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■ KommentarDer Kopf im Auspuff

Wirklich neu ist an dem „top secret“ Gutachten der Gesundheitsbehörde eigentlich nichts: Wer sich für das Thema Verkehr interessiert und nicht an der „Freie Fahrt für freie Bürger“-Macke leidet, der wußte auch vorher schon, daß Mobilitätswahn und Autoliebe direkt und indirekt die Menschen umbringen: In Bremen sterben doppelt so viele Menschen durch verkehrsbedingten Krebs und Herzinfarkt wie durch Unfälle.

Neu ist, daß diese allgemeinen Hochrechnungen jetzt erstmals durch konkrete Messungen bestätigt und zum Teil noch übertroffen werden. Und neu ist auch die Informationspolitik der Behörden, namentlich der Bauverwaltung: weil die Ergebnisse nicht in den verkehrspolitischen Kram passen, sollen sie unter den Teppich gekehrt werden. Die SPD hat Angst, vor diesen Ergebnissen konzeptionslos daszustehen und in der Verkehrspolitik Boden zu verlieren - das Beispiel Kassel droht.

Es ist die klassische Haltung, daß nicht sein kann, was nicht sein darf. Die Luftverpestung und das Krebsrisiko für die Menschen in der Neustadt (und überall dort, wo es ähnlich aussieht und wo nicht gemessen wurde) wird nicht geringer, wenn die Baubehörde beschließt, die Augen vor der Realität fest zuzukneifen. Tote, die an Herzinfarkten wegen Verkehrslärms gestorben sind, werden nicht wieder lebendig, wenn die Lärmmessungen als „unseriös“ abqualifiziert werden. Und unangenehme Wahrheiten werden nicht dadurch ungeschehen, daß man den Kopf in den Auspuff steckt.

Bernhard Pötter

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