■ Die Anderen: Der "Standard" aus Wien bemerkt zum Konflikt zwischen der EU und der Türkei / "El Pais" dagegen bescheinigt der Türkei mangelnde politische Reife / "Haaretz" aus Tel Aviv meint, die USA sollten Irans Dialogangebot nutzen
Der „Standard“ aus Wien bemerkt zum Konflikt zwischen der EU und der Türkei: Es gewinnt die Einsicht an Boden, daß der europäischen Diplomatie in den vergangenen Monaten viele Fehler unterlaufen sind. Zum einen habe sich die Union allzu lange von Griechenland dessen obsessiv gegen die Türkei gerichtete Vorbehalte aufzwingen lassen. Zum anderen sei es nicht gelungen, die sehr unterschiedlichen Vorstellungen mehrerer wichtiger EU-Länder im Vorfeld zu bündeln und zu einem einheitlichen Vorgehen zu vereinen. Auch müsse man anerkennen, daß die Türkei sich nicht nur subjektiv isoliert fühle, sondern objektiv eine Zuspitzung von Problemen stattfinde. Die wirtschaftliche Misere der Menschen wachse. Die Türkei grenze sich einerseits von den islamischen Staaten ab, finde aber keinen Ersatz in Europa. Die Kurdenfrage nehme an Dramatik zu statt ab. Das alles könnte durchaus zu einer Explosion führen.
„El Pais“ aus Madrid dagegen bescheinigt der Türkei mangelnde politische Reife: Die Bedingungen der Europäer für den EU-Beitritt der Türkei mögen vielleicht übertrieben sein. Aber zu verlangen, daß es überhaupt keine Bedingungen gibt, zeugt von einem ernsthaften Mangel an politischer Reife. Alle Staaten, die der EU beigetreten waren, mußten bestimmte Kriterien erfüllen. Daß die EU mit der Aufnahme der Türkei keine Eile hat, liegt daran, daß die Türkei von einem Rechtsstaat noch weit entfernt ist. Hinter dem Abbruch des Dialogs steckt auch das Motiv, die Integration Zyperns in die EU zu verhindern und den türkischen Teil der Insel in die Türkei einzugliedern.
„Haaretz“ aus Tel Aviv meint, die USA sollten Irans Dialogangebot nutzen: Chatami konfrontiert die USA mit einem neuen Dilemma: Wie sollen sie auf die versöhnliche Botschaft aus Teheran reagieren? Die USA sind es gewöhnt, Iran als Bedrohung zu sehen. Aber auch in diesem monolithischen Bild gab es Risse. Sie sahen, wie die US-Politik der Bestrafung angesichts des kritischen Dialogs europäischer Staaten mit dem Iran zerbröckelte. Das Vakuum, das die USA hinterließen, wurde von Rußland gefüllt. Aber auch arabische Staaten, darunter Freunde der USA, sind nun zur Versöhnung mit dem Iran bereit. In diese amerikanische Verlegenheit will Israel als anti-iranische Pfeilspitze eindringen. Es kann in der Tat nicht nur Israels Aufgabe sein, sich der strategischen Bedrohung durch den Iran entgegenzustellen. Es braucht einen Bündnispartner, der die Bedrohung abwehren oder neutralisieren kann. Ein möglicher Weg wäre ein Dialog, der zu einer Reihe von Vereinbarungen führen könnte, ähnlich den Abkommen zwischen den USA und der ehemaligen Sowjetunion. Daher muß Israel sich dem amerikanischen Standpunkt anschließen und nicht umgekehrt.
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