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Der Kreis wird kleinerWer spricht schon über Europa?

aus Paris DOROTHEA HAHN

Europa – ganz egal, ob es dabei um die Nationalstaaten oder um die Europäische Union geht – ist im Attentats- und Kriegsgetöse der letzten Wochen beinahe untergegangen. Wenn doch einmal die Rede davon war, ging es nicht etwa um eigenständige europäische Politikvorhaben, sondern allenfalls um innereuropäische Machtkämpfe. Wie etwa die Frage, ob es opportun war und rechtens, dass die deutsche, britische und französische Spitzen sich Mitte Oktober zum Dreiergipfel in Gent trafen. Ganz allein – ohne Italien, Spanien und die vielen anderen Europäer.

Schröder hat den Alleingang der europäischen großen drei allein mit den Bedürfnissen der USA gerechtfertigt. In einem Interview mit der französischen Zeitung Le Monde sagte der Kanzler, es sei um „Anfragen der USA an diese drei Länder“ gegangen. Es habe „nicht den geringsten Grund“ gegeben, kanzelte er KritikerInnen ab, im Rahmen der EU darüber zu reden.

Das Dinner am Sonntagabend in London hätte eigentlich wieder so ein Alleingang der großen europäischen drei werden sollen. Erst im allerletzten Moment und unter dem Druck von außen lud Gastgeber Blair widerwillig und kleckerweise weitere Zaungäste ein: den amtierenden EU-Ratspräsidenten, den Chef der EU-Außenpolitik, den italienischen Regierungschef und andere mehr.

Über diesen miserabel organisierten Kriegsgipfel schweigen sich die französischen Medien aus. Sie beschränkten sich darauf, die Erklärung wiederzugeben, die Präsident Jacques Chirac am Ende des Dinners vor der Presse abgab. Die hatte immerhin den Vorteil, das aufzugreifen, was inzwischen die Mehrheit der Franzosen meint: Zweifel am Sinn des Krieges gegen Afghanistan und die Aufforderung, endlich Politik zu machen.

Über eine eigenständige europäische Politik gegenüber den USA spricht in Frankreich seit dem 11. September kaum noch jemand. Die Diskussion über eine verstärkte „bilaterale Union“, wie sie einige französische Sozialdemokraten im Hochsommer postulierten, scheinen wieder verstummt. Das Stichwort „Blaesheim-Prozess“, das die Anfang dieses Jahres in einem elsässischen Dorf eingeleiteten bilateralen informellen Gespräche zwischen Deutschland und Frankreich bezeichnet, ist nur InsiderInnen des Politgeschäftes bekannt.

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