im Vergleich zur ersten Teilnahme 2009. Im Wahlkampf konnten die Piraten trotz thematischen Steilvorlagen wie der geplanten Vorratsdatenspeicherung und der von Edward Snowden enthüllten Geheimdienstaffäre nicht punkten. Ihre Stimme fand kein Gehör mehr.

Dieses Szenario wäre 2012 noch undenkbar gewesen. Die Piraten eilten von einem politischen Erfolg zum nächsten. Bei der Sonntagsfrage zur Bundestagswahl rangierten sie zeitweise im zweistelligen Bereich. Von dieser Begeisterung ist heute nichts mehr zu spüren. Selbst unter Mitgliedern macht sich Resignation breit. Dementsprechend fragt die sonntaz an diesem Wochenende: „Brauchen wir die Piraten noch?“

Der Politikwissenschaftler Alexander Hensel, der am Göttinger Institut für Demokratieforschung arbeitet, beantwortet die Frage ebenfalls mit einem klaren Ja: „Als Kleinstpartei tragen die Piraten Forderungen und Ideen ins politische System und verbreitern so die Wahlmöglichkeit für Bürger. Sie repräsentieren die Ansichten ihrer über 30.000 Mitglieder und bieten einen Ort zur politischen Willensbildung. Trotz ihrer organisatorischen Krise sind sie wichtig für demokratische Lernprozesse.“ Für ihn sei es nicht vorstellbar, auf all diese Punkte zu verzichten.

taz am Wochenende

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„Keine demokratische Nachfrage“

Hensels Kollege Wolfgang Merkel, Direktor am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, widerspricht dem: „Die Piraten erfüllen keine demokratische Nachfrage: weder programmatisch noch sozialstrukturell.“ Sein Urteil begründet er wie folgt: Zum einen seien die Piraten im linksliberalen Dreieck von SPD, den Grünen und der Linken zu finden, dem am dichtesten besiedelten politischen Raum im deutschen Parteiensystem. Zum anderen vertreten sie vor allem gut gebildete Männer, die im deutschen Parteiensystem nicht gerade unterrepräsentiert seien.

Laura Sophie Dornheim, die sich selbst auf ihrem Twitter-Profil als „Nochpiratin“ bezeichnet, verneint die Frage nach der Notwendigkeit der Piraten. Sie vergleicht die Entstehungsgeschichte ihrer Partei mit der einer Software und spricht von misslungenen Trial-and-Error-Prinzip: „Vor zwei Jahren waren viele von der Idee begeistert, Politik neu zu programmieren. Die Hoffnung war groß, dass der Piratenpartei genau das gelingen könnte. Aus der Hoffnung ist Enttäuschung geworden. Selbst viele Parteimitglieder glauben nicht mehr an ein Update. So brauchen wir diese Partei nicht.“

Anke Domscheit-Berg, Direktkandidatin für die Piraten im Bundestagswahlkreis Oberhavel – Havelland II, möchte Piratin bleiben und glaubt, dass ihre Partei unverzichtbar sei: „Es braucht die Piraten, um einen digitalen Totalitarismus zu verhindern. Es braucht sie auch als Vordenker einer sozialeren, digitalen Gesellschaft, die auf dem Gedanken des Teilens und der Teilhabe beruht.“ Das Statement von Anke Domscheit-Berg in voller Länge sowie die Beiträge weiterer Piraten können Sie hier nachlesen.

Die Streitfrage beantworteten außerdem Katharina Nocun, die bis November politische Geschäftsführerin der Piratenpartei war, Alexander Hahn, Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen, Jonas Westphal, Sprecher des Forums Netzpolitik des SPD-Landesverbands Berlin und taz-leser Dennis Klüver – in der taz.am wochenende vom 4./5. Januar.

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7 Kommentare

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  • T
    Turny

    Ohne die Piraten ist jeder Bundesbürger, der seine Grundrechte wahrnimmt ,nur ein Quotenkasper .

  • dem urteil des wisschaftsdirektors mekel ist zuzustimmen. konseqenz: das fischen im trüben im links-liberalen spektrum, die verkehruung der stimme in rechte politikmacht, wird durch die piraten vestärkt.

  • A
    amsel

    STREICHE: erster Parteitag nach verlorener BTW

    SETZE: zweiter Parteitag nach verlorener BTW (2009 2,0% / 2013 2,2%)

  • PF
    Piraten Freund

    Bräuchten wir die Piraten 1.0 (Nerds mit wenig Bühnenerfahrung aber sehr guten Fachkenntnissen): Ein ganz klares Ja.

     

    Brauchen wir die Piraten 2.0 (Selbstdarsteller, die vor allem durch die Benutzung von Facebook, Twitter und Youtube auffallen): Ein ganz klares Nein.

     

    Die entscheidende Frage bei den Piraten, ist die der SMV (Ständige Mitglieder Vertretung im Internet). Wer jetzt immer noch glaubt, das man dies nsa-sicher hin bekommt, zeigt das man noch geringere IT-Kenntnisse wie die CDU/CSU hat.

  • S
    Schreiber

    Ich wähle seit 2009 die Piartenpartei und bin bis lang überwiegend zufrieden. Hatte anfänglich nicht gedacht, dass die in Teilen so gut auf die etablierten wirken können. Bewegt haben die Piraten damit schon einiges - wenn auch nicht immer zu deren Vorteil. So ist es doch überraschend wie etablierte die Programmatik aufgreifen. Leider nicht genug und teilweise auch nur zum schein. Von daher bin ich der Meinung, dass man den Parten ruhig noch ein Paar Jahre ein Kreuz auf dem Wahlzettel schenken darf.

     

    Und das mit den Männern .. was da Herr Merkel sagt … nun ja - Frauen sind in der Politik allgemein etwas weniger als Männer vorhanden. Das ist allgemein recht schade, da hier viele Kompetenzen nicht genutzt werden. Deshalb greift das Argument bei mir hier nicht.

  • T
    Tom

    Fehler im Text: Das ist nicht der erste Bundesparteitag nach der Bundestagswahl, sondern der zweite. Der letzte Bundesparteitag fand am 30.11. statt.

    Auf diesem Bundesparteitag in Bochum geht es primär um die Aufstellung der Kandidaten zur kommenden Europawahl.

  • F
    Fortschritt

    Im Bundestag herrscht die 5% Hürde. Daher können bis zu 20 Parteien mitspielen. Eine Partei hat schon alleine dadurch, dass andere Parteien ihre Konzepte zum Teil übernehmen Fortschritt erreicht und ist nicht sinnlos und nicht überflüssig. Jede einzelne Stimme zählt und übt Einfluss. Selbst dann, wenn die jeweilige Partei nicht die 5% Hürde schafft.