: Der Weisheit letzter Schluss
PUA Filz am Ende: Alle sind klüger, ohne das sozialdemokratische Objekt der Begierde gesichtet zu haben ■ Von Sven-Michael Veit
Filz ist ein besonderer Stoff. Er schluckt Tritte, er dämpft Geräusche, und in dieser Stadt ist er vornehmlich von roter Farbe. Und er ist – dennoch oder gerade deswegen – leicht zu übersehen. Im Abschluss-bericht des Parlamentarischen Untersuchungsaussschusses (PUA) Filz, der gestern Abend im Rathaus auf der teilweise turbulenten 60sten und letzten Sitzung verabschiedet wurde, steht davon kein Wort.
„Wir haben keinen Filz festgestellt“, behauptet der sozialdemokratische Ausschussvorsitzende Günter Frank. Wenn „informelle Strukturen transparente Verfahren ersetzen, dann ist das Filz“, widerspricht Dorothee Freudenberg, Obfrau der GAL im Gremium. Der SPD-Filz liegt „wie Mehltau über dieser Stadt“, polemisiert CDU-Fraktionschef Ole von Beust, und SPD-Bürgermeister Ortwin Runde sei dessen „Pate“.
Mehr als 260 Stunden lang tagte der PUA in zweieinhalb Jahren, um etwa 5000 Akten auszuwerten und 50 Zeugen zu befragen. Das Ergebnis ist ein Bericht von rund 2000 Seiten Stärke, der in der Fülle der Details ertrinkt. In der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS), die im Mittelpunkt der Untersuchung steht, hat es im vergangenen Jahrzehnt unzählige Mängel und Defizite im Verwaltungshandeln gegeben. Die Aktenführung war chaotisch, Gutachten wurden nach Gutdünken vergeben, Stiftungen und Zuwendungen kaum oder gar nicht kontrolliert. Soweit herrscht bei SPD, GAL, CDU und Regenbogen im Gremium Konsens.
Alles andere ist strittig und verläuft, so die Kontrahenten über den jeweils anderen, „nach dem Prinzip: Leugne die Wahrheit und denunziere den Gegner.“ Für die SPD ist demnach erwiesen, dass von Parteibuchwirtschaft keine Rede sein kann. Der grüne Koalitionspartner sieht das „zwar differenzierter“, will sich aber nicht „mit Begrifflichkeiten“ aufhalten. Und die Union verheddert sich in oppositionellem Übereifer gelegentlich in den Fallstricken, die sie selbst auslegte, um Spitzen-Sozis wie Senatsschef und Ex-BAGS-Senator Runde ins Stolpern zu bringen.
Trotz alledem finden alle, dass sich der PUA, wie Freudenberg es formuliert, „gelohnt hat“. Wichtig sei nun, aus dem Berg an Daten, Fakten und Erkenntnissen für die Zukunft die richtigen Folgerungen zu ziehen. Und deshalb hat die rot-grüne Mehrheit ein siebenseitiges Konsequenz-Papier in den Endbericht hineingeschrieben, das es umzusetzen gilt.
Neben einer Stärkung des Parlaments als Kontrollorgan derBehörden enthält es Punkte wie ein verbessertes Akteneinsichtsrecht, verbindliches Controlling in allen Hamburger Behörden, erweiterte Rechte von Wirtschaftsprüfern oder die Befristung der Stellen leitender Beamter.
Die zweieinhalb Jahre im PUA, das ist wieder Konsens, „haben uns alle klüger gemacht“. Wie lange die fraktionsübergreifende Weisheit anhält und wohin sie führt, steht auf einem anderen Blatt. Jedenfalls nicht auf einem der 2000 Blätter des Abschlussberichts.
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