KOMMENTAR: Der letzte VEB
■ Die Bewag hat den Stromausfall selbst verschuldet
Die Lampen leuchten wieder. Trotzdem sitzen wir alle schon wieder im dunkeln. Wie auf Bestellung erhebt sich der vielstimmige Chor derjenigen, die behaupten, mit der Stromtrasse durch den Spandauer Forst wäre das alles nicht passiert. Da ist es kein Wunder, daß auf der anderen Seite phantasiebegabte Geister bereits an hochspannenden Verschwörungstheorien stricken: Die Bewag habe den Blackout selbst inszeniert, um den Bau der Leitung durch Spandau zu beschleunigen.
Richtig ist eins: Wie an den meisten Blackouts der letzten Jahre, ist die Bewag auch an diesem Stromausfall zuallererst selber schuld. Schon zweimal blieb in den letzten Jahren Tausenden von Stromkunden der Saft weg, weil die Giganto-Blöcke des ach so modernen Kraftwerks Reuter ausgefallen waren. Hätte die Bewag auf ihre Kritiker gehört und kleinere Kessel montiert, wären die Folgen eines Ausfalls harmlos geblieben. Auch der Kurzschluß vom Mittwoch hätte kaum solch langwierige Folgen gehabt, hätte der Monopolbetrieb Bewag kein zentralistisch gebautes Netz, abhängig von nur einer einzigen Kopplung.
Mit der Stromtrasse jedoch hat der Stromausfall ungefähr soviel zu tun, wie der Osterhase mit dem Eierlegen. Hängt Berlin erst mal an der großen Nabelschnur, dann wird ein Schaden an dieser Trasse uns erst recht alle in Finsternis hüllen. Extreme Verwundbarkeit ist nun mal der Preis zentralistischer Systeme. Nicht zuletzt deshalb redet alle Welt vom Sieg des Wettbewerbs über die Planwirtschaft, vom Ende sozialistischer Zentralplanung. Den VEB Bewag hat man bei der Abwicklung der Monopolwirtschaft leider vergessen. Hans-Martin Tillack
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