Der andere Rechercheverbund: Hallo, wir sind auch da
„Buzzfeed“-Deutschland will sich mit seriösen Recherchen einen Namen machen. Dafür sollen zwei Personalien und eine Allianz mit „Correctiv“ sorgen.
Es sind nur knapp 140 Zeichen, die Daniel Drepper vor einem Monat rausgehauen hat – und doch beschreibt sein Tweet ziemlich gut, wie mühsam sein Geschäft bisweilen ist: „Guten Morgen, Reuters! Haben euch das gestern geschickt. Warum habt ihr entschieden, uns nicht zu erwähnen?“
Drepper leitet den deutschen Ableger von Buzzfeed. Die Redaktion hatte kurz vor der Bundestagswahl das Video im Netz entdeckt, in dem Alexander Gauland erklärt, man dürfe stolz sein auf „die Leistungen deutscher Soldaten“ in den Weltkriegen. Buzzfeed hatte andere auf die eigene Geschichte hingewiesen, Reuters wiederum berichtet, aber nur in einer deutschsprachigen Meldung wird Buzzfeed als Quelle genannt, nicht in den USA.
„Wir sind noch nicht so bekannt wie Spiegel oder Zeit“, sagt Drepper. Der deutsche Ableger ist überhaupt erst vor zwei Jahren in Berlin an den Start gegangen – zunächst als reines Spaßportal für den „Buzz“, wie Geschichten mit Überschriften wie „Diese Pedalen-Achterbahn in Japan ist IRRE“ im Hausjargon heißen. Drepper ist im April angetreten, um das zu ändern: Er soll mit eigenen Recherchen für Gesprächsstoff sorgen. „Da finde ich es auch okay, Kollegen anzutwittern und zu sagen 'Hey Leute, nennt uns wenigstens vernünftig, wenn ihr unsere Geschichten verwendet’“, sagt er.
Im vergangenen halben Jahr hat Drepper dafür ein eigenes News-Team aufgebaut, mit einer klaren Strategie: Drepper setzt auf Themen, die andernorts „nicht so wichtig genommen werden, wie sie es unserer Meinung nach sollten“.
Eine Reporterin kümmert sich dafür speziell um LGBT und Feminismus, eine andere ist „Reporterin Politik und sexualisierte Gewalt“, ein dritter entlarvt wiederum systematisch Fake-News. Für Aufsehen sorgte – neben Drepper selbst – vor allem eine Personalie: Marcus Engert. Er verließ für Buzzfeed das Onlineradio Detektor.fm, das er immerhin acht Jahre als Kogründer mit aufgebaut hatte. Auch Drepper hatte vor Buzzfeed ein journalistisches Start-up mit aufgebaut: das gemeinnützige Recherchebüro Correctiv.
Als Engert im Frühjahr zu Buzzfeed kam, begann er zunächst damit, nach den G20-Protesten aufwändig zusammenzutragen, was bei der Polizei schieflief. Seine Geschichten machten die Runde. Nun kündigt er an: „Neue Ermittlungsmethoden bei der Polizei sind etwas, was wir uns genauer angucken wollen – ergebnisoffen.“
Spaß und News zusammen
Als Außenstehender fragt man sich unterdessen, ob sich investigative JournalistInnen überhaupt wohlfühlen in einem Umfeld, das vor allem vom „Buzz“ geprägt ist? „Kein Mensch da draußen ist eine Nachrichtenmaschine“, sagt Engert, für den etwaige Empörung über Katzenvideos verlogen ist. „Jeder, der abends alleine auf dem Sofa sitzt, klickt sich durch irgendwelches Entertainment.“
Während sich Online-Ableger alteingesessener Medien mit diesem Stoff oft schwer tun und auch dafür lieber eine völlig neue Marke wie Bento (Spiegel) oder Ze.tt (Zeit) kreieren, gehört das Miteinander von Spaß und Seriosität bei Buzzfeed zum Programm. So sprach etwa Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) mit Buzzfeed nicht nur über Donald Trump und die Türkei. Er ließ auch auf dem Tisch einen Fidget Spinner drehen.
Bei Drepper und Engert dreht sich wiederum alles vor allem um eines: Aufmerksamkeit. Neben Nörgel-Tweets an andere JournalistInnen, die sie nicht sauber zitieren, setzen die beiden dafür auf Kooperationen. Im Wahlkampf hat Buzzfeed begonnen, auf Facebook politische Anzeigen zu analysieren – gemeinsam mit t-online, das nach Jahren der Zurückhaltung gerade zu einer Art Spiegel-Online-Klon ausgebaut wird.
Ganz pragmatisch: Im Zweifel mit jedem
Gleichzeitig arbeiten Drepper und Engert an einer Recherche, die sie vor Monaten angeschoben haben – vor ihrem Wechsel zu Buzzfeed. „Das wird eine Geschichte sein, die wir noch gemeinsam mit Correctiv und Detektor abschließen“, erklärt Drepper.
Passenderweise pendelt Engert vorerst zwischen der Detektor-Stadt Leipzig und dem Buzzfeed-Standort Berlin. Drepper wiederum muss von seinem neuen Büro nur 600 Meter zu Fuß gehen, um seine alten Freunde bei Correctiv wiederzusehen. Er sagt dann auch: „Es gibt auf jeden Fall Überlegungen, ob wir nicht noch weitere Sachen zusammen machen sollen.“ Journalistisch passe die Zusammenarbeit jedenfalls „sehr gut“.
Entsteht da eine Allianz der neuen journalistischen Portale? Drepper und Engert schließen das nicht aus. Sie sind da ganz pragmatisch: Im Zweifel machen sie es mit jedem.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!