: Der Trank der Weicheier
■ Zu einigen Thesen der Gebrüder Podewitz über Tee- und Kaffee/ Würziger Aufguß von Sketchen im „Modernes“
Wenn das, was Hallervorden & Co. im Fernsehen machen, Sketche sind, dann muß das, was die Podewitz-Brothers machen, etwas Anderes sein. Was die beiden beim Auftritt im „Modernes“ spielerisch darboten, war eigentlich zu witzig und intelligent, um es als „Sketche“ zu bezeichnen. Dabei war es für Willi Podewitz sogar das erste Mal auf großer Bühne. Die Überlegung war wohl folgende: Wenn man mehr Geld mit dem Servieren von Teigwaren in engen Gaststätten verdienen kann als mit dem Veröffentlichen von Artikeln in Kulturperiodika (Podewitz ist Dauerglossist der „Zett“ und dienert gelegentlich im „Oblomov“), ist das für einen Autoren nichts, was er später seinen Enkeln aus der Biografie vorlesen möchte. Dann schon lieber dies:
Im Schnellverfahren wurden Bücher rezensiert („sehr groß, sehr klein, sehr dick, sehr gelb“), die Unterschiede zwischen richtigen und falschen Freunden erläutert (richtige trinken Kaffee und rauchen, falsche trinken Tee und reißen immerzu Fenster auf) und Epen vom Ende der Welt erzählt, in denen jeder Satz aus einem deutschen Schlager stammte. Wunderschöne Gleichnisse fand Podewitz u.a. für die Väter von Kindern alleinerziehender Mütter. Sie seien „wie das Buch zum Film: irgendwie scheiße und ziemlich überflüssig.“
Die Geschichte vom Aufstieg Papst Johannes Paul II. dramatisierten die beiden als reißerisch spannende Mischung aus „Rocky“ und „Der Pate“: Der verarmte polnische Junge wurde in einer miesen, kleinen atheistischen Kaschemme von seinem Trainer entdeckt und lernte schnell, daß der klerikale Pfad ein steiniger ist. So wurde bereits manch unvorsichtiger Prediger „auf offener Straße aus einem fahrenden Wagen heraus exkommuniziert.“ Wie Johnny trotzdem seinen Weg ging, war schon ergreifend.
Allerdings hatten die Gebrüder Podewitz nicht mit allem, was sie sagten, recht. Entgegen ihrer Auffassung ist selbstverständlich Kafffee und nicht Tee das Getränk der Weicheier. Teetrinker sind einfach schon von Natur aus zappelige Nervenbündel und brauchen dafür keine künstliche Stimulanz mehr. Der Typus des kulleräugigen Mädchens mit Zopf und Wildlederjacke hingegen, das unentwegt „Blowin' in the Wind“ zur Wandergitarre säuselt, ist in neun von zehn Fällen Kaffeetrinkerin.
Wahr dafür ihre Ansichten über die hohe Sterblichkeitsrate bei Rauchern: nicht Krebs, sondern Erfrieren auf den Balkons, auf die sie in Nichtraucher-Haushalten immer geschickt werden. Auch der obligatorische „Doktor-Sketch“ („Sie haben einen bösartigen Humor im Kopf“) und eine Abrechnung mit den nervigen „West“-Werbetanten, die ständig die Kneipen stürmen und ungefragt Zigaretten und anderen Tand verschenken, wußte das Publikum zu erheitern.
Am souveränsten aber zog Christian Wolter sein Programm durch. Der dritte Mann auf der Bühne saß 80 Minuten dabei und aß. Er aß aus Protest, weil sein vorausgegangener Hungerstreik gescheitert war.
Und er aß sehr gut: Schlang nie, behielt den Mund zu beim kauen, kleckerte nicht und saugte keinen Ton. Lediglich den Hut hätte ein manierlicher Mensch abgenommen. Aber vielleicht lewrnt Wolter ja noch, wenn er öfter als Esser auftritt. Talentiert ist er. Andreas Neuenkirchen
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