■ Der Israeli Teddy Kollek bekam gestern das Bundesverdienstkreuz: Deutsche Ignoranz
Bundespräsident Roman Herzog hat gestern den höchsten deutschen Orden, das Bundesverdienstkreuz mit Hosenband und Stern, an einen Mann verliehen, der das Völkerrecht, die Genfer Konvention und die betreffenden UN-Resolutionen mißachtet und verletzt hat. Die Rede ist von Teddy Kollek, dem ehemaligen Bürgermeister von Jerusalem. Er erhält dieselbe Auszeichnung, die Helmut Kohl nach 16 Jahren Regierungszeit in Deutschland zuerkannt wurde.
Niemand kann für sich in Anspruch nehmen, ähnlich viel für die Judaisierung Jerusalems getan zu haben wie Teddy Kollek. In dem Vierteljahrhundert seiner Amtszeit hat er die Israelis im arabischen Ostteil der Stadt zur Mehrheit gemacht. Und sich dabei nach außen hin als „Freund der Araber“, als verständiger Stadtvater ausgegeben, der die Anliegen der palästinensischen Einwohner ernst nimmt und ihnen Rechnung trägt. Doch die Wahrheit ist eine andere.
Die Baupläne der israelischen Siedlungen im Osten Jerusalems tragen seine Handschrift. Und die Ausweisung von Grünzonen in dem 1967 eroberten Stadtteil, in denen Araber nicht bauen dürfen, hat letztlich er zu verantworten und niemand anders. Kolleks Devise lautete schlicht, die günstigste Gelegenheit abzuwarten, um die israelische Präsenz in Ost-Jerusalem unumkehrbar zu machen. Auch er würde auf Har Homa im Süden Jerusalems bauen, aber zu einem anderen Zeitpunkt, an dem die Kontroverse über diesen umstrittenen Siedlungsbau abgeflaut wäre, die internationale Aufmerksamkeit nachgelassen hätte. Kollek hat die Araber in Ost-Jerusalem diskriminiert, nicht mit Worten, sondern mit Taten.
Niemand will bestreiten, daß Kollek mit seinem Wiener Charme eine persönlich einnehmende Person ist. Und gewiß hat er, zumal als Sekretär des ersten israelischen Ministerpräsidenten Ben Gurion, viel für eine deutsch-israelische Verständigung getan. Der Skandal liegt nicht bei Teddy Kollek, er handelte in bestem zionistischen Interesse. Der Skandal liegt auf deutscher Seite. Die Ignoranz gegenüber dem palästinensischen Anspruch auf Ost-Jerusalem, der in dieser Verleihung zum Ausdruck kommt, wird all jene bestärken, die das „vereinte Jerusalem“ als „ewige Hauptstadt Israels“ betrachten. Doch dies ist weder völkerrechtlich legitimiert noch politisch vertretbar. Über die Zukunft Jerusalems muß selbst laut dem Oslo-Abkommen erst noch verhandelt werden. Die Verleihung des Ordens zeugt nicht nur von mangelnder politischer Sensibilität. Sie ist ein Beweis für die politische Ignoranz auf deutscher Seite. Georg Baltissen
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