piwik no script img

Der geklonte Sohn im Film "Womb"Der Himmel über der Nordsee

Die Mutter schweigt. Sie sagt ihrem Sohn nicht, dass er ein Klon ist: Benedek Fliegaufs Spielfilm "Womb" möchte ein Märchen aus naher Zukunft sein.

Die französische Darstellerin Eva Green spielt die Mutter in "Womb". Bild: dpa

Problem: Eine Mutter (Eva Green) sagt dem Sohn (Matt Smith) nicht, wer sein Vater ist. Der Grund: "Sie kann nicht reden." Die Folge: "Ich (Pause) weiß (Pause) nicht (Pause), wer (Pause) du (Pause) bist (Pause), Mama (Pause), und (Pause) wer (Pause) ich (Pause) bin."

Lösung: Zum Schluss des Films sagt sie es ihm doch. Zwar nicht in Worten, wohl aber durch Familienfotos. Da reimt der Sohn sich zusammen, was der Zuschauer längst weiß, nämlich dass die Mama ihn geklont hat. Aber ist sie dann noch die Mama? Gekonnt fickt er sie und tschüs.

Sie aber lächelt glücklich in sich hinein, was sie den ganzen Film hindurch nicht gekonnt hat. Jetzt wird die Verlassene ein echtes Baby von ihrem Klon bekommen. Die Wampe (Womb) ist schon da. Sie wird in ihrem Pfahlbau an Schleswig-Holsteins Nordseeküste (Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein) nicht allein bleiben. Die letzte Totale: große Abenddämmerung, kleines Fenster, ein gelbes Licht scheint auf. Hoffnung!

Der ungarische Autor und Regisseur Benedek Fliegauf ("Milky Way") zeigt seinen Kunstwillen (Kooperation mit Arte/ZDF). Das Spiel der Darsteller ist bis zur Erstarrung reduziert ("Weniger ist mehr", Fliegauf). Dadurch regieren - neben träufelnden Worten - stumme Blicke den Film.

Der Fokus liegt auf den schönen Bildern, die Kameramann Péter Szatmári aneinanderreiht. Gern Grautöne, fahles Licht, weite Sicht, Unendlichkeit, ungestört von aufdringlichen Hintergrundgeräuschen, von Filmdialogen, von Musik (ab und an erreichen uns ein paar Klaviertöne). Was dominiert, ist Stille.

So weit, so gut. Arthousewürdig. Aber "Womb" will auch ein Märchen aus naher Zukunft sein. Wenn man eine Person, die man geliebt hat, die aber leider tot ist, mittels DNA als Replikanten gebären kann, dann stellen sich Fragen. Der Film stellt sie, interessiert sich aber nicht dafür. Er begnügt sich mit dem gelben Schlusslicht. Wir erfahren aber doch, dass die jungen Replikanten sozial ausgegrenzt werden. In der Schule wird gemobbt, und zum Geburtstag kommt keiner.

Replikantenfeindlichkeit in Schleswig-Holstein

Unschwer hätte etwas zur grassierenden Replikantenfeindlichkeit in Schleswig-Holstein gesagt werden können. Aber die Protagonisten können ja nichts sagen. Sie können nicht reden. Ausgenommen der geklonte Sohn. Er ist der Einzige im Film, der sich normal verhält. Alle anderen leiden an Verhaltensstörungen. Sie sind sozusagen hochgradig potenzierte Angela-Winkler-Klone.

Tut mir leid. Ich wollte nicht emotional werden. Evtl. ist es nur meine höchstpersönliche Schwierigkeit, damit umzugehen, in dieser perfekten Bilderwelt mit Informationen versorgt zu werden, die unpassende, gar nicht märchenhafte Fragen bei mir auslösen.

Die Mutter also hat den Beruf, Software für Solargeräte zu entwickeln. Sie sitzt im Meeresküsten-Pfahlbau am Computer und widmet sich in unendlicher Einsamkeit anderthalb Jahrzehnte lang ihrem Klonsohn, um ihn nur für sich zu haben. Hallo! Wer ist denn nun sozial desintegriert? Und wer wird es? (Antwort zum Filmschluss: der Sohn macht damit Schluss. Gratulation!)

Und nun zum Schluss meines Textes ein Satz dazu, nach welchem Vorbild der Sohn eigentlich repliziert wurde. Der tote Vater ist's! Und tot ist er, weil er überfahren wurde. Verkehrsunfall. Wo hatte er denn hinwollen? Als Umweltaktivist den Bau eines schleswig-holsteinischen Wellness-Centers-mit-Thai-Prostituierten verhindern!

Neinneinnein, diese Infos stören den Abendhimmel über der Nordsee. "Weniger ist mehr!"

"Womb". Regie: Benedek Fliegauf. Mit Eva Green, Matt Smith u. a. Deutschland, Ungarn, Frankreich 2010, 107 Min.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • D
    Demekian

    Was will diese Rezension mir nun sagen?