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Der erste Burger aus KunstfleischStammzellen-Frikadelle ist fade

Wissenschaftler aus den Niederlanden haben Kunstfleisch gezüchtet. Tierschützer sind begeistert, Experten bleiben skeptisch. Eine Kostprobe.

Zum Reinbeißen - aber beim zweiten Blick wirkt das Kunstfleisch doch ein wenig trocken. Bild: reuters

BERLIN taz | Der Star ist ein runder Fleischfladen: rot, weich, wie Hackfleisch eben. Aber es war kein Hackfleisch, das der niederländische Mediziner Mark Post am Montag einer Schar Journalisten in London vorstellte. Vielmehr präsentierte er den ersten Hamburger aus Kunstfleisch – aus Fleisch, das er in seinem Labor an der Universität Maastricht hergestellt hat. „Frankenfleisch“, wie es manche mit Verweis auf Mary Shelleys berühmten Roman nennen.

Post hat das Fleisch aus Stammzellen gezüchtet, die einem Rind entnommen wurden – „auf eine ungefährliche Art und Weise“, wie der Wissenschaftler erklärte. Stammzellen sind Körperzellen, die sich in verschiedene Zelltypen entwickeln können. Um sie zu vermehren, setzte Post sie in eine Nährlösung, die unter anderem Kalbsserum enthält. Später solle diese künstlich hergestellt werden, also ohne tierische Komponenten, sagt Post.

20.000 Zellstreifen hat er innerhalb von drei Monaten gezüchtet und dann zu dem Fladen gepresst, der am Montag vor den Kameras zahlreicher Medien bei der Präsentation in London lag.

Diese Technik ist in der Fachwelt nichts Neues. Allerdings hat bisher niemand einen regelrechten Hamburger im Labor erzeugt und mithilfe einer PR-Agentur international vermarktet, wie das nun Post getan hat.

Fleischgeschichte

Einen Veggie Day wollen die Grünen nach der Bundestagswahl am 22. September in Kantinen einführen. Ihrer Meinung nach verkonsumiert die Bevölkerung der Bundesrepublik zu viel Fleisch: im vergangenen Jahr 89,2 Kilogramm Fleisch pro Kopf. Am neuen, fleischfreien Tag soll ausschließlich fleischlos und gerne auch vegan gekocht werden, um diesen Verbrauch zu senken – denn zu viel Fleisch gilt heute als ungesund, Tierzucht, -schlachtung und Transport schädigen zudem die Umwelt und das Klima.

Vor 100 Jahren sah das anders aus: Damals war „Fleischnot“ eine der wichtigsten Parolen im SPD-Reichstagswahlkampf. Der Fleischkonsum lag bei 40,9 Kilogramm pro Kopf und Jahr - unter anderem, weil sich nur die oberen Gesellschaftsschichten das teure Nahrungsmittel regelmäßig leisten konnten. Das änderte sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg. 1960 kostete das Kilo Schweinefleisch noch 1,6 Prozent des monatlichen Nettoverdienstes, 2002 waren es nur 0,28 Prozent.

Eine nicht zu unterschätzende Rolle für die Zunahme des Fleischkonsums spielte der Wandel der Medizin. 1870 waren Brot, Hülsenfrüchte und Kartoffeln Hauptnahrungsmittel in Deutschland - und die meisten Ärzte predigten, dass die Leute mehr Fleisch essen sollten. Vom Verzehr von rohem Obst und Gemüse rieten die Doktoren ab, denn Vitamine und ihre Bedeutung waren unbekannt. Daher verzehrte man Pflanzliches vor allem getrocknet – bis die gesundheitsfördernde Wirkung von Vitaminen Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckt wurde. (rr)

Burger kostet 250.000 Euro

Doch warum der ganze Aufwand? „Für die Umwelt und die Tiere“, antwortet der Erfinder. Tatsächlich sind Rinder sehr ineffizient bei der Fleischproduktion. Sie brauchten 100 Gramm pflanzlicher Proteine, um 15 Gramm essbare tierische Proteine zu erzeugen. Nach ersten Ergebnissen reduziert Posts Laborfleisch den Verbrauch von Land und Wasser um 90 Prozent – und den Energieaufwand um 70.

„Zudem müssen wir keine Tiere töten“, so Post in der Zeitung Guardian. Er verspricht also, dass das Kunstfleisch weniger Treibhausgase freisetzt als Fleisch aus der Tierhaltung. Immerhin 5 Prozent der Kohlendioxidemissionen und 40 Prozent des noch klimaschädlicheren Methanausstoßes werden durch Tierhaltung verursacht.

Allerdings gibt es noch viele Probleme bei der Produktion – zuallererst die Kosten: 250.000 Euro hat die Herstellung des Proto-Kunstfleischburgers gekostet – gezahlt hat übrigens Sergey Brin, einer der Gründer der Internetsuchmaschine Google. Doch Post zeigt sich zuversichtlich, dass der Preis bei Massenproduktion bald auf 53 Euro pro Kilogramm sinken könnte. „Das ist ein vernünftiger Preis“, so der Erfinder bei der Pressekonferenz. Das wäre aber noch immer viel teurer als konventionelles Fleisch. Ein herkömmliches Steak etwa kostet 30 Euro pro Kilogramm.

Auch der Geschmack des Kunstburgers muss offenbar noch besser werden. Eine von Posts Gruppe bezahlte Testerin ließ sich bei der Präsentation zu der Aussage hinreißen: „Es kommt Fleisch nahe, es ist nicht so saftig.“ Ein weiterer Tester sagte, es fehle Fett. Tatsächlich besteht der erste Kunstburger nur aus Protein, Fett – ein wichtiger Geschmacksträger – fehlt bisher völlig. Post will es in Kürze ebenfalls im Labor nachbauen.

Experte: „Leute werden nicht auf Fleisch verzichten“

Auf die Frage, ob Kunstfleisch nicht gesundheitsschädlich sei, antwortete Post ziemlich knapp: Es sei „genauso sicher wie normales Fleisch“ – denn schließlich bestehe sein Produkt ja auch aus demselben Gewebe.

Bei vielen Tierschützern rennt der Niederländer mit seinem Projekt offene Türen ein. Die Tierrechtsorganisation Peta hat bereits 2008 ein Preisgeld von einer Million Dollar ausgesetzt für den Erfinder von Kunstfleisch, das genauso schmeckt wie echtes Fleisch und im großen Stil verkauft wird. Dass auch für das Laborprodukt Tieren Zellen entnommen werden müssen, hält Edmund Haferbeck, wissenschaftlicher Berater der Organisation, für einen nötigen Kompromiss. „Das Verfahren würde viel Tierleid sparen. Wenn die Technik so weit ist, müssen dafür keine Tiere sterben.“

Zahlreiche Experten sehen die Kunstfleischidee aber skeptisch. „Sie werden immer irgendwie Beigeschmäcke haben, die der Verbraucher ablehnt“, sagt Fleischexperte Fredi Schwägele vom bundeseigenen Max-Rubner-Institut für Ernährung und Lebensmittel. Grund seien die Nährmedien der Zellen. Schwägeles Fazit: „Die Leute, die bisher Fleisch gegessen haben, werden darauf nicht verzichten wollen.“

Auch Armin Valet, Lebensmittelexperte der Verbraucherzentrale Hamburg, sieht „überhaupt keine Akzeptanz bei den Verbrauchern in den nächsten 50 Jahren.“ Nach Lebensmittelrecht dürfte das Produkt auch gar nicht Fleisch genannt werden, weil es nicht von geschlachteten Tieren stamme. „Das ist ein völliges Kunstprodukt. Das hat nichts mehr mit Natürlichkeit zu tun.“

In der EU müsste es als neuartiges Lebensmittel zugelassen werden. Und dazu müsste bewiesen werden, dass es tatsächlich nicht die Gesundheit gefährdet.

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13 Kommentare

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  • CL
    Cherry Lohan

    Die Retorten-Frikadelle schmeckt nicht ? Macht nichts, die Wurst schmeckt auch nicht. Das ist mit vielen Gewürzen leicht zu ändern.

     

     

     

    Für Ottonormalfleischesser ist das Kunstfleisch gut genug, Hauptsache er muss sich nicht gross umgewöhnen.

  • V
    Veggie2.0

    Um mal was klar zu stellen:

     

    Aus dem Factsheet (http://www.maastrichtuniversity.nl/web/Main/Research1/ResearchUM/FirsteverPublicTastingOfLabgrownCulturedBeefBurger.htm)

     

    kann man entnehmen, wenn man sich die Mühe macht das zu lesen und schonmal darüber nachgedacht hat was FBS bzw das hier verwendete FCS (Fetal Calf Serum) ist, nämlich das aus Föten gewonnenes Nährmedien mit den für die Zellkultur nötigen Wachstumsfaktoren ohne die insbesondere im Bezug auf die Kultur von Stammzellen garnix geht (sonst würde der Bürger nämlich wenn überhaupt herstellbar nochmal deutlich mehr kosten), dass die Geschichte mit Tierschutz oder "Ethik" nichts zu tun hat, wohl eher mit Profilierungssüchten und medialer Verarsche. Denn die begeisterten Tierschützer und weltverbessernden Biologen sollten mal fragen woher denn das fetale Kälberserum kommt, Wikipedia hilft hier mehr weitert als die nichts blickende Presse.

     

    http://de.wikipedia.org/wiki/Fetales_K%C3%A4lberserum

  • P
    Pfanni

    Ihr Reichs-Bedenkenträger, die als „Experten“ daherkommt, euch gebe ich zu bedenken:

     

    Ihr hättet wahrscheinlich genauso über die erste Margarine gemeckert, die einst Hippolyte Mège-Mouriès im Auftrag von Napoleon III. erfunden hat: „Schmeckt nicht“, „Zu teuer“, „Will keiner“!

     

    Bei all den Einwänden, was dieses neue Produkt NICHT ist/kann/hat, sollte man doch besser sagen: NOCH nicht!

     

    Am Ende wird dieses „Kunstfleisch“ sicher nicht das „echte“ Fleisch ersetzen, aber es kann den Fleischbedarf verringern, der sich bald auch mit rücksichtslosester Massentierhaltung nicht mehr steigern lässt!

     

    Und wenn dann noch die „Nano-Köche“ darauf einsteigen, werden die ersten Gourmet-Gerichte nicht lange auf sich warten lassen!

     

    Man sollte froh sein, wenn sich jemand Gedanken macht, wie man mehr und immer mehr Milliarden Menschen ernähren kann!

  • T
    Tierkiller

    "Experten bleiben skeptisch"

     

     

     

    WAS bitte ist das für ein Teil der Unterüberschrift? Ist das aus dem Frühstücksfernsehen, oder was? Die einzigen Experten hier, sind die Wissenschaftler die das Fleisch erfunden haben.

     

     

     

    Die anderen Experten sind leider irrellevant, besonders bei den Horden ovn Besoffenen, die jede Nacht die Fastfoodlokale stürmen, und die es bestimmt stört: "Oh, das Fleisch ist aber etwas fade... komm, reich mir bitte noch etwas Bio-Ketchup."

     

     

     

    Mann, mann, nicht zum aushalten.

  • J
    John

    Sehr schön, das ist der erste Schritt Richtung Tierschutz und Umweltfreundlichkeit. Sollte es in den nächsten Jahren tatsächlich möglich sein, Fleisch aus der Retorte zu schaffen (für alle), dann können wir 95 % aller Tierherden auf diesem Planeten ausrotten, da wir sie nicht mehr brauchen. Dann müssen wir anschließend keine mehr töten und die Umwelt ist auch gerettet, da der Treibhauseffekt reduziert wird.

  • Kunstfleisch aus Stammzellen hat dann aber auch die Zusammensetzung von Fleisch. Die medizinischen Nachteile des Fleischkonsums werden dadurch nicht bekämpft.

     

     

     

    Und für 1 kg natürliches Fleisch werden 10 kg Pflanzen konsumiert. Ist der Nährstoffverbrauch des Kunstfleisches denn niedriger udn die Ökobilanz so besser?

