: „Der Herr Senator studiert die Akten“
■ Polizeiskandal: Heute Tag der Entscheidung / Das Nachfolgekarussell dreht sich
Innensenator Hartmuth Wrocklage wird nach den neuesten Enthüllungen im Hamburger Polizeiskandal erstmals personelle Konsequenzen ziehen. Wrocklages persönlicher Referent Wolfgang Brand zur taz: „Der Senator wird (heute) dem Senat seine Entscheidung mitteilen.“ Es gilt als relativ sicher, daß der Kopf von Landespolizeidirektor Heinz Krappen rollen wird. Zur Disposition steht auch Direktionsschef Richard Peters, der ebenfalls jahrelang rassistische Übergriffe auf Schwarzafrikaner im Kirchenallee-Revier vertuschte. Ob Kripo-Chef Wolfgang Sielaff die Turbulenzen übersteht, ist ungewiß.
„Heute ist der Tag der internen Entscheidungen“, so Brand gestern. „Der Senator studiert Akten, um zu prüfen: Was hat die Polizeiführung getan, was hat sie nicht getan und warum hat sie es nicht getan?“ Zu diesem Zweck habe Wrocklage die betroffenen Polizeioffiziere aufgefordert, schriftlich Rapport zu erstatten. Zur strafrechtlichen Komponente des Vorwurfs der „Strafvereitelung im Amt“ müsse die Innenbehörde die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abwarten. Unabhängig davon müsse Wrocklage überlegen, so Brand, welche „persönliche Entscheidung“ zu treffen sei. Im Klartext: Welche politischen und personellen Konsequenzen gezogen werden müssen. Auch CDU-Fraktionschef Ole von Beust sieht das Vertrauen in die Polizeiführung erschüttert. Am späten Montagabend wollte Wrocklage die Polizeiführer in die Behörde zitieren.
Unterdessen ist die Diskussion um die Krappen-Nachfolge entbrannt. Immer wieder wird via „Mopo“ Manfred Bienert, (Chef der Landespolizeischule) in die Diskussion gebracht. Doch viele Polizisten halten dessen Benennung für eine „Katastrophe“. Ein Polizeiinsider: „Der Ruf, der um ihn aufgebaut wird, entspricht nicht Realität.“ Bienert habe – genauso wie Krappen – die rassistischen Übergriffe lange Zeit gedeckt.
Wie berichtet, hatte der Kronzeuge bereits 1992 einen Konflikttrainer der Landespolizeischule über die rassistschen Übergriffe berichtet. „Ein Vorschlag, daß Konflikttrainer ihre Erkenntnisse im engeren Kreise der Polizeiführung darlegen, wurde zurückgestellt“, heißt es in einem vertraulichen Bienert-Vermerk über Verhaltsmängel von PolizistInnen.
Bienert unterrichtete zwar am 21. März 1994 – nachdem Direktionschef Richard Peters nicht eingegriffen hatte - die Polizeiführung über die Vorfälle am Kirchenallee-Revier. Die Staatsanwaltschaft setzte Bienert allerdings erst am 26. September 1994 in Kenntnis. „Zu einem Zeitpunkt, wo klar war, daß ohnehin alles an die Öffentlichkeit gelangen würde“, so ein Kritiker. Und auch GALier Manfred Mahr bemängelt: „Die zögerliche Haltung ist unverantwortlich.“
Auch hat Bienert im vorigen Jahr eingenmächtig mehrere Konflikttrainerstellen an der Landespolizeischule, die BeamtInnen in Konfliktlagen als Anlaufstelle dienen, unbesetzt gelassen. Erst als Hackmann kurz vor seinem Rücktritt intervenierte, versuchte er eilig, die Stellen zu besetzen.
„Der einzige, der im Moment in Frage kommt, der die schwierige Lage in der Polizei meistern kann, ist der Polizeidirektor Jens Herrmann“, so ein führender Beamter aus dem Präsidium. Herrmann ist seit zwei Jahren Leiter der Bereitschaftspolizei. Er gilt als liberal und umsichtig, entscheidungsfreudig, habe „einen Blick fürs Ganze“. Ein Vertrauter: „Er ist von keiner Gruppierung abhängig, lehnt konsequent jeglichen Corpsgeist ab und zieht auch Prügelpolizisten konsequent zur Rechenschaft.“
Kai von Appen
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