Der sonntaz-Streit: Retten E-Zigaretten die Rauchkultur?
Die Raucherzahlen gehen zurück. Nun aber greifen immer mehr Menschen zur E-Zigarette. Kommt das Laster im anderen Gewand zurück?
Ilsa hat Tränen in den Augen. „Du bist unsere letzte Hoffnung. Wenn du uns nicht hilfst, wird Victor László in Casablanca sterben", sagt sie mit brüchiger Stimme. „Na wenn schon. Ich werde auch in Casablanca sterben. Ist doch ein guter Platz dafür.“ Wie um die Endgültigkeit seiner Aussage zu unterstreichen, zündet sich Rick eine Zigarette an, pafft ein paar weiße Wölkchen. „Wenn du jetzt...“, Rick stockt, der Rauch bleibt ihm im Hals stecken. Ilsa hat eine Waffe auf ihn gerichtet.
Eine dramatische Szene des schönsten Liebesfilms aller Zeiten - eines Films, der von der Aura seiner Hauptdarsteller lebt. Diese Aura besteht nicht zuletzt aus dem Tabakdunst, der Humphrey Bogart ständig umgibt. Wer könnte sich Casablanca ohne die zahlreichen Zigaretten vorstellen, die Rick lässig nacheinander wegraucht?
Viele Filmklassiker zelebrieren die Rauchkultur. Die erzwungene dramatische Pause, die mit dem Anzünden der Zigarre einhergeht. Der rote Lippenstift, den die Femme fatale beim lasziven Zug am Stummel zurücklässt. Die elegante Zigarettenspitze Audrey Hepburns auf dem ikonischen Plakat zu „Frühstück bei Tiffany“.
Eine Frage der Zeit?
Dieser Inszenierung der Rauchkultur im Film steht ein Verlust des Coolness-Faktors entgegen, der dem Glimmstengel im wahren Leben inne wohnt. Die Raucherzahlen gehen stetig zurück, heute rauchen nur noch halb so viele Jugendliche wie vor zehn Jahren. Ist es also nur noch eine Frage der Zeit, bis es mit dem Wölkchenatem ein Ende hat?
Vermutlich nicht. Denn während es mit dem Tabakkonsum bergab geht, gibt es eine neue Entwicklung unter den Fans des blauen Dunstes: das Dampfen. So nennen die Nutzer elektronischer Zigaretten die Aktivität, bei der über ein Sauggerät mit Heizspule eine Flüssigkeit verdampft und dann eingeatmet wird. Die Flüssigkeit und den entsprechenden Dampf gibt es in verschiedenen Ausführungen. Der Nikotingehalt ist variabel, die Geschmacksrichtungen vielfältig: Neben unspektakulären Aromen wie Apfel oder Karamell können Risikofreudige auch mal Brathähnchen probieren. Oder wie wäre es mit Brot?
Genau dieses spielerische Element halten die Feinde der E-Zigarette für gefährlich. Kinder und Jugendliche, so die Argumentation, würden mit süßen Aromen zum Nikotingenuss verführt. Und das, nachdem die Tabaklobby endlich bezwungen, der Mythos vom coolen Raucher so gut wie passé sei. Dampf-Gegner warnen vor unbekannten Risiken und nicht absehbaren Langzeitfolgen des E-Zigarettenkonsums. Und durch die Beschwörung des unbedenklichen, weil ungefährlichen, Paffens könne das alte Laster des Rauchens eine Renaissance in neuem Gewand erleben.
Bedenken zerstreut?
Verfechter des Dampfens wollen diese Bedenken zerstreuen. Der Spiegel zitiert die Studie eines Kardiologen: Nur 5 von 1000 E-Zigarettennutzern seien vorher Nichtraucher gewesen. Dagegen habe das Dampfen 80 Prozent der Raucher vollständig vom Tabakkonsum abgebracht.
Was aber heißt all das für die moderne Rauchkultur? Was macht diese überhaupt aus, im Film wie im wahren Leben? Wird in Zukunft der muskelgestählte Actionfilmheld zur E-Zigarre greifen, nachdem er die Welt gerettet hat? Teilt sich das Liebespärchen in der romantischen Komödie bald ein Dampfstäbchen im Bett? Rettet die E-Zigarette die Rauchkultur? Diskutieren Sie mit!
Die sonntaz wählt unter den interessantesten Kommentaren einen oder zwei aus und veröffentlicht sie in der taz.am wochenende vom 14./15. Juni 2014. Ihr Statement sollte etwa 900 Zeichen umfassen und mit dem Namen, Alter, einem Foto, einer kurzen Info zu Ihrer Person und der E-Mail-Adresse der Autorin oder des Autors versehen sein. Schicken Sie uns eine Mail an: streit@taz.de.
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