Der kommende Polizeipräsident: Gerüchte pflastern seinen Weg
Um Berlins künftigen Polizeichef ranken sich viele Geschichten. Unrühmliches zieht sich durch seine Vita.
Udo Hansen ist noch nicht mal im Amt, einen Spitznamen hat er aber schon weg. Udo von Arabien wird der Mann, der die 22.000 Mitarbeiter zählende Hauptstadtpolizei führen soll, von vielen genannt. Selbst Beamte, die eher Springer-Zeitungen lesen, zitieren genüsslich die taz-Schlagzeile, wenn die Rede auf Hansen kommt.
Um den 58-jährigen früheren Leiter des Grenzschutzpräsidiums Ost ranken sich viele Spekulationen und Gerüchte. Ein mutmaßlich dunkler Fleck in Hansens Vita ist sein Aufenthalt in Saudi-Arabien, einer der schlimmsten Diktaturen der Welt. Hansen war dort als Berater für den europäischen Rüstungskonzern EADS tätig. Es heißt, er habe saudi-arabische Grenzpolizisten ausgebildet. Aufgrund von Umständen, die bisher nicht öffentlich wurden, hatte er den Job nach ein paar Monaten quittiert.
Hansen gehört zu der Sorte Mensch, die in ihrem Leben viel ausprobieren. Er hat Musik studiert, eine Ausbildung zum Kriminalbeamten absolviert. Bei der Bundespolizei hat er - angefangen bei der Polizei-Elitetruppe GSG 9 bis hin zum Dienst im Bundesinnenministerium - viele Stationen durchlaufen. Wenn ihm Attribute angehängt werden, sind es zumeist diese: intelligent, eloquent, eitel, selbstgefällig. Hartnäckig hält sich der Ruf, Hansen sei ein Hardliner.
Fakt ist, dass er 1998 als Chef des Bundesgrenzschutzes auf dem Rhein-Main-Flughafen in Frankfurt dafür gesorgt hatte, dass die Flüchtlingsunterkunft im Transitbereich mit Nato-Stacheldraht, Überwachungskameras und Bewegungsmeldern zu einer Hochsicherheitsanlage ausgebaut wurde. Hansen wollte damit eine Fluchtserie von Asylsuchenden beenden.
Nicht gerade rühmlich sind auch die Umstände, unter denen sich Hansen 2008 von der Bundespolizei in den Vorruhestand verabschiedet hatte. Offiziell waren es gesundheitliche Gründe. Burn-out, lautete die Diagnose. In Wirklichkeit war die Frühpensionierung nach taz-Informationen ein Deal mit dem CDU-Bundesinnenministerium, das ihn bei der Neuorganisation der Bundespolizei nicht befördern wollte. Hansen hat ein SPD-Parteibuch. Versüßt wurde ihm der Abgang mit Beraterverträgen, Fahrer und Dienstwagen.
Er halte Hansen für hochqualifiziert, hatte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) seine Wahl im Sommer verteidigt. Eine andere Erklärung wäre Filz. Oder, anders ausgedrückt, Satisfaktion eines von der Bundes-CDU damals nicht beförderten Genossen.
"Burnout, aber fit genug für die Wüstensonne", witzelte der grüne Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wieland unlängst mit Blick auf die Beratertätigkeit des Kandidaten in Saudi-Arabien. Berlins neuer Polizeipräsident ist schon jetzt ein Running Gag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Scholz fordert mehr Kompetenzen für Behörden