Der aktuelle Medienhype: Gewalt in U-Bahnen
Nach dem Angriff auf einen Rentner in München wird über fast jeden Vorfall in einer deutschen U-Bahn berichtet. Dabei kommt Gewalt in der U-Bahn eher selten vor. Die Zahl der Vorfälle stagniert.
BERLIN taz Schon der dritte Angriff in München, ein Vorfall in Berlin, Stress am Gelsenkirchener Bahnhof. "Wieder brutale Tritte", "Prügel-Attacke", steht in den Zeitungen. Wer U-Bahn fährt, liegt praktisch schon im Krankenhaus. Politiker und Bundesregierung diskutieren über eine Verschärfung des Jugendstrafrechts, über "Warnschussarrest" und Erziehungslager. Fragt man bei Verkehrsbetrieben nach, ergibt sich ein anderes Bild.
In der Münchner U-Bahn kommt es zwar rein rechnerisch jeden zweiten Tag zu einem Gewaltdelikt. Damit ist die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Angriffs zu werden, aber mit 1 zu 1,9 Millionen verschwindend gering. Obwohl die öffentliche Wahrnehmung derzeit anders ist. Denn überregionale Medien berichten, nach einer besonders brutalen Attacke zweier Jugendlicher auf einen Rentner vor Weihnachten, nun eifrig über jeden noch so kleinen Vorfall.
Bis zum September hat die Polizei 141 Gewaltdelikte in der Münchner U-Bahn gezählt, im Jahr 2006 waren es ingesamt 192. Angesichts der reißerischen Berichterstattung wiegeln die Münchner Verkehrsbetriebe ab: Das Risiko, in ihrer U-Bahn Opfer einer Gewalttat zu werden, sei nicht höher als außerhalb.
Die Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main zählte 2007 84 Schlägereien in der U-Bahn. Keiner dieser Fälle habe nur annähernd die Ausmaße wie der vorweihnachtliche Gewaltexzess in München, betonte ein Sprecher.
Die Kölner blieben 2007 geradezu verschont von Übergriffen in der U-Bahn. Rund ein Dutzend Schlägerein mit Körperverletzung sind den Verkehrsbetrieben bekannt - die sich im wesentlichen bei großen Veranstaltungen ereignet hätten, etwa bei Fußballspielen. Zwischen gefühlter und tatsächlicher Sicherheit der Fahrgäste gebe es einen großen Unterschied.
In Hamburg wurden im vergangenen Jahr 195 Gewaltdelikte in der U-Bahn bei der Polizei zur Anzeige gebracht. Im Vergleich zu den Vorjahren keine große Überraschung, die Zahl stagniert.
Gewalt in der U-Bahn kommt vor, die Fallzahlen sind aber gering. Zusätzlich schützen die Verkehrsbetriebe ihre Fahrgäste mit mehr Kameras und Sicherheitspersonal. In Köln wurden in den letzten Jahren 50 Servicemitarbeiter eingestellt, in München das Personal der U-Bahnwache um 20 Prozent aufgestockt.
Unterdessen forderte der Münchner CSU-Oberbürgermeisterkandidat Josef Schmid, mehr Wachleute für die U-Bahn, auch private Sicherheitsdienste seien denkbar. Diese Forderung irritiert die Münchner Verkehrsgesellschaft. Seit zwei Jahrzehnten wird auf den Einsatz von "Schwarzen Sheriffs" verzichtet. Die Fahrgäste hätten sich unsicher gefühlt.
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