Der Weg zum Neuen Öko: Öko macht echt glücklich
Die Entwicklung zum bewussten Konsumenten mündet in einen Lebensstil des verantwortungsbewussten Konsumbürgers. Engagiert materialistisch: Das ist eine zeitgemäße Definition von links.
Und du willst Öko sein?"
Meine Frau.
1. Ökostrom und Ökostrompartys
2. Moderne Autos, die weniger als
5 Liter/100km verbrauchen
3. Hermann Scheer und ein Programm für die sofortige Energiewende
4. Leonardo DiCaprios Ökoengagement
5. Energieeffizienter Kühlschrank (Energieklasse A++) in Edelstahlausführung
6. Wannenbäder ohne Schuldgefühle auf Grundlage des Wissens, was wirklich wichtig ist
7. Solarstadien
8. Kompetenz in der Energiefrage
9. Hans-Josef Fell und sein emissionsfreies Leben
10. Heiteres Aushalten aller objektiven Widersprüche und Handeln
So was sagt sie öfter.
Sie meint es nicht so.
Hoffe ich.
Dennoch fühle ich mich ansatzweise beleidigt.
"Na hör mal! Wir reden ständig über dieses Zeug." Sie nickt. Sagt aber nichts.
"Ich meine: energetische Modernisierung! So was spreche ich inzwischen nicht nur so selbstverständlich aus wie 'Paradigmenwechsel'; ich weiß sogar, was es heißt." - "Wenn überhaupt einer, dann bin ich hier der Öko, denn ich fahre immer mit dem Fahrrad. Du redest nur davon." Es gebe bei mir die berühmte Diskrepanz zwischen dem Bewusstsein und dem Sein. "Was für ein Sein?" - "Das Dauernd-mit-dem-Auto-Unterwegssein."
Kurz darauf sagte mir ein Freund, er erwähne mich jetzt immer in seinen Vorträgen zur Nachhaltigkeit. "Ach wirklich?", fragte ich geschmeichelt. "Ja, als Beispiel für Leute, die so stolz auf ihre Energiesparlampen sind, dass sie in allen Zimmern das Licht brennen lassen." Gut, Freundschaften sind temporäre Erscheinungen. Sie kommen und gehen. Unlängst aber saß ich mit ein paar jüngeren Menschen zusammen, mit denen ich mich wohlfühle. Und einer bemerkte scheinbar en passant, Himmler sei "ja auch ein Öko gewesen". Ich sagte: "Und Sokrates nicht zu vergessen." Den kannten sie nicht. Leute!
Es stimmt, dass ich die Kinder morgens immer noch nicht mit dem Fahrrad zur Schule bringe und auch nicht mit der U-Bahn. Und die Lichter haben bei uns auch schon früher in allen Räumen gebrannt, das machen wir nicht erst, seit wir Ökostrom haben. Dass Himmler mal frei laufende Hühner gezüchtet hat, da können doch die Hühner nichts dafür. Also bitte. Und trotzdem hilft es nichts: Ich bin ein Neuer Öko.
Ich kam damals aus einem kalifornischen Kino. Hatte gerade Al Gores Klimafilm "An Inconvenient Truth" gesehen. Ich weiß noch, wie ich auf die Pacific Avenue trat und dachte: Mist. Jetzt muss sich etwas ändern. Und zwar bei mir. Offenbar war es so, dass ein Unwohlsein mit dem Äußeren, also der Gefahr einer Klimakatastrophe, und eines im Inneren (einigen Aspekten meines Lebens) zusammenkamen. Es klingt selbstverständlich erbärmlich antiintellektuell, wenn man von einem Al-Gore-Film bekehrt wird.
Unter dem Eindruck dieses ganzen Marketinggeschreis vom "Weltretten", dachte ich zunächst auch: Wie soll ich es bloß mit meinem gesunden Zynismus vereinbaren, ein bewusster Konsument sein zu wollen, der die Welt rettet? Ich mache mich doch lächerlich ohne Ende.
