Der sonntaz-Streit: „Schwächen gehören dazu“
Steuern hinterziehen, abschreiben – müssten Deutschlands Eliten nicht eine Vorbildfunktion haben? Durchaus, findet zum Beispiel Claudia Roth.
Uli Hoeneß muss ins Gefängnis. Der ehemalige Präsident des FC Bayern München hatte an die 28,5 Millionen Euro Steuern hinterzogen und sich damit nicht gerade beliebt gemacht. Die Strafe nimmt er, so sagte er einen Tag nach der Urteilsverkündung, ohne Revision an, so verlange es schließlich sein „Verständnis von Anstand, Haltung und persönlicher Verantwortung“.
Nur konsequent, könnte man mit Claudia Roth urteilen. Mit der Frage, ob Eliten Vorbilder sein müssen, zieht die die taz am wochenende vom 22./23. März ein Resümee aus den Skandalen der deutschen Prominenz rund um Steuerhinterziehung, Plagiate und co. Roth, ehemalige Vorsitzende der Grünen, antwortet darauf mit einem klaren „Ja“.
Sie erwarte von Personen, die Führungspositionen einnehmen, „dass sie sich ihrer besonderen Verantwortung im Umgang mit dem Gemeinwohl und rechtsstaatlicher Normen bewusst sind und dementsprechend auch danach handeln“. „Für mich gehört zur Vorbildfunktion, dass sich Tun und Sagen nicht widersprechen“, so Roth. Allerdings, räumt sie ein, gehörten menschliche Schwächen auch dazu, Eliten sollten auch „Menschen bleiben dürfen“. Fehler zuzugeben könne dann „vorbildlich“ sein.
Auch taz-Leser Moritz Müller, spricht sich für eine Entzauberung der „Promis“ – so bezeichnet er die deutsche Elite – aus. Promis, die wegen illegaler oder ethisch inkorrekter Verhaltensweisen in Ungnade fielen, seien eben auch ganz normale Menschen, die schlichtweg „unsere Aufmerksamkeit nicht mehr verdient haben“. Schließlich besäßen die fragwürdigen Berühmtheiten diese „ausschließlich, weil wir sie ihnen geben.“ Der 21-jährige empfiehlt: „‚Augen auf!‘ gilt also nicht nur bei der Partnerwahl, sondern auch bei der ‚Promiwahl‘“
Dank der „heute-show“ interessieren sich junge Menschen für Politik, sagen die Macher. Im Gegenteil, meinen Kritiker: Es gehe nicht um Aufklärung, sondern um Verachtung. Ob TV-Humor politisch sein kann, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 22./23. März 2014 . Außerdem: Was passiert, wenn sich die Erde erwärmt? Der neue UN-Klimabericht exklusiv in der taz. Und: Warum bekriegt sich die Opposition gerade in der Krim-Krise? Gregor Gysi streitet mit Katrin Göring-Eckardt über den Umgang mit Russland, der Ukraine und der Großen Koalition. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Fragwürdiges Konzept
Für Bernd Westermeyer, Leiter der Privatschule „Schloss Salem“, die häufig als „Elite-Schule“ bezeichnet wird, ist diese Aufgabe eine leichte. Der Elite, so Westermeyer, sei ihre Vorbildfunktion bereits in die Bezeichnung eingeschrieben, für ihn verdienen nämlich „nur jene Menschen das Prädikat ‚Elite‘, die im Kleinen wie im Großen als Vorbilder wahrnehmbar sind.“ Vorbildlich könne man sich dabei auf verschiedene Arten verhalten, etwa wenn man im Alltag soziale Verantwortung übernehme oder „auch zum Wohle anderer“ Leistungen erbringe.
Mehr als fragwürdig allerdings findet Klaus Lederer das Konzept Elite an sich. Schließlich handele es sich dabei um das Selbstbild einer gesellschaftlich privilegierten Schicht, die sich damit selbst zur Führung der „breiten Massen“ ernannt habe. Durch ihr wenig vorbildliches Verhalten habe diese „Elite“ diesen Anspruch jedoch gehörig konterkariert, findet der Vorsitzende der Linken in Berlin.
Wenn nämlich jene angebliche Überlegenheit sich „nur als besondere Befähigung zu Betrug und Schwindelei demaskiert, delegitimiert sich in begrüßenswerter Weise auch der Herrschaftsanspruch unserer sogenannten Eliten“, so Lederer. „Aus emanzipatorischer Sicht“, schließt er, könne das „nur als Fortschritt betrachtet werden“. Für Bayern Münchens Ex-Präsidenten, der nach Ostern für dreieinhalb Jahre ins Gefängnis geht, wohl nur ein schwacher Trost.
Die Streitfrage beantworten außerdem Wolfgang Grupp, Inhaber der Textilfirma Trigema, Prof. Thomas Hanitzsch, Professor für Kommunikationswissenschaften an der LMU, sowie die taz-Leser Andreas Ohm und Rainer Winters – in der taz am wochenende vom 22./23.3.2014.
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