■ Querspalte: Der Jägermeister als Knecht
Nun ist es passiert. Eine der Ikonen Niedersachsens ist perdu. Es handelt sich nicht etwa um den inzwischen ärgerlich langweiligen Gerhard S., sondern um einen anderen Polterer. Ein dauerhafterer, sozusagen richtig deutsche Kultur – Günter Mast. Seit 1953 war er der Herrscher über Jägermeister in Wolfenbüttel. Aus einer beliebigen Likörmarke machte er ein Schmiermittel des Wirtschaftswunders, der Ölkrise und neuerdings ausgepowerter Techno-Kids. Er trank gerne Jägermeister, weil er gerne Boß war.
Schauerliche Zahlen wurden jedes Jahr wieder aus der Zentrale in Braunschweig vermeldet. Derzeit sollen 35 Millionen Flaschen des rötlichen Zeugs pro Jahr durch verklebte Kehlen fließen. Ungezählte Räusche und die erste Trikotwerbung der Fußballgeschichte 1973 bei Eintracht Braunschweig haben Mast groß gemacht, doch es hat ihm nun nicht mehr über sein kleines Kapitalistenproblem hinweggeholfen: Der Jägermeister-Laden gehörte ihm gar nicht. Wie die unermüdlichen Kollegen von den Nachrichtenagenturen nun lakonisch vermerken, hat er ihn nur jahrzehntelang für seinen Onkel geführt. Nach all den Jahren wissen wir es nun – Mr. Jägermeister war nur Jägerknecht! Und die Tochter des Onkels, Annemarie Findel-Mast samt eigener Tochter waren nun gar nicht mehr zufrieden mit dem dickschädeligen Verwandten. „Größte deutsche Markenspirituose“ hin oder her, den beiden Damen waren angeblich die großen Investitionen in den neuen Ländern zuviel. Mensch Günter, das hättste doch wissen müssen! Nicht mit den Ossis einlassen, die haben doch sogar den Oberjägermeister Honi mit Hilfe ihrer reichen Verwandten aus dem Westen abgesetzt.
In jeder ordentlichen Satire würde nun hier folgen, daß sich ein verdienter Unternehmer wie der Herr Mast natürlich nicht zur Ruhe setzt mit seinen zarten 71 Jahren, sondern nun vermehrt zum Jagen in sein Revier schreitet. Wäre aber falsch, er hat nicht einen, sondern zwei Forstbetriebe, einen in der Heide und einen in Oberbayern. Wirklich. Reiner Metzger
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