Der Wochenendkrimi: Ein Seiltanz zum Wahnsinn
Der Dortmunder Tatort-Kommissiar Faber ist der gestörteste alle Kommissare. Auch im neuen Fall kämpft er vor allem mit seinen eigenen Dämonen.
Die Handbremse des Wagens drückt sich Kommissarin Böhnisch (Anna Schudt) schmerzhaft in den Rücken, quer über dem Beifahrersitz liegt sie, auf ihr Ko-Ermittler Peter Faber (Jörg Hartmann): „Ich vergewaltige Sie!“ Das Ganze ist nur ein Rollenspiel, klar: sie das Opfer, er der Täter. Und doch: Da ist dieser flüchtige Moment der Unsicherheit in Böhnischs Augen, die spiegeln, was dem Zuschauer gerade durch den Kopf geht: Ist es tatsächlich noch ein Spiel?
Schmal ist der Grat zwischen Genie und Wahnsinn, auf dem Kommissar Peter Faber auch im dritten Dortmunder Fall (Regie: Andreas Herzog, Buch: Jürgen Werner) wandelt, von allen gestörten „Tatort“-Kommissaren ist er wohl der gestörteste. Und Jörg Hartmann spielt das gut, unheimlich gut: Oft weiß man nicht, ob der Mann da eigentlich gerade mit seinem Fall oder doch mit seinen inneren Dämonen kämpft. Wahrscheinlich weiß er es selbst nicht.
Man erinnert sich: Im letzten Fall, vor einem Jahr, hatte Faber in einem Anfall von Raserei seinen Schreibtisch zertrümmert, jemand hatte ihm Bilder seiner Frau und Tochter auf selbigen gelegt – fotografiert im Unfallwagen, in dem sie starben. War es der unbekannte Unfallfahrer, war es Mord? „Jemand will mich kaputt machen“, weiß Faber.
Und so geht es in „Eine andere Welt“ eigentlich um zwei Fälle: den Mord an Nadine (Antonia Lingemann), die vergewaltigt und tot im Kanal schwimmt, und um Fabers ganz persönliche Tragödie. Dass seine Geschichte das eigentliche Thema – Arbeiterkind Nadine zerreißt es, mitunter ein wenig überzeichnet, zwischen ihrer Herkunft und ihren Schnöselfreunden vom Gymnasium – dabei nicht an die Wand spielt, ist auch so ein Balanceakt.
Der Seiltanz gelingt. Auch weil die Erzählstränge nicht konkurrieren müssen: Indem Faber den Mord an Nadine rekonstruiert, kommt er auch der Lösung seines eigenen Falls näher. Dem Wahnsinn allerdings auch.
Leser*innenkommentare
Philippe Ressing
Gast
Das Bemerkenswerte an dem Dortmund-Tatort sind die Geschwindigkeit und seine knappen. krachenden Dialoge. Drehbuch und Besetzung sind stimmig. Endlich gelingt der ARD das, was einst das ZDF mit dem - leider nicht fortgesetzten - Kriminaldauerdienst" vorgemacht hat. Tempo und neue Perspektiven - von Kamera bis Dramaturgie. Bleibt zu hoffen, das weder ein WDR-Hierarch noch ein redaktioneller Bedenkenträger das Konzept künftig verwässert. Weiter so!
reblek
Gast
"Zwischen Genie und Wahnsinn: Dortmunds Tatort-Kommissar Peter Faber (Jörg Hartmann)." - Wohl eher bloß Unsinn. Wo gibt es jemanden, der als Vorgesetzter in eine neue Firma oder eine Dependance in einer anderen Stadt kommt und es nicht einmal für nötig befindet, "Guten Tag" zu sagen und sich vorzustellen? Und von da an ging es nur noch aufwärts mit dem Unsinn.