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■ Tudjman erobert Krajina, aber der große Krieg kommt nochDer Sieger regiert

„Der Kompromiß ist eine Erfahrung“, sagt der EU- Verwalter von Mostar, Hans Koschnick, „die die Völker auf dem Balkan nicht haben machen können. Hier regierte immer der Sieger.“ 1991 waren es deshalb Hunderttausende von Kroaten, die bei der Gründung der international nie anerkannten „Serbischen Republik Krajina“ vertrieben wurden. Schon damals wurden aber auch Tausende von Serben aus Kroatien vertrieben. Und heute fliehen die Serben erneut zu Zehntausenden. Die Menschen auf dem Balkan sind damit wieder Opfer ihrer Geschichte und ihrer Propaganda geworden.

Der Sieger im jetzigen Krieg heißt Franjo Tudjman. Er mag ein barocker Alleinherrscher sein, der sich – wie einst Tito – gerne in weißer Marschallsuniform präsentiert und mit Leibwachen umgibt, die er in antiquierte Kostüme stecken läßt. Aber sein Vorgehen ist völkerrechtlich legitimiert. Und politisch unverständlich ist es auch nicht. Die Einnahme der UN- Schutzzonen Sebrenica und Žepa und die Belagerung von Bihać durch die Karadžić- und die Krajina- Serben haben keinen Zweifel daran gelassen, daß der serbischen Expansion auf dem Balkan nicht mehr mit politischen, sondern nur noch mit militärischen Mitteln beizukommen war. Tudjman hat mit seinem jetzigen Erfolg auch der UNO eine erneute Blamage in der Schutzzone Bihać erspart – und nicht zuletzt deshalb auch die stillschweigende Unterstützung der Regierungen aus Washington und aus Bonn erhalten.

Doch bei aller völkerrechtlichen Legitimation: Der Beschuß ziviler Zentren durch die Kroaten bei der militärischen Rückeroberung der Krajina ist durch nichts legitimiert, er ist zu verurteilen. Die serbische Fluchtwelle ist deshalb nicht allein mit der Propaganda von der Wiederbelebung des kroatischen Ustascha-Staates zu erklären. Greueltaten an der serbischen Zivilbevölkerung begeht auch die kroatische Armee, so die Aussage des zurückgetretenen UN- Menschenrechtsbeauftragten Tadeuz Mazowiecki.

Die Regierung in Belgrad hat ihre serbischen Brüder in der Krajina im Stich gelassen. Der Traum von Großserbien scheint damit ausgeträumt. Aber der eigentliche, der große Krieg zwischen dem serbischen und dem kroatischen Nationalismus ist damit erst angebrochen. Wenn Kroatien ansetzt, auch Ostslawonien, also den Rest der Krajina, zu erobern, wo das serbische Regime in Belgrad – im Gegensatz zur übrigen Krajina – auch wirtschaftliche Interessen hat, wird sich der Machtkampf auf dem Balkan entscheiden. Und eine politische Lösung für Bosnien-Herzegowina wird sich erst danach formulieren lassen.

Mit dem kroatischen Militärerfolg ist eine entscheidende Wende im Balkankrieg eingeläutet worden. Die serbische Vormachtstellung ist mehr als nur angekratzt. Nichts anderes war auch das Ziel der amerikanischen und deutschen Regierung. Georg Baltissen

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