: Der Traum ist ausgeträumt
Michel Aflak, Mitbegründer der Baath-Partei, wurde am Montag in Bagdad beigesetzt ■ P O R T R A I T
Der Prophet gilt nichts im eigenen Land, lautet ein Sprichwort, das sich auch auf die Gründer der Baath-Partei, die Syrer Michel Aflak und Salahedin Bitar, anwenden läßt. Bitar wurde 1980 in Paris ermordet, Aflak starb am Freitag im Alter von 79 Jahren ebenfalls in der französischen Hauptstadt. Er wurde am Montag in der irakischen Hauptstadt Bagdad beigesetzt.
Aflak gilt als Begründer des arabischen Sozialismus und entwickelte ein sekuläres Konzept des pan-arabischen Nationalismus. Sein Werdegang ist eng mit der Geschichte der Baath-Partei verknüpft, deren verfeindete Fraktionen heute in Syrien und dem Irak an der Macht sind. Aflak wurde 1910 in Damaskus geboren und stammt, wie viele Syrer, die von europäischen Gedanken und Ideologien geprägt waren, aus einer christlichen Familie. Bald nach einem Studium in Paris widmete er sich einzig dem Kampf für arabische Unabhängigkeit und Einheit. Ein Jahr nach der Unabhängigkeit Syriens im Jahre 1946 wurde die Baath-Partei offiziell gegründet. Aflak galt als ihr theoretischer Kopf.
Nach einem Putsch der Baath-Partei 1963 und einem weiteren 1966 entluden sich bereits seit längerem schwelende Kontroversen in einer inneren Abrechnung. Die historische Führung der Baath, darunter Aflak, hielten am Ideal des Panarabismus fest, während das Militärkomitee der Partei, das von Offizieren der alawitischen Minderheit dominiert wurde, syrische Regionalinteressen in den Mittelpunkt stellte und dies mit linksradikalen Parolen verknüpfte, die mit den ursprünglichen Zielen der Baath wenig gemein hatten. Aflak wurde wegen „Rechtsabweichung“ ausgeschlossen, inhaftiert und lebte anschließend im Exil. Als ein Konkurrenzflügel der Baath 1968 in Bagdad die Macht übernahm und der Verteidigungsminister der Baath-Regierung in Damaskus, der Alawit Hafez Al Assad, 1970 einen Militärputsch durchführte, wurde aus einem parteiinternen Konflikt eine Konfrontation zwischen zwei Staaten, die auch um die regionale Führungsrolle rivalisierten.
Es war zwar der Irak, der anläßlich des Todes von Aflak eine dreitägige Staatstrauer verhängte, doch galt der Prophet den dortigen Machthabern lediglich als eine Art anti -syrische Gallionsfigur. Offiziell war Aflak bis zu seinem Tode im Irak Vorsitzender der Baath-Partei, doch der Name seines Stellvertreters - Staatschef Saddam Hussein - zeigt, daß dieser Ehrentitel nicht mit realem Einfluß verknüpft war. Aflak selbst hatte sich seit 20 Jahren nicht mehr in die blutigen Fraktionskämpfe eingemischt. Die arabische Welt ist heute von seinem Traum der arabischen Einheit weiter entfernt denn je.
bs
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