: Der Regenwald stirbt auch ohne Großfeuer
Die Bilder bestimmten im August die Berichterstattung internationaler Medien: Teile des Amazonas-Regenwalds standen in Flammen. Mittlerweile hat die Regenzeit im größten Urwald der Welt begonnen, die meisten Brände sind unter Kontrolle – und die Weltöffentlichkeit hat den Blick von der Region abgewendet. Doch die Abholzung und das Sterben gehen unverändert weiter.
Nach Angaben des brasilianischen Weltrauminstituts INPE hat die Abholzungsrate im November ihren höchsten Wert seit Beginn der Messungen erreicht und war 103 Prozent höher als im Vorjahr. Zwischen dem 1. Januar 2018, dem Datum des Amtsantritts von Präsident Jair Bolsonaro, und November habe die Abholzung um 83 Prozent zugenommen. Fast 9.000 Quadratkilometer Wald verschwanden in dieser Zeit – eine Fläche etwa zehnmal so groß wie Berlin.
Die Regierung schiebt weiterhin jede Verantwortung von sich. Mehr noch: Mitte Dezember erklärte Bolsonaro, dass er die Rohstoffausbeutung in einem großen Umweltschutzgebiet zulassen will. Aktivist*innen sprechen von einem „Skandal“ und warnen vor einer weiteren Zerstörung des Regenwaldes.
Umweltschützer*innen bekommen die harte Hand der Regierung zu spüren. Ende November stürmten Polizist*innen das Büro einer preisgekrönten Organisation, die mit entlegenen indigenen Gemeinden zusammenarbeitet und auch bei der Bekämpfung der Brände beteiligt war. Vier Männer wurden verhaftet. Laut Polizei sollen sie Feuer mit Absicht gelegt haben, um internationale Gelder zu erhalten. Die Umweltschützer streiten die Vorwürfe vehement ab und sprechen von einer „politischen Kampagne“. Umweltminister Ricardo Salles hat schon mehrmals NGOs für den Ausbruch von Bränden verantwortlich gemacht.
Derweil geht auch das Sterben im Amazonas-Gebiet weiter. An vielen Orten haben die Landkonflikte seit dem Amtsantritt von Bolsonaro stark zugenommen. Der bekannte indigene Aktivist und „Wächter des Waldes“, Paulo Paulino Guajajara, wurde Anfang November im nordöstlichen Bundesstaat Maranhão bei einem Angriff von Holzfällern getötet. Anfang Dezember wurden zwei weitere Mitglieder des Guajajara-Stammes im selben Bundesstaat aus einem Auto heraus erschossen. Und am 13. Dezember wurde ein junger Indigener des Stammes in Maranhão ermordet und zerstückelt aufgefunden. Indigene Aktivist*innen warnten vor einem „neuen Genozid“.
Niklas Franzen
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