Ich entschied mich, auf den Anspruch zu verzichten, die Welt zu retten. Und dafür, einfach anzufangen. Meine Erfahrung: Es braucht ein Symbol wie Al Gore, das den universellen Ansatz der Sache verdeutlicht. Und es braucht Freunde und Vorbilder im täglichen Leben, die zunächst mal zeigen, dass es geht. Ohne komplett uncool zu werden und im Ansehen der Peergroup zu sinken, der liebsten Menschen oder auch nur irgendwelcher Arschlöcher.
Mein Lehrmeister ist mein Bruder. "Sehr gut, sehr gut", sagt er immer, wenn ich ihm Meldung mache. "Aber das könnt ihr noch viel besser." Offenbar hat er mal einen Kurs in Mitarbeitermotivation gemacht. Vielleicht sollte ich erwähnen, dass er mich zum Kauf eines Dreiliterautos zwang. Eigentlich wollte ich einen Minivan. Damit fing es an - lange vor Gore.
Der Kauf dieses Dreiliterautos war der beste Kauf meines Lebens, und deshalb wollte ich mehr. Nicht mehr Konsum. Sondern besseren Konsum. Die Logik der vielbeschworenen Moralisierung der Märkte lautet: Wenn viele anfangen, bewusst zu konsumieren, wird die Ohnmacht des Individuums aufgehoben. Und der Markt verändert sich zugunsten der Konsumenten und zum Besseren. Naiv? Es ist eine Win-win-Situation. Im schlechtesten Fall wird das eigene Leben besser.
Manchmal fragen mich Leute, ob ich ein "Lohas" sei. Nein, bin ich nicht. "Lohas" heißt "Lifestyle of Health and Sustainability" und ist ein Marketingbegriff, der erfunden wurde, um der Wirtschaft eine Zielgruppe schmackhaft zu machen - lange vor der Jahreswende 06/07 und der breitflächigen Klimaberichterstattung.
Es irrt auch, wer immer noch denkt, es gehe letztlich um ein paar Biokarotten, Wellness, ein fair gehandeltes T-Shirt und ein bisschen CO2-Begrenzung. Lebensstil und Konsumorientierung von Neuen Ökos basieren auch, aber nicht primär auf persönlicher Gesundheit und Ernährung: Sie sind Ausdruck und Zuspitzung der Bereitschaft, eine entscheidende Zukunftsfrage der Gesellschaft anzugehen, die Energiefrage. Es gibt Lohas, die das genauso sehen. Es gibt aber auch Lohas, die nicht mal wissen, dass ihr "Ökostrom" eine Mogelpackung eines Atom- und Kohlestromkonzerns ist.
Neue Ökos entstehen derzeit in diversen Schichten, Milieus und Gruppen der Gesellschaft. Sie können sich aus Lifestylegrünen entwickeln, aus Ernährungsbewussten, aus Hedonisten, aus CSU-Wählern, aus jungen Engagierten, aus Älteren, die gerade aus der Rushhour des Lebens rausgekommen sind und den Kopf jetzt frei haben. Was sie eint: dass sie durch die intensivierte Beschäftigung mit dem Problem der Klimaveränderung pragmatisch angefangen haben, jenseits der Oberfläche ihr Leben und Denken zu überprüfen und in der Folge zu verändern - ohne sich von objektiven Problemen und Widersprüchen aufhalten zu lassen.
Falls Sie sich jetzt fragen, ob sie einer sind oder werden: Der sanfte Einstieg in ein konsumbewusstes und ökologisiertes Leben beginnt häufig mit dem Wechsel zu Ökostrom. Dann geht es los. In meinem Fall heißt das: Ökostrom, Dreiliterauto, moderne, energieeffiziente Geräte, bewusster Einkauf von Lebensmitteln unter Gesundheits- und Klimaschutzaspekten, unter anderem weniger und besseres Fleisch. Wahlentscheidungen auf Grundlage des ökologischen Programms. Boykott von sozial- und ökologisch nicht akzeptablen Unternehmen. Weder Inlandsflüge noch Kurztrips in europäische Städte per Billigflieger mehr. Diverse Ökostromwechsel initiiert. Erfolgreiche Versuche, Kollegen für das Thema zu sensibilisieren. Ein bisher nicht erfolgreicher Versuch, einen Arbeitgeber von der Notwendigkeit der CO2-Neutralität zu überzeugen. Einen Sohn so beeinflusst, dass er einen anmotzt, wenn man seinen CD-Player auf "Pause" stellt statt auszuschalten. Und leider auch: eine unbekannte Zahl von Menschen entfremdet. "Früher warst du aber lustiger." Mein Freund Minki. Ach, echt? Es macht einen sauer, wenn einer sagt, dass man früher lustiger war. Und dann noch ein Minivanbesitzer. Ich merke aber selbst, dass ich manchmal zum CO2-Dozieren neige, statt mich ordnungsgemäß mit Fußball, der SPD oder der Bedienung zu beschäftigen.
Minki sagt, ich sei als Mittvierziger in einer Lebensphase, in der ich Halt suchte. "Du konzentrierst dich auf dein Privatleben, schon klar." - "Du doch auch?" - "Nein, denn ich habe noch Karriereperspektiven." - "Mit Mitte dreißig? Hahaha." - "Zumindest spüre ich noch nicht die nachlassende Funktionalität und Attraktivität meines Körpers und meiner Arbeitskraft." Okay, okay, ich schon. Aber was will er mir sagen? "Dass ich auf Energiesparlampen abfahre, weil ich endlich gemerkt habe, dass ich keine Karriere mache und die Weiber auch nicht mehr auf mich stehen, Minki?" - "You got it." Ich schaute so, dass er sehen musste, wie absurd ich das fand. Dann ging ich nach Hause und dachte drüber nach.
Wie wurde ich, was ich bin? Ich mache es kurz. Früher hatte ich lange Haare. Ich dachte, das sei subversiv. Dabei trugen es alle. Dann hatte ich eine Kunstlederjacke mit einem "Atomkraft? Nein danke"-Aufkleber. Das sah richtig scheiße aus. Ich dachte, das sei politisch und nonkonformistisch und eine Absage an die Diktatur der oberflächlichen Ästhetik. Als die Französischlehrerin doch tatsächlich eine unangesagte Wörterarbeit schreiben wollte, ohne die letzte Arbeit zurückgegeben zu haben, führte ich die Revolte an. Dann Einsamkeit. Dann Liebe. Daneben konzentrierte ich mich zwei Jahrzehnte lang darauf, Pop zu studieren und meine Kritik am Firnis der Verhältnisse mit dem Mittel der Ironie auszudrücken Dann: erstes Kind. Mehr Arbeit. Früher raus. Kaum noch Kino. Abends manchmal müde. Dann: zweites Kind. Noch mehr Arbeit. Kein Kino. Kita. Schule. Noch früher raus. Abends immer müde. Ich weiß, was Sie jetzt denken. Was Minki auch denkt. Typisch narzisstisch gekränkte Übergangsgeneration. Vor sich die wackeren Achtundsechziger und Achtundsiebziger. Und selber immer nur zugekuckt und sich eingeredet, dass das die einzig wahre Haltung sei. Und nachdem der letzte Zug abgefahren ist, hat der arme Junge sich dann in die tollkühne und doch bequeme Idee reingesteigert, die Welt und das Klima mit Ökokonsumbürgertum retten zu wollen.
Nee, hab ich nicht. Es ist einfach Zeit für ein paar Korrekturen. Weniger zurückblicken, komplette Überarbeitung einer diffusen Gegenkultur- und Kapitalismuskritikvorstellung. Nicht mehr Bedeutung für das eigene Leben in Popsongs suchen. Ich habe auch zu oft das Bild des toten Benno Ohnesorg angeschaut. Kommt nichts mehr raus dabei.
