: Der runde Tisch wird aufgestellt
■ Solidarnosc und polnische Regierung vereinbaren den 6.Februar als Termin für Verhandlungen über Gewerkschaftspluralismus / Arbeitsgruppen zu Wirtschaft und Politik sollen ebenfalls eingerichtet werden
Warschau (dpa) - Der polnische Arbeiterführer Lech Walesa und eine Delegation der Gewerkschaft Solidarnosc haben sich mit Vertretern der Warschauer Führung darauf geeinigt, in möglichst kurzer Zeit eine Verständigung über Schlüsselfragen der demokratischen Gestaltung des Landes und die Legalisierung der immer noch verbotenen Solidarität zu erreichen. Walesa sagte am Sonnabend vor Journalisten in Warschau, man habe sich für die Verhandlungen am „runden Tisch“, die am 6.Februar beginnen sollen, eine „provisorische Zeitdauer“ von sechs Wochen gesetzt. Er betonte jedoch, daß eine Reihe sehr schwieriger Probleme zu lösen sei und man sich nicht unter Zeitdruck setzen könne.
Man werde in drei Arbeitsgruppen sowie mehreren Fachkreisen an Lösungen zu Wirtschaftsfragen, zur Sozialpolitik, zum politischen und gewerkschaftlichen Pluralismus und zu politischen Reformen arbeiten. Ferner sei abgemacht worden, Themen wie Landwirtschaft, Bergbau, Justizreform, Vereinswesen, Selbstverwaltung, Massenmedien und Jugend in Untergruppen eingehender zu diskutieren. Einen Tag nach dem fast elfstündigen Gespräch mit den Politbüromitgliedern Innenminister Kiszczak und Stanislaw Ciosek meinte Walesa zuversichtlich, man sei dabei, „ein neues Kapitel in der innenpolitischen Entwicklung“ zu eröffnen.
Wichtig sei, Konflikte zu vermeiden und bestehende Probleme auf evolutionärem Wege zu beseitigen. „Wir sind zu einer Verständigung verurteilt“, sagte Walesa. Er hoffe, daß es am „runden Tisch“ gelingen werde, „Monopole im Bereich der Parteien, der Gewerkschaften und der Wirtschaft“ zu zerschlagen. Dieser Monopolismus sei für die Krise verantwortlich.
Walesa betonte, die Legalisierung der Solidarnosc bleibe eine Kernfrage, wobei man den Beschluß des ZK der Arbeiterpartei mit dem Bekenntnis zum Gewerkschaftspluralismus als politische Garantie verstehe. Die Legalisierung der Solidarnosc, die eine „starke und gute Gewerkschaft“ und keine politische Partei sein wolle, werde noch am „runden Tisch“ verhandelt. Man müsse dazu rechtliche, politische und wirtschaftliche Bedingungen schaffen, und die Solidarnosc müsse dies für „sich und andere erreichen“. Walesa sprach von „äußerst schwierigen Tagen“ die auf Polen zukämen, da fast jeder in Polen Grund zu Protesten habe. Den Menschen müsse erklärt werden, daß pluralistische Lösungen sich woanders bewährt hätten und, wenn auch nicht sofort, ebenfalls in der Wirtschaft Fortschritt bringen würden.
Parlamentspräsident Malinowski hat sich am Sonntag dafür ausgesprochen, die im November vorgesehenen Parlamentswahlen vorzuziehen und am „runden Tisch“ den Entwurf einer neuen Wahlordnung auszuarbeiten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen