Der sonntaz-Streit: „Völlig inakzeptabel“
Die Politiker Marina Weisband und Volker Beck fordern: Die Fifa muss Russland die Fußball-Weltmeisterschaft wieder wegnehmen.
Die Kämpfe im Osten der Ukraine zwischen prorussischen Separatisten und der ukrainischen Armee gehen weiter. Russland wird beschuldigt, die Separatisten zu unterstützen und damit die Gewalt zu schüren. Auch für den Absturz der Boeing MH17 über ostukrainischem Gebiet machen westliche Medien Russland verantwortlich. Wirtschaftssanktionen sollen Russland jetzt unter Druck setzen.
Darf in einem Land, das eine solche Gewalt in seinem Nachbarland toleriert, ein völkerverbündendes Großereignis wie die Fußball-Weltmeisterschaft stattfinden? Muss die Fifa als Weltfußballverband nicht die humanitären und gesellschaftlichen Zustände im Land der Austragung verantworten können? Sollte sie Russland die Weltmeisterschaft wieder abnehmen?
„Die Fifa könnte ausnahmsweise moralisch handeln und eine symbolische Grenze aufzeigen. Vielleicht fangen russische Bürger dann an, die international isolierende Politik ihrer Regierung zu hinterfragen“, sagt Marina Weisband, die ehemalige Geschäftsführerin der Piratenpartei. Putin könne, wenn er wollte, den Konflikt mit wenigen Worten beilegen.
Auch der innenpolitische Fraktionssprecher der Grünen, Volker Beck, plädiert dafür, bei der Wahl des Austragungsorts der Weltmeisterschaft Menschenrechtsfragen ernster zu nehmen. „Wenn bei der Errichtung von Sport- und Kulturstätten Vertreibungen stattfinden oder Wanderarbeiter wie Sklaven behandelt werden, ist eine rote Linie überschritten“, sagt er. „Völlig inakzeptabel ist eine Durchführung von Weltmeisterschaften in einem Land, das gerade einen Teil seines Nachbarstaates völkerrechtswidrig annektiert hat und in anderen Teilen des Nachbarlandes einen Bürgerkrieg befeuert.“ Lenkt Russland nicht ein, müsse die Fifa Russland die WM entziehen.
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„Als die WM vor vier Jahren an Russland vergeben wurde, hatte die Fifa keine Ausschreibungskriterien, in denen Menschenrechte eine Rolle spielen. Das muss sich nach meiner Auffassung dringend ändern“, sagt Theo Zwanziger, ehemaliger DFB-Präsident und Mitglied im Fifa-Exekutivkomitee. In Zukunft müsse auf die soziale und gesellschaftliche Struktur eines möglichen Ausrichterlandes sehr viel mehr Wert gelegt werden. „Der Sport hat durchaus auch die politische Aufgabe, für Menschenrechte einzutreten und gegen Diskriminierung zu kämpfen“, so Zwanziger. Bevor die Staatengemeinschaft selbst eine überzeugende Sanktionsstrategie entwickelt habe, könne der Sport jedoch nicht eine derart schwerwiegende Sanktion ergreifen. „Der Sport würde damit seine eigene völkerverbindende Kraft relativieren und aufgeben.“
Die Streitfrage in dieser Woche beantworten außerdem die Sängerin Bella Hahn, Marcus Urban, der erste Fußballspieler in Deutschland, der sich als homosexuell geoutet hat, Dorothea Schäfer, Forschungsdirektorin der Finanzmärkte am DIW Berlin sowie Olaf Opitz von der Berliner Band Apparatschik - in der taz am wochenende vom 2./3. August 2014.
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