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„Der Operndirektor“ in MannheimKeine Lust zur Provokation

Kritik am eigenen Tun ist am Theater gerade in. Aber Domenico Cimarosas Satire „Der Operndirektor“ am Nationaltheater Mannheim zündet nicht.

Die Sän­ge­r:in­nen spielen ihre Rollen mit sichtlicher Überzeichnung und lassen nicht die notwendige Affektiertheit vermissen Foto: Christian Kleiner

Hach Gott, wenn’s doch im Musiktheater nur immer so fein und schön wäre: Barocke Kleider, keine „überkandidelte“ Bühne und, ja, Melodie wie zu Mozarts Epoche. Und siehe da, so etwas gibt es wieder! Gerade zu sehen am Nationaltheater Mannheim, das mit Domenico Cimarosas „Der Operndirektor“ noch einmal an jene guten, alten Zeiten anknüpft.

Sobald sich der staubige Vorhang zur Ouvertüre öffnet, blicken wir hinter die Kulissen des Theaterbetriebs. Wir werden Sopranistinnen gewahr, die sich weder mit der Zweitbesetzung noch dem falschen Outfit zufriedengeben. Oder treffen auf den längst vor der Pleite stehenden, titelgebenden Intendanten, der sich selbst mit reichlich Selbstverblendung für den weltbesten Regisseur hält. Es ist ein Zirkus der Eitelkeiten und Allüren, hochgejazzt mit etwas Slapstick und Wortwitz. Dazu gibt’s eingängige Arien, heiter und unaufgeregt.

Wäre diese Aufführung, die von Annika Nitsch wie für das Museum in Szene gesetzt wurde, nur eine bewährte italienische Oper, würde man sie einfach als langweilig abtun. Oder als miefige Nostalgie­reise mit dem Ziel: back to the roots. Ärgerlich wird es aber, wenn man bedenkt, dass ihr 1749 im Königreich Neapel geborener Komponist sie durchaus als Betriebssatire angelegt hat, der in der jetzigen Wiederentdeckung sämtliche Zähne gezogen wurden. Zwar spielen die Sän­ge­r:in­nen ihre Rollen mit sichtlicher Überzeichnung, treiben Koloraturen auf die Spitze und lassen bei keiner ihrer Gesten, erst recht den unzähligen aufgesetzten Wangenküssen, die notwendige Affektiertheit vermissen. Gleichwohl mangelt es sowohl an pointierten Bildern als auch an jedweder Lust zur Provokation.

Allein die Kulisse zeugt von maximaler Einfallslosigkeit: Links sehen wir das Bild eines Bücherregals, rechts eine Garderobe. Neben einem Cembalo eine Minibühne mit Strandstuhl und Palmen unter der beleuchteten Aufschrift „Andromache“. Denn genau um dieses Stück (im Stück) soll es gehen. Mit einer neuen Diva (Estelle Kruger) hofft der Operndirektor Don Crisobolo (Bartosz Urbanowicz) auf den dringend benötigten großen Erfolg, ruft jedoch in seinem festen Ensemble nur Unmut und Neid hervor. Erwartungsgemäß fährt der Theatermacher die eigene Show derartig gegen die Wand, bis ihm seine Angestellten – zumindest vorläufig – den Rücken kehren.

Kritische Selbstreflexion hat schon besser geklappt

Was hätte man nicht alles aus diesem zum Theaterfilm auf Videokassette verkommenen Stoff herausholen können? Zumal sarkastische wie gleichsam kritische Selbstreflexionen der Bühnen aktuell hoch im Kurs stehen. Mit einer doppelbödigen Uraufführung von Ivana Sokolas und Jona Spreters Stück „Der Grund. Eine Verschwindung“ hat sich das Nationaltheater neulich noch der Frage gestellt, was passiert, wenn sich das Schauspiel allzu sehr von der Wirklichkeit entfremdet.

Ähnlich klug und herrlich absurd beleuchtete in der vergangenen Saison auch Nis-Momme Stockmanns „Das Portal“, inszeniert von Herbert Fritsch am Schauspiel Stuttgart, den grenzenlosen Narzissmus der Theaterbranche. Alles sehr raffiniert und gewagt, zudem äußerst dringlich, nachdem das Theater der letzten Jahre, mal zu woke, mal selbstzirkulär vermehrt in Rechtsfertigungsnot geraten war.

Immerhin eine nette Botschaft hält „Der Operndirektor“ am Ende noch bereit, als sich das zuvor von seinem Intendanten abgewandte Ensemble erneut zusammenrauft und erkennt: Theater gründet auf Teamarbeit: „Denn nur in Einigkeit kann schöne Kunst gedeihen“ – ja, zu diesem Ruf mag man nicken, wie ohnehin zu manch anderem an dieser gefälligen Aufführung, die auf jegliche Ecken und Kanten verzichtet.

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