     

     

     

    Ethisch freilich schon ein gewisser Vorteil, weil da keine Tiere mehr vor dem Verzehr grausam geschlachtet werden. Aus Kosteneinsparungsgründen werden die ja oft sogar so unzureichend betäubt, dass sie noch lebend ausgenommen werden.

  • S
    Schandmaul

    Der negative Tenor des Artikels ist wirklich schade.

     

     

     

    Ich esse gerne Fleisch und würde sofort umsteigen, wenn die "künstliche" Alternative bezahlbar wäre.

     

     

     

    Wir stehen am Anfang einer vielversprechenden Entwicklung.

  • Liebe taz,

     

    auch hier fehlen mir wieder wichtige Fakten:

     

     

     

    Ihr schreibt ja, dass für die "Züchtung" des Kunstfleisches trotzdem tierische Zellen benötigt werden. Jetzt stellt sich mir die Frage, wie viele Tiere man benötigt, um theoretisch den aktuellen Fleischkomsum in Deutschland mit dieser Methode zu decken. Denn Wasser und Futter brauchen die Tiere ja so oder so, egal ob man sie schlachtet oder ihnen nur Zellen entnimmt.

     

     

     

    Ansich sicherlich eine interessante Methode zur Deckung des zunehmenden Nahrungsmittelbedarfs in den kommenden Jahrzehnten, allerdings kurzfristig sicherlich keine Lösung auf grund Preis und Akzeptanz. Die meisten Fleischkonsumenten werden nicht eher auf dieses Kunstfleisch umsteigen, bevor sein Preis nicht unter den von "echtem" Fleisch gefallen ist. Allerdings bietet dieser Aspekt auch einen Grund sich über die Preise von Fleisch Gedanken zu machen.

  • K
    Kothen

    Besser eine Frikadelle von Dr. Frankenstein, als Bulletten von Folterknechten und Henkern.

     

    By the way, wieso entwickelt nicht die Lebensmittel Industrie mehr leckere Snacks aus Pflanzen?

     

    Auf'm Brot liegt doch meist nur Wurst und Käse, und wenns aus Pflanze ist, ist es teurer.

  • P
    PeterWolf

    Ist für die Katz!

  • SH
    Sebastian H.

    Immer die Bedenkenträger und Lobbyisten am Ende. Ich esse Fleisch und würde sofort umsteigen, wenn es geschmacklich nahe ran kommt und nicht mehr als zwei bis drei Mal so viel wie Fleisch von geschlachteten Tieren kostet. Wäre mir dann auch egal, wie es heisst.

    • @Sebastian H.:

      Dann werd doch Vegetarier!

       

      Es gibt einige Fleischersatzürodukte auf Weizen- und Tofubasis. Beides kommt dem Geschmack von Fleisch äußerst nahe. Es kostet nicht einmal das Doppelte von regulärem Fleisch.

       

      Außerdem ist es gesünder, da es weniger Fett und kein Cholesterin enthält.

       

      So, viel Spaß beim Umsteigen!

       

       

       

      Zum Artikel:

       

      Ich halte das für eine interessante Idee. Sollte es möglich sein vollständig auf tierische Zellen zur Produktion zu verzichten und der Geschack irgendwann identisch sein, kann ich mir gut vorstellen, dass es irgendwann die Massentierhaltung ersetzen muss! Denn irgendwann gehen unsere Regenwälder zu neige, die als Weideflächen dienen...

  • H
    horst

    na, haben jetzt vielelicht einige veggies kapiert was sie tun, wenn sie missionieren wollen? den teufel mit belzebub austreiben, nichts anderes.

     

     

     

    anstatt mehr biofleisch nachzufragen und damit die bauern zum umstieg zu bewegen werden jetzt frankenburger hergestellt. super.

     

     

     

    wenn das so weitergeht zieh ich mir meine schnitzel und steaks auch selbst. bei hühnern bn ich schon dabei, da vertraue ich nur dem eigenen stall (gartenschuppen).