Ich sehe es so: Gesellschaftliche Rollen sind Möglichkeiten des Ausdrucks, sie entfremden nicht automatisch. Man kann eine neue ausprobieren und merken, dass man sich komplett wohlfühlt damit. Mein Grundgefühl ist: Jetzt will ich doch mal sehen, was hier noch so alles geht. Bestimmt eine ganze Menge. Für so eine Einstellung ist ein gewisses Maß an Pathos und auch an Naivität nötig. Es war ein großer Moment, als ich kapierte: Ich bin bereit dafür. (Hier fehlt die ironische Pointe, die das abmildern würde.) Es ist wie Babyboardsurfen im Pazifik bei sechzehn Grad: Es fällt schwer, reinzugehen. Aber wenn man drin ist, wird es großartig.
Sie redeten über Autos. Ich chauffierte meine Tochter und ihre Freundinnen zum Ballettunterricht. Das heißt: Meine Tochter redete über Autos. Meine Tochter: "Wenn Autos wenig Benzin brauchen, wird die Umwelt nicht so verschmutzt. Aber diese Hammer, die brauchen hundert Liter oder sogar noch mehr." Die Freundinnen (entsetzt): "Wahnsinn." Meine Tochter (wichtig): "Und unser A2 braucht drei Liter. Oder?" Damit war ich angesprochen. "Ja, über Land", sagte ich. "Dreieinhalb auf der Autobahn, drei Komma neun in der Stadt." Anerkennendes Gemurmel auf dem Rücksitz. Offenbar wurde das nicht zum ersten Mal besprochen. Meine Tochter: "Wie viel braucht ihr denn?" Karlas Tochter wusste nicht, was sie verbrauchte, schätzte aber: "Wenig." Minkis Göre sagte: "Wir brauchen fünf Liter. Oder vier." Auch Anerkennung. Nur ich hüstelte. Vier oder fünf Liter? Mit Minkis Minivan? Dass ich nicht lache. Und nun die Frage: Ist das in Ordnung, wenn Neunjährige über Spritverbrauch reden?
Meine Frau und ich haben darüber länger geredet, und wir finden: Ja. Selbstverständlich äußern wir unsere Begeisterung über Dinge, die wir lieben und die wir gut und wichtig finden. Das macht der liebevolle Hummer-Vater oder Kohlestrom-Lobbyist ja wohl auch. Wir sind ja, wie Umfragen zeigen, die ersten Menschen seit langem, die mehrheitlich nicht mehr davon ausgehen, dass es ihren Kindern einmal bessergehen wird. Aber bestimmte Dinge, die mich geprägt haben, gehören nicht zum Leben meiner Kinder. "Wer ist dieser Dicke neben Angela Merkel?" - "Das ist Helmut Kohl." - "Wahnsinn." Mehr sagt mein Sohn nicht. Und Fischer ist für ihn ein Ergänzungsspieler, der mal im Kader des VfL Wolfsburg war.
Bestimmte andere Dinge dagegen gehören für die Kinder einfach dazu. Dass man ein eigenes Zimmer hat. Dass man über Benzinverbrauch von Autos redet, auch mal über Kohlekraftwerke und warum es ein Problem ist, wenn es immer wärmer wird. Ich stehe eigentlich nicht auf Al Gores Betonung unserer Verantwortung für die Welt unserer Kinder und Enkel. Es ist nur so, dass ich sie neuerdings spüre. Ich meine: Unsereins kann nächtelang nicht schlafen, weil er über die richtige Schule für die Kinder grübelt, da wird man sich doch auch ein paar weitere Gedanken über ihre Zukunft machen dürfen.
