piwik no script img

■ Der Verzicht auf Gentechnik wird ein Scheinrückzug bleibenButterfinger ade

Kennt noch jemand den Butterfinger – diesen klebrig-süßen „King-Size“-Schokoriegel von Nestlé mit ganz viel Erdnußbutter drin? Er sollte unseren heimischen Markt aufmischen, das erste Produkt in deutschen Läden, das genmanipulierten Mais enthielt. Der „Kult-Riegel“ aus den USA sollte nicht nur das richtige Häppchen zwischendurch für alle sein, die trendy und hip sind. Der Butterfinger sollte den Deutschen vor allem den Einstieg in das Gen-Food-Zeitalter versüßen.

Essen und schmecken, daß Gene nicht böse sein können! Gekauft haben den Butterfinger aber nur Blinde und Analphabeten. Nach der Novel-Food-Verordnung der Europäischen Union nämlich ist der Riegel deklarationspflichtig. Die Cornflakes „könnten aus gentechnisch verändertem Mais hergestellt sein“, steht auf der Packung. Grund genug, die Finger davon zu lassen. Gentech als Werbegag zog einfach nicht. Inzwischen haben die meisten Händler den Butterfinger aus ihren Regalen verbannt.

Der Genkrieg scheint entschieden. Die Verbraucher lassen Genprodukte lieber im Supermarkt vergammeln (sofern ein Genprodukt dazu in der Lage wäre). Einige Hersteller fürchten wohl Imageverluste, wenn sie weiter Genprodukte feilbieten. In Deutschland hat sich gerade der Tiefkühlkosthersteller „Frosta“ von seinen Gen-Food-Produkten verabschiedet. In England machen neun führende Handelshäuser nicht mehr mit und wollen zumindest ihre Eigenmarken weitestgehend gentechnikfrei halten. Und auch in sechs weiteren europäischen Ländern wollen Supermarktketten ihren Kunden keine Genprodukte mehr zumuten.

Nicht, daß die Wirtschaft jetzt vom Saulus zum Paulus mutiert wäre. Es ist die berühmte normative Kraft des Faktischen, welche die Unternehmen handeln läßt. Dabei war alles so schön geregelt. Die Deklarationsbestimmungen der EU sind bis heute schwammig: Hingewiesen werden muß nur auf im Endprodukt nachweisbare Genmanipulationen. Nur bei einem Bruchteil aller mit Hilfe der Gentechnik hergestellten Lebensmittel ist die Manipulation auf der Verpackung nachvollziehbar.

Trotzdem ziehen sich die in Deutschland ohnehin wenigen Gen-Food-Produzenten zurück. Nicht weil sie glauben, ihre Produkte könnten gefährlich sein oder der Gesundheit schaden. Zu hoffen ist, daß der Rückzug vollständig sein wird. Genmanipulationen lassen sich im nachhinein nur schwer nachweisen. Eine Garantie, daß ihre Produkte gentechnikfrei seien, können selbst Ökobauern nicht mehr ohne Gewissensbisse geben. Sinn macht der Gen-Food-Ausstieg letztlich nur, wenn sich die Hersteller alle Produktionswege ihrer Lieferanten offenlegen lassen.

Aber das ist viel Arbeit und bedeutet hohe Kosten. Kosten, die sich nicht ohne weiteres auf die Preise umlegen lassen. Denn wer seine Ware nicht billig anbieten kann, hat auf Dauer keine Chance auf dem Markt. Der Verzicht auf Gentechnik wird wohl nur ein Scheinrückzug bleiben. Thorsten Denkler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen