Der Kampf um den Bundesliga-Aufstieg: Fast wie in der ersten Liga
Nach dem 1:1 gegen den Verfolger Hertha BSC verrät nur die Enttäuschung der Spieler von Braunschweig, wie sehr sie schon vom Aufstieg träumen
BRAUNSCWEIG taz| „Wir haben die Konkurrenz auf Distanz gehalten“, sagte Gäste-Trainer Jos Luhukay nach dem Spiel. Mir „wir“ meint er Eintracht Braunschweig, Tabellenführer der Zweiten Fußball-Bundesliga, und seine Hertha, Tabellenzweiter. Im ausverkauften Eintracht-Stadion hatten sie sich 1:1 unentschieden getrennt. Der Abstand zwischen den Namenlosen aus Braunschweig und der teuren Mannschaft des Erstliga-Absteigers aus Berlin beträgt damit weiterhin fünf Punkte.
„Nach dem Schlusspfiff hab ich enttäuschte Eintracht-Spieler gesehen“, erzählt ihr Trainer Torsten Lieberknecht. „Ich hab denen gesagt: Habt ihr sie noch alle? Schaut mal auf die Tabelle, 27 Punkte nach elf Spielen sind nicht so verkehrt.“
Ein paar Journalisten spielen weiter das Spiel: Wann werden die Saisonziele korrigiert? Dazu Ken Reichel, linker Außenverteidiger: „Wir sind gut damit gefahren, von Spiel zu Spiel zu denken. Warum sollten wir das ändern? Ich glaube, wir ändern unsere Zielsetzung nicht.“ Glauben Sie? „Ja“, sagt Reichel. Und wie lange glauben Sie das? „Bis wir rechnerisch von da oben nicht mehr verdrängt werden können“, sagt Reichel.
Es ist nicht wichtig, was Spieler über Saisonziele sagen, und was Verantwortliche. Wichtig ist, welche Ziele die Mannschaft mit ihrer Spielweise definiert. Hohe: Körperbetont ohne Fouls, stark in den Zweikämpfen, alle arbeiten gegen den Ball, der Gegner wird früh attackiert, alle gehen mit Dampf in jede Aktion, die Mannschaft switcht gut von Abwehr auf Angriff um, kämpft, keiner hat Angst.
Und das Team ist effektiv: 25 Minuten ohne irgendeine Torchance, dann ein Abschlag von Keeper Daniel Davari, der Ball landet bei Kapitän Dennis Kruppke, der den Ball voll trifft, sechster Saisontreffer. „Beide Mannschaften haben sich neutralisiert, es fand fast alles im Mittelfeld statt“, sagt Luhukay. Herthas rechter Mittelfeldspieler Marcel Ndjeng findet: „Wir haben nicht viel zugelassen, aber das, was wir zugelassen haben, war schon zu viel.“
Hertha kommt nur mit Standards in Tornähe. Die hat der 26-jährige Brasilianer Ronny drauf. „Das mit den Standards wussten wir, das hatten wir angesprochen“, sagt Eintracht-Innenverteidiger Ermin Bičakčić. Und dann kommt doch eine, bei der sie nicht aufpassen.
In der zweiten Halbzeit macht Berlin Druck. Je älter die Halbzeit wird, desto mehr Druck, Braunschweig wird schwächer, müder, langsamer, gewinnt weniger Zweikämpfe, die Innenverteidiger Bičakčić und Deniz Dogan bekommen Probleme. „Das lag an uns“, erklärt Norman Theuerkauf, defensiver Mittelfeldspieler, „kaum hatten wir geklärt, kam der Ball zurück. Das ging zu schnell.“ Theuerkauf macht ein gutes Spiel, bis auf einen Patzer: „Ich nehm’ den Ball schlecht mit und dann verstolpere ich auch noch, da hab ich gepennt.“ Die anderen sind wach und bügeln seinen Fehler aus.
„Wir haben jetzt vier Gegentore, davon drei aus Standards“, sagt Trainer Lieberknecht, und schließt daraus: „Wir verteidigen ganz gut, können uns aber bei Standards verbessern.“ Ein Freistoß für Hertha in der 78. Minute. „Wir haben gepennt“, sagt Reichel. Die Berliner – abgezockt – führen ihn schnell aus, in der Straßenbahn diskutieren die Eintracht-Fans, ob der Ball freigegeben war. Die meisten: „Nein.“ Ronny schickt die Kugel in den Strafraum, vielleicht müsste Keeper Davari eingreifen, der bleibt auf der Linie, Adrián Ramos steigt hoch. Kopf, wusch, drin. Ausgleich.
Danach hat Ramos noch eine Chance. Braunschweigs Ordnung, auf Athletik, Kondition, Kampf, Laufbereitschaft aufgebaut, ist weg und es dauert, bis sie wieder da ist – aber nicht mehr so wie in der ersten Halbzeit.
Insgesamt ein gutes Spiel, phasenweise wie in der Ersten Liga. Am Dienstag kommt der SC Freiburg in der zweiten Runde des DFB-Pokals nach Braunschweig. Gute Gelegenheit, um zu sehen, ob da noch ein Unterschied ist.
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