Warum wird das neue Ökobewusstsein skeptisch beäugt? Erstens hat das historische Gründe. Der klassische Öko galt traditionell als Feindbild schlechthin. Das böse Ö-Wort. Der moralische Zeigefinger. Die blassen Gesichter. Der schlechte Geschmack. Vor allem: das Moment des Verzichtens. Ich erlebe aber nicht Lustverzicht, sondern Lustgewinn. Die Parole lautet nicht: Weniger Konsum ist besser. Es geht auch nicht um Prestige- und Markenkonsum (Teurer ist besser). Vor allem geht es nicht um das klassische kapitalistische Manifest (Mehr ist besser). Die Parole lautet: Besser ist besser. Besser kann auch weniger sein. Auch wenn ich sehr wohl moralisches Wachstumspotenzial auf diesem Planeten sehe: Es geht nicht um moralische Überlegenheit, es geht um Effizienz und Weiterentwicklung der Konsumkultur. Konkret: der Kriterien für erstrebenswerte Produkte.
Neue Ökos werden jetzt gern als "Selbstverwöhner" kritisiert. Wohlstandspack, das ein bisschen die Welt retten wolle, aber nur so, dass es nicht wehtue. Das sich in Wahrheit mit sozialen und ökologischen Kaufkriterien bloß den neuesten Kitzel besorge, den Manufactum nicht mehr bringe - ein gutes Gewissen. Und mit diesem elitären Abgrenzungsgehabe zudem perfide all jene Schlechterverdienenden als minderwertige Klimakiller denunziere, die sich Ökostrom und Biofleisch nicht leisten könnten. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen: Reich muss man nicht sein, um bewusst konsumieren zu können. Aber den Kopf frei haben von existenzieller Angst, dass muss man schon.
Und sich abgrenzen? Klar: Mit dem Kauf von echtem Ökostrom grenze ich mich von den vier großen Kohle- und Atomenergiekonzernen ab. Die Annahme, man agiere primär, um ein gutes Gewissen zu bekommen, kann ich auch nicht bestätigen. Erstens geht es nicht um das Gewissen. Zweitens wächst mit der eigenen Entwicklung die Erkenntnis, dass es viel mehr zu tun gibt. Und die Lust darauf, es auszuprobieren.
Ich kenne allerdings auch Menschen, die sich keine Badewanne mehr einlassen können, ohne daran zu denken, dass mit der Wassermenge ein kleines afrikanisches Dorf einen Tag seinen Durst löschen könnte. Ich bade selbstverständlich weiter. Es geht nicht darum, symbolisch ein, zwei Dinge zu tun oder zu lassen, es geht darum, die wichtigen Dinge zu tun. Wie schnell die Energiewende kommt, hängt zum Beispiel davon ab, welche Politiker wir für welche Programme wählen. Wie weitreichend die Bewusstseins- und Konsumrevolution sein wird, die wir anzetteln, wie viel die Produktpolitik leisten kann, die wir machen, hängt davon ab, wie viele einsteigen und wie konsequent wir die Sache durchziehen. Was ich sicher weiß: Meine persönliche Modernisierung funktioniert auch ohne Chinesen und Inder.
Unser Familienplan lautet daher wie folgt: Wir wollen nicht hundertprozentig korrekt und moralisch sein, sondern lediglich achtzig Prozent weniger Energie verbrauchen. Den Verbrauch fossiler Energie stellen wir in naher Zukunft ein. Den Ökostrom, den wir künftig jährlich verbrauchen, wollen wir selbst produzieren oder produzieren lassen, indem wir Anteile an Gemeinschaftsanlagen kaufen. Das erste Unternehmen, das einen bezahlbaren Plug-in-Hybrid anbietet, also ein Elektroauto, kriegt unser Geld. Und damit zu einem unangenehmen Thema. Unser jährlicher Amerikaflug ist gestrichen. Meine CO2-Jahresbilanz betrug trotz Optimierung unterschiedlichster Bereiche 16,2 Tonnen. Das ist ein Drittel mehr, als der Durchschnittsdeutsche raushaut. Siebzehnmal so viel wie ein Afrikaner. Allein die Hälfte verursacht ein Hin- und Rückflug Berlin-San Francisco. Zu viel. Das ist hart, denn ich habe wieder angefangen, vom Pazifik zu träumen. Und selbst die Kinder, die sonst immer murrten, wenn wir sie zur Golden Gate Bridge schleppten, schwärmen plötzlich von Kalifornien. Wir Erwachsenen sind entschlossen, hart zu bleiben.
