piwik no script img

■ VorschlagDer deutsche „Rheinphall“ und „das deutsche Ding“ – eine Lesung

Mit dem deutschen Ding ist das so ein Ding. Aber keines der Unmöglichkeit. Das fand vor sechs Jahren auch Frank Willmann, Dichter aus Berlin und Weimar sowie Mitinszenierer der Lesereihe „Sklavenmarkt“ im Prater. Gut Ding will Weile haben, und deshalb ist sein Lyrikband „das deutsche ding“ erst jetzt fertig geworden. Neben Bert Papenfuß, der seine jüngst erschienenen balladesken Ideen zum „kontemplationslager SBZ“ performieren wird, liest Willmann heute abend aus seinem monumentalen Zyklus von 50 Gedichten rund ums Thema Peenemünde. Er ist nicht der erste, den jene Geschichte der berühmten Nazi-Raketenversuchsanstalt literarisch interessiert. Doch ist er wohl der erste, der darüber Gedichte schreibt, wie dort die „Wunder“- und „Vergeltungswaffen“ V1 und V2 gebaut und erprobt wurden, wie mehr als 6.000 davon in England einschlugen, „wie aufgenietet“. Wie die Briten in einer Nacht Peenemünde bombardierten, die wichtigsten Einrichtungen aber verschont blieben und unter den 735 Toten hauptsächlich russische Zwangsarbeiter waren. Und wie nach Kriegsende die Wissenschaftler, darunter Peenemünde-Chef Wernher von Braun, in den USA zwecks Weltraumraketenproduktion „weiterverwendet“ wurden.

Ein schwieriges Unterfangen also. Willmann holt weit aus: Moral, Religion, die faschistische Todessehnsucht, Krieg und die deutsche Scham über den „Rheinphall“, Männerträume von einerseits Blut oder andererseits Maschinensex sind hier in solch komplexe Dichte gepreßt, daß man lange meißeln muß, um an Subtilitäten heranzukommen: „jenes sechsfach verzärtelte kosmopolitische Intelligenzchaos“. Dann aber erschließt sich ein Meer von Zusammenhängen, Metaphern brechen nach allen Seiten auf und wecken detektivische Ambitionen. Ein „Mordsspaß“ und Grund genug, sich heute abend in die museumsakademie zu begeben, wo zur Zeit Arbeiten von Daniele Buetti ausgestellt sind! Dieser hat nämlich „das deutsche ding“ mit gescannten Hochglanz-Fußball-EM-96-Fotos illustriert. Mit „unseren deutschen Helden“ drauf, die sich sichtlich über ihren Sieg über die Engländer freuen. Susanne Messmer

Heute, 21 Uhr, museumsakademie, Rosenthaler Straße 39. „das deutsche ding“ gibt's bei BasisDruck, Schliemannstraße 23

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen