: Der Klönschnackweltmeister
■ Ehrenbärenträger Jack Lemmon quasselte bei seiner Pressekonferenz die Info-Elite glattweg an die Wand
Man darf das Infotreffen zwischen Stars und Presse nicht, wie der Begriff „Pressekonferenz“ nahelegt, mit einer Konferenz verwechseln. Die Atmosphäre im Interconti erinnert eher an hektisch abgewickelte Hochschultage. Tag für Tag quetscht sich am Türsteher vorbei und sitzt dann doch eher stumm herum.
Jack Lemmon möchte man sowieso überhaupt nicht auf dem Podium begegnen, sondern lieber in einem Zug, am besten Montag abends auf der Strecke Frankfurt – Hamburg. Dann würde er vergnügt wie ein Sachbearbeiter nach Dienstschluß von seiner ersten Rolle neben Matthau erzählen, und wie dieser zu Billy Wilder sagte: „Sie haben aber einen komischen Akzent. Sind Sie nicht von hier?“ Oder wie Cukor ihn 1953 vom Broadway nach Hollywood holte – obwohl dort „hübsche Jungs gefragt waren“. Allmählich kämen auch seine unbekannteren Seiten zum Vorschein, daß er die Hälfte der Zeit am Theater verbringt und erst vor ein paar Wochen die Dreharbeiten zu Kenneth Branaghs „Hamlet“ beendet hat, den er im übrigen für den Nachfolger von Orson Welles hält.
Bald schon wären die mitgebrachten Kekse, Mineralwasser und Familienfotos ausgepackt. Später würde der 70jährige Herr mit den leicht charmeurhaft blondierten Haaren die kleinen Tricks des Komödianten ausplaudern: Sei zurückgenommen und diszipliniert in deinem Spiel, so daß die Gesten dem Zuschauer keine Angst bereiten. Fang schon ein paar Sätze vor der Pointe zu zählen an, damit der Rhythmus stimmt. Sei spritzig, aber nie auf Kosten anderer! Und bei der Ankunft in Hamburg würde man sich schließlich in Freundschaft die Hand reichen.
Der Berlinale-Klönschnack mit dem Ehren-Bären war tatsächlich nach einer Stunde noch munter. In einem Zug erzählte Lemmon über Walter Matthau, Zinnemann und Wilder; von Costa Gavras' Regie bei „Missing“ oder den eigenen komödiantischen Einschüben in „Das Appartment“; über Judy Holidays Talente, Anne Bancrofts Naturell und die Aura von Marylin Monroe. Auch der barsche Ton von de Hadeln, mit dem er Menschen oft und gerne zurechtweist, konnte den feinen älteren Herrn im Burberry-Jackett nicht irritieren: Aufmerksam erklärte Lemmon dem griesgrämigen Holländer die Fragen, wenn er mal nicht zugehört hatte. Sein kleinteiliges Anzugmuster sorgte derweil für wabernde Moirés auf dem Fernsehmonitor. Harald Fricke
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