Es ist spannend, für eine neue, zeitgemäße Kultur zu werben und zu stehen, die Natur und Klimawandel selbstverständlich integriert. Viel cooler, als in altes Denken zurückzufallen oder sich im Gestrüpp von Antikapitalismus, Gegenkulturillusion und dem langweiligen Gegeneinanderausspielen der ökologischen und sozialen Fragen zu verheddern. Die Sorge, ob ich mit fröhlichem Ökokonsum mein Kleinbürgertum ausstelle oder den Raubtierkapitalismus unterstütze, überlasse ich gern den Feuilletonisten und Altmarxisten, die eh nichts Besseres zu tun haben.
Damit will ich nicht sagen, dass die komplizierten gesellschaftlichen Konflikte der Zukunft alle über Konsum zu lösen seien. Nur: Altes Denken kann die neuen Probleme nicht lösen. Jede Form von "Straßenkampf" taugt bestenfalls für die Showbühne in den "Tagesthemen". Jede Definition von "Neuer Bürgerlichkeit", die sozialökologisches Bewusstsein nicht als grundlegendes Moment integriert, ist Gewäsch. Die Bejahung des Marktes ist einerseits keine Absolution für alles und alle Zeiten. Das Ziel der Abschaffung des Energiemonopols in Deutschland und eine etwaige Verstaatlichung der Netze kann man andererseits auch verfolgen, ohne deshalb Sozialismus einführen zu wollen.
Die Idee ist: Konsumbürger und Umweltpolitik gehen eine Allianz ein, die sich gegenseitig stärkt. Dafür braucht es Menschen, die nicht aus dem Off mit den Verhältnissen hadern. Es braucht Menschen, die real in der Konsumgesellschaft stehen, sie verstanden haben und auf dieser Grundlage agieren, protestieren, unterstützen und ablehnen - und sich nicht von den tatsächlich existierenden und teilweise eklatanten Widersprüchen kirre machen lassen.
In der Schule unserer Kinder engagieren wir uns, wir engagieren uns am Arbeitsplatz und für den Fußballklub, warum sollten wir ausgerechnet die Umwelt und den Markt den anderen überlassen? Mit dem Aufstieg der neuen ökobürgerlichen Bewegung wird nicht nur eine Neudefinition des ehemaligen Kampfbegriffs "ökologischer Lebensstil" nötig, sondern auch eine des Wortes "Engagement".
Die Entwicklung zum bewussten Konsumenten und Neuen Öko mündet in einen neuen Lebensstil des verantwortungsbewussten Konsumbürgers. Das pralle Dasein wird weder im grünen Lifestyle aus der Künast-Minidenkfabrik gesucht, noch im Antibürgerlichen, sondern in einer neuen Verknüpfung des Privaten und des Öffentlichen, des Konsums und des Engagements. Engagiert materialistisch: Das ist eine zeitgemäße Definition von links.
Es braucht wohl kaum mehr erwähnt zu werden: Wenn die Grünen keine Grünen sind - dann kriegen sie die Stimmen der postideologischen ökolibertären Mittelschicht genauso wenig wie die Kohle-SPD oder die Linkspartei. Wenn die politische und gesellschaftliche Elite nicht schleunigst in die Gänge kommt, wird sie durch eine neue Elite ersetzt. Eine, die in der Lage ist, ein Leitbild zu formulieren und zu leben in der entscheidenden Frage der Energie- und Klimafrage. Diese Elite sind dann wir.
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