piwik no script img

■ Der schleswig-holsteinische CDU-Spitzenkandidat Volker Rühe hat beide Ziele verfehlt: Weder ist er neuer Ministerpräsident, noch hat er 37 Prozent erreicht. Trotzdem sieht er sich darin bestärkt, Parteivorsitzender werden zu sollen. War ja klar. Merkel freut sich gequältCDU nicht aus der Rühe zu bringen

Strammen Schrittes, im dunkelblauen Gehrock marschiert die Generalsekretärin vor die Presse: Um die 35 Prozent für ihren Konkurrenten um das Amt des Partivorsitzenden, Volker Rühe, sagen die ersten Hochrechnungen zu den Landtagswahlen. Ein „gutes Ergebnis“ sei das, sagt die CDU-Generalsekretärin. Die CDU habe sich „recht gut behaupten können“ und Volker Rühe sich „prima geschlagen“. Bei diesem Satz greifen Angela Merkels Hände, die auf dem Pult liegen, fast unmerklich ineinander. Es sei im Wesentlichen Rühe zu verdanken, fährt sie fort, dass der durch die CDU-Finanzaffäre hervorgerufene Vertrauensverlust der Wähler in Grenzen gehalten werden konnte. Ganz so leicht scheint Merkel dieser Satz nicht über die Lippen zu kommen.

Mit dem Ergebnis in Kiel ist Rühe weiter im Rennen für das Amt des Parteivorsitzenden. Hätte er deutlich schlechter abgeschnitten, wäre ihr der Parteivorsitz kaum noch zu nehmen gewesen.

Doch die Generalsekretärin lässt sich nichts anmerken, verbreitet Optimismus: „Die Wahl in NRW kann gewonnen werden.“ Denn die CDU sei aus der Talsohle raus und dabei, wieder Tritt zu fassen, kommentiert die christdemokratische Generalsekretärin pflichtgemäß die Lage ihrer Partei. Erst auf die Frage der Journalisten, ob Rühes Chancen auf den Parteivorsitz gestiegen sind, weil er seine bundespolitischen Ambitionen auch von dem Ergebnis in Schleswig-Holstein abhängig gemacht habe, reagiert sie leicht irritiert: „Rühe ist natürlich ein Politiker von bundespolitischem Gewicht“, weicht sie aus. Mit dem Wahlergebnis in Schleswig-Holstein „ist alles so offen, wie es immer war“. Und sie habe es richtig gefunden, dass Rühe im Wahlkampf darauf hingewiesen habe, dass das Ergebnis auch darüber entscheide, welches Gewicht das Bundesland auf Bundesebene haben werde. So hatte Rühe das aber nie gemeint.

Merkel hat sich in der vergangenen Woche nicht aus der Ruhe bringen lassen. Mochte Volker Rühe noch so oft durchblicken lassen, er gedenke nicht als Oppositionsführer in Kiel seine Tage zu fristen. Mochte er sein bundespolitisches Schicksal von seinem Ergebnis in Schleswig-Holstein abhängig machen, Merkel blieb cool. Diese Strategie setzt sie nun fort. Denn Frau Generalsekretärin ist durchaus nicht von geringem Ehrgeiz. Auch wenn Rühe ihr noch so richtig eins mitgab: Es sei die Frage, „ob jemand der zwei Jahre Generalsekretär war, wie ich, oder jemand der acht Jahre Kohls Stellvertreterin war, wie Angela Merkel, näher am System (Kohl) war“. Keine Retourkutsche nur die Warnung einer scheinbar unparteiischen Generalsekretärin vor „Grabenkämpfen“ bei der Nominierung des Parteivorsitzenden waren die Folge. Merkel hat allerdings auch allen Grund, sich entspannt zurückzulehnen. Bei der Basis hat sie eindeutig die besseren Karten: Bei den CDU-Mitgliedern wollen 46 Prozent Merkel als Chefin. Nur 24 Prozent stimmen für Rühe. Offenbar ist die CDU-Basis in Frauenfragen weiter als ihre Funktionäre. Aus Bundesunionskreisen hört man so manche Gemeinheit über Merkel. Aber auch für diese Herren hat das ostdeutsche Pfarrerskind eine Antwort parat: Zwar möge eine Frau als Chefin „gewöhnungsbedürftig“ sein, aber andererseits habe die Partei sie als Generalsekretärin auch akzeptiert. Karin Nink, Berlin

