Der Netzausbau soll schneller werden: Netzagentur darf Druck machen
Bei verschlepptem Netzausbau sollen sich künftig Dritte um Investitionen bewerben können. Der Gesetzgeber setzt damit eine Vorgabe aus Brüssel um.
FREIBURG taz | Die Bundesnetzagentur erhält zusätzliche Kompetenzen, um den Ausbau der Stromnetze verstärkt vorantreiben zu können. Zusammen mit dem Gesetz zum Atomausstieg verabschiedete der Bundestag eine entsprechende Ergänzung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG).
Damit müssen die Übertragungsnetzbetreiber der Regulierungsbehörde in Zukunft jährlich einen Netzentwicklungsplan vorlegen. Dieser muss einen Zeitplan der geplanten Netzausbauten enthalten und im Falle von Verzögerungen die Gründe benennen.
Kommt es zu Verzögerungen, hat die Netzagentur künftig die Möglichkeit, einzuschreiten. Die Regulierungsbehörde kann die betreffende Investition ausschreiben, wenn es nicht "zwingende, nicht zu beeinflussende Gründe" sind, die den Ausbau verzögern.
Damit können sich bei verschlepptem Netzausbau in Zukunft Dritte um die Investitionen bewerben und entsprechend von den dafür erhobenen Netzentgelten profitieren. Hintergrund dieses Gesetzes sind allerdings nicht primär die energiepolitischen Beschlüsse der Bundesregierung nach der Fukushima-Katastrophe.
Das Gesetz folgt einer Vorgabe der EU, die unabhängig davon lange schon einen geordneten Netzausbau in Europa anstrebt.
Neben der Novelle des EnWG hat der Bundestag außerdem ein Netzausbaubeschleunigungsgesetz (Nabeg) beschlossen. Dieses soll die planungsrechtlichen Grundlagen für schnellere Genehmigungsverfahren von Stromtrassen schaffen
"Der forcierte Umbau der Energieversorgung auf regenerative Energien bedeutet eine Zäsur für den Ausbau der Netzinfrastruktur", heißt es dazu in einem Eckpunktepapier des Wirtschaftsministeriums. Der Umbau müsse "erheblich beschleunigt werden, damit der Ökostrom zum Verbraucher gelangen kann".
Das Ausmaß der Herausforderungen sei "vergleichbar mit dem Infrastrukturausbaubedarf nach der Wiedervereinigung". Auch der Präsident der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, mahnte gestern einen beschleunigten Netzausbau an.
Andernfalls könne es im Winter "im Süden Deutschlands zu Engpässen und damit zur Netzüberlastung kommen". Im Sommer gebe es weniger Probleme, unter anderem weil die Sonne inzwischen einen wichtigen Beitrag zur Stromversorgung leiste.
Ziel ist künftig vor allem ein bundesweit einheitliches Genehmigungsverfahren. Der "Flickenteppich" der Rechtslage durch Länderzuständigkeiten soll damit abgeschafft werden. "Ziel ist es, die Genehmigungszeit für eine Hochspannungstrasse von derzeit zehn auf künftig vier bis fünf Jahre zu reduzieren", heißt es aus der Bundesnetzagentur.
Dazu beitragen soll auch eine finanzielle Entschädigung der Gemeinden, die durch den Leitungsausbau beeinträchtigt werden. Die Summe wurde im Gesetz auf 40.000 Euro pro Kilometer festgesetzt. Nach Rechnung der Bundesregierung erhöhen sich die Kosten des Netzausbaus so um 4 Prozent.
Investitionsanreize für die Netzbetreiber gibt es allerdings schon: Die Bundesnetzagentur, die über die Netzentgelte wacht, gewährt den Unternehmen seit 2009 für Neuinvestitionen eine Eigenkapitalrendite von 9,29 Prozent. In dem natürlichen Monopol des Netzes sind sie garantiert: Investitionen werden stets auf die Netzentgelte umgelegt, die jeder Stromkunde pro verbrauchte Kilowattstunde zahlt.
Leser*innenkommentare
Ilmtalkelly
Gast
Die großen Netzbetreiber können soviele Panik- Prognosen, wie sie für richtig halten, rausgeben. Sie verweigern jede Auskunft nach einer detallierten Evaluation des regionalen Energiebedarfs. Auch bei der Bundesnetzagentur hebt man da die Schultern. Man muss der Bundesnetzagentur jedes Vertrauen an die Kompetenz absprechen.
Beschleunigung des Trassenbau soll den Energiegiganten Marktanteile sichern, um ihren offshore- Strom an den Mann zu bringen. Mit dem Trassenbau wird unnütz Natur zerstört,denn onshore-Anl. sind ,wenn man die Durchleitungsverluste der offshore- Anlag. abzieht, genauso effektiv. Dabei lassen sich gleich noch die Bürgerinitiativen gegen die Großprojekte ordentlich als ewige Nörgler diffamieren. Leute, wacht auf !!!
Hier ist gerade ein großer Deal im Gange.
sleepinggiant
Gast
40.000 € je laufendem Km sind nur ein billiges Trinkgeld für betroffene Gemeinden - im Gegenzug wird gefordert: Wohlverhalten auf Jahrzehnte hinaus, Einbußen in Wohnumfeld, Flächennutzung, Landschaftserleben, Siedlungsentwicklung.
Einmal mehr wird der föderale Staatsaufbau als "zersplittert" verhöhnt, der von der selbst definierten Gemeinschaftsaufgabe 'Energiewende' schonungslos geschleift werden darf.
Verlierer dieser Novelle sind BürgerInnen, die ihre Interessen künftig nur noch mit reduzierten Handlungsoptionen und Erfolgschancen wahrnehmen können.
Von einer Öko-Diktatur ist Deutschland noch ein Stück entfernt - freilich gilt: "liberty dies by inches."