Das Portrait: Der Kandidat der guten Beziehungen
■ Christoph Stölzl
Daß Kritiker ihn als ziemlich rechten Knochen der Museumslandschaft beschimpften, ficht Christoph Stölzl nicht an. Im Gegenteil. Der Direktor des Deutschen Historischen Museums (DHM) steckt das weg, als handle es sich um ein Kompliment. Kokett bezeichnete er sich schon mal als „Reaktionär“. Die konservative Haltung gehöre gewissermaßen zum integralen Bestandteil seines Jobs als Historiker und Sammler ausrangierter Dinge deutscher Geschichte, die er seit 1987 fein säuberlich registriert, dokumentiert und im DHM inszeniert.
Doch Stölzl ist auch Jäger. Jüdische Quellen schießt er ab: „Da muß man mißtrauisch sein“, schrieb er und zog damit den Zorn der Jüdischen Gemeinde auf sich. Die Terminologie vom „zersetzenden Bazillus“ erinnerte Andreas Nachama, Chef der Berliner „Topographie des Terrors“, zu Recht an „Stürmer-Deutsch“. Und seit der „Wende“ gewinnt man den Eindruck, Stölzl jage die DDR-Vergangenheit und präsentiere im Zeughaus alles Ostige als exotisch-irrwitzige Auszeit unserer Geschichte.
Daß Stölzl sich mit seinem deutschen Sammelwahn oftmals so weit aus dem rechten Fenster lehnen kann, verdankt er der Rückendeckung eines anderen Historikers: seinem Intimus Helmut Kohl, der den Chef des Münchener Stadtmuseums als Gründungsdirektor ins DHM lobte. Gemeinsam mit Kohl entschied der Neuberliner auf „monarchische“ Weise Dinge, die sich sonst in der chaotisch-demokratischen Berliner Museumswelt niemand getraut hätte: Erst sollte das DHM auf einen Standort gegenüber dem Reichstag. Nach 1989 rückte er mit dem DHM dem östlichen Zeughaus auf den Pelz. Und auch der jetzige Erweiterungsbau kam per Kaminrunde im Kanzleramt zustande. Ieoh Ming Pei darf – ohne öffentlichen Bauwettbewerb – ran.
Weil Stölzl mit dem guten Draht nach Bonn aber auch mit seinen einsamen (oder zweisamen) Entscheidungen nicht immer schiefliegt, darf er nun zum Olymp der Museen aufblicken. Stölzl ist Wunschkandidat Kohls für den 1998 frei werdenden Chefsessel der Stiftung Preußischer Kulturbesitz; einem staubigen Kulturdinosaurier mit 17 Museen und riesigen Sammlungen. Für den quirligen Jäger und Sammler bedeutete das den Goldhelm. Für das DHM ist das eine Chance. Rolf Lautenschläger
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