„Das Schwergewicht liegt jetzt auf der Bundespolitik für mich“, kündigte Volker Rühe gut eine Stunde nach Schließung der Wahllokale in Schleswig-Holstein an. In den Ohren mancher seiner Parteifreunde und vor allem Parteifreundinnen dürfte sich das wie eine Drohung anhören. Dabei hat der gescheiterte CDU-Spitzenkandidat vorläufig nur angekündigt, morgen für den Posten des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Union im Bundestag kandidieren zu wollen. Die Entscheidung darüber, ob er seinen Hut auch für das Amt des CDU-Parteichefs in den Ring werfen wird, will er offiziell erst am 20. März bekannt geben.

Es passiert nicht häufig, dass der Machtkampf erst richtig losgeht, nachdem eine Wahl gelaufen ist – genau das aber steht der CDU jetzt bevor. Die Partei sei in Schleswig-Holstein nicht abgestürzt, sondern habe sich behauptet, sagte der nordrhein-westfälische CDU-Politiker Jürgen Rüttgers. Dann fügte er hinzu: „Die Wahl des künftigen Bundesvorsitzenden ist jedoch offen und bleibt offen.“

Was will Rüttgers seinem Rivalen Volker Rühe damit sagen? Ist das Glas für diesen nun halb leer oder halb voll? „Ich habe alles gemacht, was ich tun konnte“, sagte Rühe selbst gestern vormittag, als er gegen elf Uhr im Wahllokal des nordfriesischen Klein-Olversum bei Tönning ankam, um seine Stimme abzugeben. „Alles“ war nicht genug – jedenfalls nicht genug für das Amt des Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein.

Aber politische Beobachter hatten ohnehin kaum je daran gezweifelt, dass Rühe den Weg in die Provinz selbst im Falle eines Wahlsieges nur als Umweg gewählt hatte, um sich für größere bundespolitische Aufgaben zu empfehlen. Vielleicht sogar für die Position des Kanzlerkandidaten der Union. Rühe machte gestern abend deutlich, dass er überhaupt keinen Anlass sieht, in Sack und Asche zu gehen. Er nannte das Ergebnis angesichts der Krise der Partei „eine relative Stabilisierung“ und erklärte: „Darüber bin ich froh.“

Rund zwei Prozent hat die CDU in Schleswig-Holstein gegenüber 1996 eingebüßt. Das ist nun allerdings gewiß kein strahlendes Resultat – aber ist es eine „bittere Niederlage“ und ein „schlimmes Ergebnis“, wie der Landesvorsitzende Peter Kurt Würzbach sofort vor laufenden Kameras analysierte? Bundesweit liegt die CDU Umfragen zufolge inzwischen deutlich unter 30 Prozent. Vor diesem Hintergrund kann Rühe mit einer gewissen Berechtigung behaupten, er habe seine Partei stabilisiert. Die Frage ist nur, wer diese Sichtweise teilen mag.

Die schnelle Reaktion von Würzbach zeigt, dass von jetzt an mit harten Bandagen gekämpft werden wird. Der Landeschef war schwer gekränkt, dass sich für ihn kein Posten im Schattenkabinett von Volker Rühe gefunden hatte. Außerdem missfiel ihm ebenso wie vielen seiner Parteifreunde in Schleswig-Holstein der oft rüde Umgangston und die derbe Art des Spitzenkandidaten, der aus seiner intellektuellen Verachtung für manche Mitstreiter aus der Provinz kein Geheimnis machte.

Heute treffen in Berlin Volker Rühe und Angela Merkel bei der Vorstandssitzung ihrer Partei zusammen. Da möchte man gerne dabei sein.

Bettina Gaus, Kiel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen